Kapitel 5 ✔️

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L U N A

Wir brauchten so lange, um ihr Klassenzimmer zu finden, dass wir, obwohl wir früh aus Wahrsagen gekommen waren, fast zu spät kamen.
Harry und ich entschieden uns für einen Platz ganz hinten, weil wir uns fühlten, als würde uns ein sehr heller Scheinwerfer anstrahlen; die anderen in der Klasse warfen uns unablässig flüchtige Blicke zu, als ob wir jeden Moment tot umfallen würden.
Ich hörte kaum, was Professor McGonagall uns über Animagi erzählte, was ich ja auch eigentlich nicht wissen brauchte, (Zauberer, die sich nach Belieben in Tiere verwandeln konnten), und sah nicht einmal hin, als sie sich vor unseren Augen in eine getigerte Katze mit Brillenringen um die Augen verwandelte.
„Sagt mal, was ist denn heute in euch gefahren?", fragte Professor McGonagall, verwandelte sich mit einem leisen Plopp in sich selbst zurück und musterte uns reihum. „Nicht dass es mir was ausmachen würde, aber das ist die erste meiner Verwandlungen, bei der ich keinen Beifall von der Klasse bekomme."
Alle Köpfe wandten sich wieder Harry und mir zu, doch niemand sagte ein Wort.
Dann hob Mine die Hand.
„Bitte, Professor, wir haben eben unsere erste Stunde Wahrsagen gehabt und wir haben Teeblätter gedeutet und -"
„Aah, natürlich.", sagte Professor McGonagall, nun plötzlich die Stirn runzelnd. „Sie brauchen mir gar nichts weiter zu erklären, Miss Granger. Und, wer von Ihnen wird dieses Jahr sterben?"
Wir alle starrten sie an.
„Wir.", sagten Harry und ich gleichzeitig.
„Verstehe.", sagte Professor McGonagall und fixierte uns beide mit ihren Perlenaugen.
„Dann sollten Sie wissen, Potter und Black, dass Sibyll Trelawney, seit sie an dieser Schule ist, Jahr für Jahr den Tod eines Schülers vorausgesagt hat. Keiner davon ist bislang gestorben. Todesomen zu sehen ist ihre bevorzugte Art, eine neue Klasse willkommen zu heißen. Ich spreche eigentlich nie schlecht über Kollegen, aber..."
Professor McGonagall verstummte mit aufgeblähten Nasenflügeln.
Etwas ruhiger fuhr sie fort.
„Wahrsagen ist einer der ungenausten Zweige der Magie. Ich möchte Ihnen nicht verheimlichen, dass ich mich nicht weiter damit abgebe. Wahre Seher sind sehr selten und Professor Trelawney -"
Wieder verstummte sie und sagte dann in nüchternem Ton: „Sie scheinen mir bei bester Gesundheit zu sein, Potter und Black, also werden Sie mir verzeihen, wenn ich Ihnen trotz allem Hausaufgaben gebe. Wenn Sie sterben, brauchen Sie die Arbeit nicht abzugeben, das versichere ich Ihnen."
Mine lachte.
Ich fühlte mich etwas wohler.
Jedoch nicht alle waren überzeugt; Ron sah immer noch besorgt aus und Lavender flüsterte:
„Aber was ist mit Neville's Untertasse?"
Nach der Verwandlungsstunde schlossen wir uns der vielköpfigen Schar an, die lachend und schwatzend zum Mittagessen in die große Halle strömte.
„Kopf hoch, Ron.", sagte Mine und schob ihm einen Teller Fleischeintopf zu. „Du hast doch gehört, was Professor McGonagall gesagt hat."
Ron schöpfte sich Eintopf auf den Teller und nahm den Löffel in die Hand, begann jedoch nicht zu essen.
„Harry, Luna.", sagte er mit leiser und ernster Stimme, „ihr habt doch nicht etwas zufällig irgendwo einen großen schwarzen Hund gesehen?"
„Doch, hab ich.", sagte Harry. „In der Nacht, als ich von den Dursley's abgehauen bin."
Ron sah Mine an, als wäre sie verrückt geworden.
„Hermine, wenn Harry einen Grimm sieht, dann ist das - dann ist das schlecht.", sagte er. „Mein - mein Onkel Bilius hat mal einen gesehen und - und 24 Stunden später ist er gestorben!"
