"Hier.", Annalena stellte das Weinglas vor Katharina auf dem Wohnzimmertisch ab und gesellte sich dann neben sie auf das Sofa, mit ihrem eigenen Glas in der Hand.
Das Licht, in der überraschend modern eingerichteten Wohnung, war leicht gedimmt und die Musik, die leise aus den Lautsprechern des Plattenspielers drang, brachten Katharinas Gehirn schon fast von selbst dazu sich irgendwelche unerreichbaren Szenarien auszumalen. Sie musste echt dringend damit aufhören!
Sie musterte, tief in Gedanken versunken, die Spiegelung der Lichter auf der dunkelroten Oberfläche ihres Weines.
"Alles okay?", sie konnte sich gerade noch so davon abhalten erschrocken zusammen zu zucken. Annalena hatte ihre blauen Augen durchdringend auf sie gerichtet.
"Ja, natürlich.", lächelte Katharina, und stellte ihr Glas vorsichtig wieder zurück auf den Tisch. Die andere Frau sah, wie so oft, nicht überzeugt von ihrer Antwort aus, aber vertiefte das Thema nicht weiter.
"Dann erzähl mal, woher kam dein Interesse für dieses Praktikum eigentlich?", sie nahm einen Schluck von ihrem eigenen Glas und Katharina beobachtete fasziniert, wie das Getränk die Innenseite ihrer Lippen leicht rot färbte. Sie schob diesen Gedanken schnell wieder beiseite und konzentrierte sich stattdessen auf die ihr gestellte Frage. Katharina berichtete stolz von ihrem Politikwissenschaftsstudium und von ihrem Wunsch einmal selbst aktive Politikerin zu werden, für Veränderung zu sorgen. Die beiden erzählten stundenlang über Alles und Nichts, oder zumindest kam es Katharina so vor.
"Oh Gott, das hat dein Opa echt zu dir gesagt? Das ist schon krass.", Katharina nickte bestätigend und dann blieb es für einige Zeit still. Beide hingen ihren eigenen Gedanken nach, während die Weinflasche vor ihnen sich immer mehr entleerte. Dann unterbrach Annalena wieder die Stille, welche durch das Knistern der ausgespielten Platte gar nicht so still war.
"Und wie siehts sonst so aus? Hast du einen Partner?", sie wartete kurz und fügte dann schnell noch ein "wenn ich fragen darf?" hintenan. Katharina entwich ein leises Lachen, diese Situation wurde echt immer absurder.
"Nein, hab ich nicht.", sie lächelte Annalena offen an. Doch ihre Augenbrauen zogen sich leicht verwirrt zusammen; bis sie irgendeine Art Realisation hatte, denn ihre Augen weiteten sich plötzlich und eine leichte Röte färbte ihre Wangen.
Katharina war sich sicher, dass das das erste Mal war, dass sie die ältere Frau erröten gesehen hatte und es fiel ihr von Minute zu Minute schwerer sie nicht einfach zu küssen. Beschämt wendete sie ihren Blick ab und trank einen weiteren Schluck.
"...oder eine Partnerin?"
Schlagartig verschluckte sie sich an ihrem Wein. Tränen stiegen ihr in die Augen bei dem Versuch nicht unkontrollierbar los zu husten, aber es war vergebens. Ihre Lunge brannte und sie drehte sich stark hustend und keuchend weg, um die Situation nicht noch peinlicher zu machen. Warum sie solch eine Reaktion auf eine so simple Frage hatte, war ihr natürlich klar. Es war nicht unbedingt die Frage selbst, die diesen Reflex ausgelöst hatte, sondern viel mehr die Person, die die Frage gestellt hatte. Eben deren Hand spürte sie nun vorsichtig über ihren oberen Rücken streicheln und bemerkte ein Glas Wasser, welches ihr vor die Nase gehalten wurde. Sie nahm es dankbar entgegen und trank. Zum Glück half das etwas und sie konnte so den Hustenreiz halbwegs unter Kontrolle bringen.
Die Spitzenpolitikerin entschuldigte sich natürlich sofort leise aber Katharina winkte, immer noch etwas heiser, ab.
"Ich hab mich nur verschluckt, hatte nichts mit der Frage zu tun. Keine Sorge.", log sie, hoffend die andere Frau würde ihr glauben. "Und um die Frage zu beantworten: Nein, ich hab im Moment keine Freundin.", sie versuchte es mit einem Lächeln um die Situation etwas aufzulockern. "Aber ich war in den letzten Monaten auch nicht wirklich bereit dafür; die letzte Beziehung endete, sagen wir mal, unschön."
Annalena sah sie mitfühlend an und Katharina bemerkte wie ihre Hand immer noch sanft auf ihrem Rücken platziert war. Als sie ihren Blick wieder der anderen Frau zuwandte, schenkte diese ihr ein ehrliches Lächeln und musterte sie kurz stumm.
