L U N A
Keiner schien sich darum zu reißen.
Harry, Ron, Mine und ich jedoch näherten uns vorsichtig dem Zaun.
„Nun, als Erstes müsst ihr wissen, dass Hippogreife stolz sind.", sagte Hagrid. „Sind leicht beleidigt, diese Hippogreife. Beleidigt nie einen, denn das könnte eure letzte Tat gewesen sein."
Draco, Crabbe und Goyle hörten nicht zu; sie unterhielten sich gedämpft und ich hatte das unangenehme Gefühl, dass sie ausheckten, wie sie den Unterricht am besten stören konnten.
„Ihr müsst immer abwarten, bis der Hippogreif den ersten Schritt macht.", fuhr Hagrid fort. „Das ist höflich, versteht ihr? Ihr geht auf ihn zu und verbeugt euch und wartet. Wenn er sich auch verbeugt, dürft ihr ihn berühren. Wenn er's nicht tut, dann macht euch schleunigst davon, denn diese Krallen tun weh. Also, wer will als Erster?"
Die meisten wichen noch weiter zurück.
Auch Harry, Ron, Mine und mir war nicht wohl zumute.
Die Hippogreife warfen ihre grimmigen Köpfe in die Luft und spannten ihre mächtigen Flügel; offenbar konnten sie es nicht leiden, angezäunt zu sein.
„Keiner?", fragte Hagrid mit flehendem Blick.
„Ich mach's.", sagte Harry.
Hinter mir hörte ich ein lautes Aufatmen und Lavender und Parvati flüsterten: „Oooooh nein, Harry, denk an deine Teeblätter!"
Ich verdrehte die Augen.
Harry achtete nicht auf sie.
Er kletterte über den Zaun der Koppel.
„Mutiger Junge, Harry!", polterte Hagrid. „Gut, schauen wir mal, wie du mit Seidenschnabel zurechtkommst."
Er löste eine der Ketten, zog den grauen Hippogreif von seinen Artgenossen fort und befreite ihn von seinem Lederkragen.
Wir auf der anderen Seite des Zauns schienen den Atem anzuhalten.
Draco's Augen waren gehässig verengt.
„Ruhig jetzt, Harry.", sagte Hagrid leise. „Du blickst ihm in die Augen, und versuch jetzt, nicht zu blinzeln... Hippogreife trauen dir nicht, wenn du zu viel blinzelst..."
Seidenschnabel hatte seinen großen, scharf geschnittenen Kopf zur Seite geneigt und starrte Harry mit einem grimmigen orangefarbenen Auge an.
„Sehr gut, Harry.", sagte Hagrid. „Sehr gut, Harry... und jetzt verbeug dich..."
Harry tat wie ihm geheißen.
Er verneigte sich kurz und sah dann auf.
Der Hippogreif starrte ihn immer noch herablassend an.
Er rührte sich nicht.
„Ah.", sagte Hagrid beunruhigt. „Na gut, zieh dich zurück, Harry und ganz vorsichtig -"
Doch zu unserer gewaltigen Überraschung knickte der Hippogreif plötzlich seine geschuppten Vorderknie ein und neigte unmissverständlich den Kopf.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich eine Hand hielt.
Ich sah kurz hoch und sah in Draco's Gesicht.
Schnell löste ich meine Hand aus seiner und starrte mit roten Kopf weg.
Doch ich sah, wie Draco leicht schmunzelte.
„Gut gemacht, Harry!", sagte Hagrid ganz begeistert, „schön, du kannst ihn anfassen! Tätschel seinen Schnabel, nur zu!"
Harry ging langsam auf den Hippogreif zu und streckte die Hand nach ihm aus.
Er tätschelte ein wenig den Schnabel und der Hippogreif schloss entspannt die Augen, als würde es ihm gefallen.
Wir alle, außer Draco, Crabbe und Goyle, die äußerst missvergnügt wirkten, brachen in stürmischen Beifall aus.
„Jetzt weiter, Harry", sagte Hagrid, „ich schätze, er lässt dich reiten!"
Ich glaube, damit hatte Harry nicht gerechnet.
„Steig auf, gleich hinter den Flügelansatz", sagte Hagrid, „und pass auf, dass du keine Federn rausziehst, das mag er gar nicht..."
Harry setzte den Fuß auf den Flügel des Hippogreifs und schwang sich auf seinen Rücken.
Seidenschnabel erhob sich.
Harry schien nicht recht zu wissen, wo er sich festhalten sollte.
„Dann mal los!", polterte Hagrid und klatschte dem Hippogreif auf den Hintern.