„Zufall.", sagte Mine schnippisch und schenkte sich Kürbissaft nach.
„Du weißt doch nicht, wovon du redest!", sagte Ron und Zorn stieg ihm ins Gesicht. „Grimme erschrecken die meisten Zauberer zu Tode!"
„Da hast du es.", sagte Mine in überlegenem Ton. „Sie sehen den Grimm und sterben vor Angst. Der Grimm ist kein Omen, er ist die Todesursache! Und Harry ist noch unter uns, weil er nicht so bescheuert ist, einen zu sehen und dann zu denken, schön und gut, geb ich also besser den Löffel ab!"
Ron starrte Mine sprachlos an.
Sie öffnete ihre Tasche, zog ihr neues Arithmantikbuch heraus, schlug es auf und lehnte es gegen den Saftkrug.
„Mir kommt Wahrsagen recht neblig vor.", sagte sie, während sie nach der richtigen Seite suchte, „'ne Menge Rumgerätsel, wenn ihr mich fragt."
„An diesem Grimm auf dem Teller war nichts nebliges!", sagte Ron erhitzt.
Oh man, das eskaliert ja bald.
Ich sah Harry an und er mich.
„Du warst dir noch nicht so sicher, als du Harry gesagt hast, es sei ein Schaf.", sagte Mine kühl.
„Professor Trelawney hat gesagt, du hast nicht die richtige Aura! Luna auch nicht! Zur Abwechslung bist du mal 'ne richtige Lusche in einem Fach, Luna auch und das gefällt dir und bestimmt auch Luna nicht!"
Er hatte einen empfindlichen Nerv getroffen.
Mine klatschte ihr Arithmantikbuch so hart auf den Tisch, dass überall Fleisch- und Karottenstückchen umherflogen und ich legte mein Besteck zur Seite.
„Wenn gut sein in Wahrsagen heißt, dass ich so tun muss, als würde ich Todesomen in einem Haufen Teeblätter erkennen, dann weiß ich nicht, ob ich das Zeug überhaupt lernen soll! Dieser Unterricht war im Vergleich zu meiner Arithmantikstunde einfach haarsträubender Unfug!"
Sie nickte mir zu, packte ihre Tasche und schritt stolz von dannen.
Auch ich erhob mich jetzt.
Stirnrunzelnd sah ihr Ron nach.
„Wovon redet sie eigentlich?", fragte er Harry. „Sie war doch noch gar nicht in Arithmantik."
Ich nahm mir meine Tasche und verließ ebenfalls die Halle.

Ich war froh, nach dem Mittagessen nach draußen zu kommen.
Der Regen von gestern hatte sich verzogen; der Himmel war klar und blassgrau; das feuchte Gras unter unseren Füßen federte, als wir zu unserer ersten Stunde Pflege magischer Geschöpfe gingen.
Ron und Mine schwiegen sich an.
Harry und ich gingen ebenfalls schweigend neben ihnen her, über den sanft abfallenden Rasen hinüber zu Hagrid's Hütte am Rande des verbotenen Waldes.
Erst als ich drei nur zu bekannte Rücken vor mir sah, wurde mir klar, dass wir zusammen mit den Slytherins Unterricht hatten.
Draco redete lebhaft auf Crabbe und Goyle ein, die gackernd lachten.
Ich ahnte, worüber sie sprachen und langsam fand ich das nicht mehr lustig.
Hagrid wartete an der Tür seiner Hütte auf uns.
Da stand er in seinem Umhang aus Maulwurffell, Fang, den Saurüden, an den Fersen und schien kaum erwarten zu können, endlich anzufangen.
„Kommt, bewegt euch!", rief er uns zu. „Hab 'ne kleine Überraschung für euch! Wird 'ne tolle Stunde! Sind alle da? Schön, dann folgt mir!"
Einen quälenden Moment lang dachte ich, Hagrid würde uns in den Wald führen; dort hatte ich genug schreckliches erlebt, um für den Rest des Lebens die Nase voll zu haben.
Doch Hagrid ging um einen Ausläufer des Waldes herum und fünf Minuten später standen wir am Rand einer Art Pferdekoppel.
Sie war leer.
„Stellt euch dort drüben am Zaun auf!", rief er. „Sehr schön - passt auf, dass alle etwas sehen können - und jetzt schlagt erst mal eure Bücher auf -"
„Wie denn?", ertönte das kalte schnarren Draco's.