"Als ich noch studiert habe, das muss in London gewesen sein, hatte ich mal ein Date mit einem Mädchen, die sah dir extrem ähnlich, bis auf die Augen; ihre waren blau."
Als Katharina verstand, was ihr da gerade erzählt worden war, setzte ihr Gehirn für einige Sekunden aus. Nur drei Wörter schwirrten in ihrem Kopf umher: Annalena - Date - Mädchen.
Sie fühlte sich, als müsste sie gleich in Ohnmacht fallen, oder das ganze war ein Traum. Jetzt wo sie so darüber nachdachte, war die Theorie mit dem Traum gar nicht so abwegig, dieser Abend war viel zu seltsam, perfekt, unglaublich, um tatsächlich real zu sein. Und doch saß sie auf Annalenas Sofa, diese saß direkt vor ihr und sah sie mit dem Funkeln eines gewissen Etwas in den Augen an.
"Wir sind zwar nie ein Paar geworden, aber wir haben uns regelmäßig geschrieben. Zumindest bist vor ein paar Jahren."
"Was ist dann passiert?", fragte Katharina mit trockenem Hals und griff nach dem noch halb vollen Wasserglas.
"Nichts, aber Arbeit, Ehe und Kinder gaben mir keine Zeit mehr ihr regelmäßig zu schreiben, also haben wir irgendwann nur noch zu Weihnachten und Ostern voneinander gehört."
Innerlich hörte Katharina die Alarmglocken schon läuten. Wie hatte sie nicht daran gedacht, dass die andere Frau verheiratete sein könnte; eine Google Suche hätte da wahrscheinlich schon gereicht. Und natürlich hatte sie auch Kinder. Katharina kam sich so unglaublich dumm vor. Hatte sie echt tief im Inneren darauf gehofft, dass Annalena eventuell doch etwas mehr als nur Freundschaft für sie empfand; eigentlich waren sie ja nichtmal richtig befreundet, sie war immer noch ihre Chefin. Katharina versuchte zu lächeln, was ihr eher schlecht als recht gelang und sah dann auf ihre Armbanduhr. 2 Uhr und sie musste ja morgen arbeiten. Na toll.
"Ich sollte wohl langsam nach Hause, es ist schon recht spät.", am Besten wäre jetzt wohl etwas Abstand zwischen sie und Frau Baerbock zu bringen, auch wenn ihr Herz natürlich genau das Gegenteil wollte.
"Oh, ja klar."; Annalena tat es ihr gleich und stand vom Sofa auf. "Also du kannst natürlich auch hier übernachten, wenn das einfacher wäre. Das Gästezimmer ist noch frei und ich...hätte nichts dagegen."
Das war ja mal wieder typisch, dass das Schicksal so gegen sie spielen musste. Ihr fiel es sowieso schon schwer in solchen Situationen Nein zu sagen. Das Universum wollte sie testen, ganz klar.
Aber wenn sie so darüber nachdachte hatte Annalena recht, bis sie zu Hause und im Bett wäre, würde es bestimmt schon 4 Uhr sein und sie musste um halb 7 wieder aufstehen.
Also stimmte sie zu. Natürlich nicht, weil sie trotz allem Annalena nah sein wollte, sondern nur, weil es einfach praktischer war und wenn es ihr schon angeboten wurde, konnte sie auch einfach zustimmen.
Annalena schien über ihre Zusage ehrlich erfreut und führte sie sogleich in das zuvor erwähnte Gästezimmer.
"Warte kurz, ich hole dir schnell einen Pyjama.", und damit war sie verschwunden. Zum ersten Mal an diesem Abend konnte Katharina durchatmen und ihre Gedanken wenigstens etwas ordnen, zumindest versuchte sie es in der kurzen Zeit, bis die andere Frau wieder das Zimmer betrat und ihr ein kleines Packet sorgsam zusammengelegter und gebügelter Kleidung auf die Kante des Bettes legte.
Mit der Info, dass sie ihr eine frische Zahnbürste ins Bad gelegt hatte wünschte sie ihr eine "erholsame Nacht" und schloss die Tür hinter sich.
Keine zehn Minuten später lag Katharina unter der warmen Decke. Sie war todmüde und dennoch fand sie keine Ruhe. Der Pyjama, den Annalena ihr geliehen hatte, roch nach frisch gewaschener Baumwolle und ihr. So sehr sie es auch versuchte konnte sie die andere Frau nicht aus ihren Gedanken verbannen. Die Uhr auf dem Nachttisch tickte vor sich hin und Katharina wusste, ohne überhaupt hingesehen zu haben, dass eine weitere Stunde vergangen sein musste.
Nach einiger Zeit des hin und her Wälzens, fiel sie endlich in einen mehr als unruhigen Schlaf.
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Choosing You - An Annalena Baerbock FF
RomanceKatharina war jung, entschlossen und...nervös. Sie hatte es geschafft einen Praktikumsplatz bei der Parteivorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock zu ergattern, welches sie nun als letzten Schritt von ihrem Bachelor Abschluss trennte. Fest entschl...