Ohne Vorwarnung spannte das Geschöpf seine drei Meter langen Flügel zu beiden Seite von Harry aus; der hatte gerade noch Zeit, seine Arme um seinen Hals zu schlingen, dann schoss er in die Höhe.
Es waren bestimmt 10 Minuten bis Seidenschnabel wieder auf der Koppel mit Harry landete.
„Gut gemacht, Harry!", rief Hagrid und alle, außer Draco, Crabbe und Goyle, brachen in Jubel aus. „Gut, wer will als nächster?"
Ermutigt durch Harry's Erfolg kletterte auch der Rest von uns allen vorsichtig in die Koppel.
Hagrid löste die Hippogreife nacheinander von ihren Ketten und bald waren auf der ganzen Koppel wir Schüler verteilt, die sich nervös verbeugten.
Neville stolperte immer wieder rückwärts davon, denn sein Hippogreif wollte einfach nicht in die Knie gehen.
Ron und Mine übten unter den Augen von Harry mit einem kastanienbraunen Tier.
Ich unterhielt mich mit Hagrid.
Draco, Crabbe und Goyle hatten sich Seidenschnabel vorgenommen, wie ich sah.
Er hatte sich vor Draco verbeugt, der ihm jetzt mit verächtlichem Blick den Schnabel tätschelte.
„Das ist doch kinderleicht", schnarrte Draco so laut, dass ich es hören konnte, „hab ich doch gleich gewusst, wenn Potter es schafft... ich wette, du bist überhaupt nicht gefährlich, oder?", sagte er zu dem Hippogreif, „oder doch, du großes hässliches Scheusal?"
„Draco, nicht!", rief ich laut, doch zu spät.
Man sah nur ein stählernes Schnabelblitzen; von Draco kam ein durchdringender Schrei und schon waren Hagrid und ich zur Stelle.
Er zwängte den Lederkragen über den Hals von Seidenschnabel und ich kniete mich neben Draco, der zusammengerollt im Gras lag.
Blutflecken erschienen auf seinem Umhang und wurden langsam größer.
„Ich sterbe!", schrie Draco und Panik machte sich breit. „Ich sterbe, seht her! Es hat mich umgebracht!"
„Du stirbst nicht!", versicherte ich Draco.
Ich nahm meine Tasche und holte meine Ersatz Bluse raus, die ich immer zum Notfall dabei hatte.
Ich legte Draco's Arm frei und band meine Bluse um seine Verletzung.
„Hagrid, du musst Draco in den Krankenflügel bringen, sofort!", rief ich und stand auch langsam auf.
„Helft mir mal, ich muss ihn hier rausbringen -"
Mine lief zum Tor und öffnete es, während Hagrid Draco mühelos von der Erde hob.
Wir beide machten uns auf den Weg in den Krankenflügel.
„Geh, Hagrid und beruhige dich!", sprach ich, während Hagrid Draco auf ein Bett legte.
„Madame Pomfrey! Ich brauche Nadel, Faden, Desinfektionsmittel und einen Verband!", rief ich.
Madame Pomfrey kam herbeigeeilt und gab mir die Sachen.
Ich desinfizierte Draco's Wunde, machte sie sauber, nähte die Wunde zu und legte einen Verband um seinen Arm.
„Warum machst du auch solche Sachen?", fragte ich leise.
Draco sah mich an.
„Ich danke dir.", sagte er.
„Versuch zu schlafen. Ich komme morgen nochmal vorbei und sehe nach deinem Arm, aber nur wenn es okay ist, Madame Pomfrey?", sagte ich.
„Aber natürlich, Liebes.", lächelte sie.
„Bis dann, Draco.", verabschiedete ich mich.
„Bis dann, Luna.", murmelte er.
Ich verließ den Krankenflügel und machte mich auf den Weg zum Büro von Remus.
Ich klopfte nicht an, sondern stürmte direkt rein.
„Oh, tut mir leid, ich wusste nicht, dass du Besuch hast.", murmelte ich.
„Schon gut, Miss Black. Ich habe ihrem Onkel nur gesagt, dass ich für ihn Werwolf-Trank braue, damit er seinen Verstand behält, wenn er sich verwandelt.", erklärte mir Professor Snape.
„Ich danke Ihnen. Auf Wiedersehen.", murmelte ich und ging wieder.
Was für ein Tag.
Warum ist ein Tag immer so anstrengend?
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Luna Black 3 - Harry Potter
FanfictionLuna Black kehrt für ihr drittes Schuljahr nach Hogwarts zurück und freut sich auf neue Abenteuer. Doch diesmal steht die Zauberwelt vor einer Herausforderung - ihr Vater, aus Askaban entkommen, kehrt zurück. Während viele besorgt sind, glaubt Luna...