„Was denn?", fragte Hagrid.
„Wie sollen wir unsere Bücher öffnen?", fragte Draco.
Er nahm sein Monsterbuch der Monster heraus, das er mit einem langen Seil zugebunden hatte.
Auch wir anderen zogen unsere Bücher hervor; manche, wie ich, hatten es mit einem Gürtel zugeschnürt; andere hatten sie in enge Tasche gestopft oder sie mit großen Wäscheklammern gezähmt.
„Hat denn... hat denn kein Einziger sein Buch öffnen können?", fragte Hagrid ganz verdattert.
Wir alle schüttelten die Köpfe.
„Ihr müsst sie streicheln.", sagte Hagrid, als wäre es ganz selbstverständlich. „Seht mal -"
Er nahm Mine's Buch und riss das Zauberband herunter.
Das Buch versuchte zu beißen, doch Hagrid fuhr mit seinem riesigen Zeigefinger an seinem Rücken entlang und das Buch fing an zu zittern, klappte auf und blieb ruhig in seiner Hand liegen.
„Oh, wie dumm wir doch alle waren!", höhnte Draco. „Wir hätten sie streicheln sollen! Da hätten wir doch von allein draufkommen können!"
„Draco.", sagte ich leise und warnend.
„Ich - ich dachte, sie sind ganz lustige Dinger.", sagte Hagrid unsicher zu Mine.
„Oh - total lustig!", sagte Draco. „Unglaublich witzig und Bücher zu geben, die uns die Hände abreißen wollen!"
„Halt den Mund, Malfoy.", sagte Harry leise.
Hagrid wirkte bedrückt und ich glaube, Harry wollte auch, dass seine erste Stunde ein Erfolg würde.
„Na denn", sagte Hagrid, der den Faden verloren zu haben schien, „also - ihr habt jetzt eure Bücher - und - jetzt braucht ihr die magischen Tiere. Ja. Also geh ich sie mal holen. Wartet mal..."
Er ging in Richtung Wald davon und verschwand.
„Mein Gott, diese Schule geht noch vor die Hunde.", sagte Draco laut. „Dieser Hornochse gibt auch noch Unterricht, mein Vater kriegt 'nen Anfall, wenn ich ihm das erzähle."
„Halt den Mund, Malfoy.", sagte Harry noch einmal.
„Pass auf, Potter, hinter dir steht ein Dementor!"
„Uuuuuuh!", kreischte Lavender und deutete auf die andere Seite der Koppel.
Ein Dutzend der wunderlichsten Kreaturen, die ich je gesehen hatte, trotteten auf uns zu.
Sie hatten die Körper, Hinterbeine und Schwänze von Pferden, doch die Vorderbeine, Flügel und Köpfe waren die riesiger Adler mit grausamen, stahlfarbenen Schnäbeln und großen, leuchtend orangeroten Augen.
Die Krallen an ihren Vorderbeinen waren lang wie Hände und sahen todbringend aus.
Jedes der Biester hatte einen dicken Lederkragen um den Hals, an dem eine lange Kette befestigt war und alle Ketten liefen in den Pranken Hagrid's zusammen, der hinter den Wesen in die Koppel gelaufen kam.
„Uuiii, hoch da!", brüllte er mit den Ketten klirrend und trieb die Biester an die Stelle des Zauns, wo wir alle standen.
Wir wichen ein wenig zurück, als Hagrid näher kam und die Geschöpfe an den Zaun band.
„Hippogreife.", donnerte Hagrid glückselig und winkte uns zu. „Herrlich, nicht wahr?"
Ich sah durchaus, was Hagrid meinte.
Wenn man einmal den ersten Schreck angesichts einer Kreatur überwunden hatte, die halb Pferd, halb Vogel war, lernte man den Anblick der Hippogreife zu schätzen, deren schimmerndes Gefieder allmählich in Fell überging.
Sie waren alle von ganz unterschiedlicher Farbe: sturmgrau, bronze, rostrot, schimmernd Kastanienbraun und Tintenschwarz.
Hagrid rieb sich die Hände und strahlte zu uns in die Runde.
„So", sagte er, „wollt ihr nicht ein wenig näher kommen?"

Luna Black 3 - Harry PotterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt