Kapitel 7 - Before

1.2K 25 0
                                    

Ich warf meinen Eastpak Rucksack über meine rechte Schulter.

„Bye, Mom!" Ich rief es in den Hausflur und stürzte fast die letzte Treppenstufe hinab. Bevor ich die Tür nach draußen öffnen konnte, fing sie mich links aus der Küchentür ab. Sie trocknete gerade das Geschirr.

„Ich dachte du wärst schon längst los." Sie sah mich verwundert an und blickte dann auf die Uhr. "Dein Bus kommt doch in ... er kommt jetzt!"Sie schüttelte ihren Kopf, genervt von meiner Unpünktlichkeit. Das passte meiner so perfekten Mom absolut nicht.

„Ich weiß, Mom", patzte ich zurück, „ich hab keine Zeit, bye."

Ich stürmte aus der Tür und lief Emily dabei fast um. Ihr langes, braunes Haar wirbelte herum.

„Hey, pass doch auf!" Sie sprang einen Schritt zurück.

„Was machst du hier?" Ich entschuldigte mich, in dem ich ihre Hand nahm und wir nun zusammen zur Bushaltestelle liefen. Die Schnürsenkel meiner Chucks waren noch offen und ich versuchte so große Schritte wie möglich zu machen, um nicht über sie zu stolpern. Es war unheimlich kalt, doch wir waren einfach zu cool um eine dicke Winterjacke anzuziehen. Die dünner Bench Jacke musste reichen und bereut haben wir das natürlich gar nicht.

„Ich versuche rechtzeitig zur Schule zu kommen." Sie hatte Mühe mir zu antworten, da sie, wie ich, nach Luft rang. Wir waren Beide absolut unsportlich. Emily wohnte direkt neben uns, direkt am Waldrand in einer Sackgasse. Wir waren seit der Grundschule beste Freundinnen und gingen auch jetzt in der Highschool noch in die selbe Klasse. Unser Schicksal - das Rudel - hat uns für immer zusammengeschweißt. Wir stritten und liebten uns, wie Geschwister. Obwohl ich zugeben muss, dass ich meine Schwester, Melissa, manchmal wirklich hasste. Mit Emily vertrug ich mich nach jedem Streit schnell, da wir uns einfach nie lange böse sein konnten.

„Shit!" Ich sah, wie der Bus vor uns weg fuhr. Emily winkte mit ihren Armen, doch der Busfahrer schien uns nicht zu sehen. „Die erste Stunde ist für uns wohl gestrichen." Ich stöhnte auf und rollte mit den Augen. Schon wieder müssten wir nachsitzen.

„Das ist mein zweites Mal diese Woche." Emily setzte sich auf die Bank an unserer Bushaltestelle.

„Das wundert mich nicht." Ich setzte mich neben sie und stichelte auf den Typen an, von dem sie neulich erzählte. „Vielleicht solltest du Abends mal das Handy rechtzeitig weglegen."Ich stichelte sie und legte meinen Kopf auf ihre Schulter.

„Bist du etwa neidisch, El?" Sie grinste mich frech an und schob sich einen Kopfhörer ihres MP3 Players ins Ohr.

„Hey, lass mich mithören." Sie reichte mir den anderen Kopfhörer ihres Kabels und wir lauschten der neuen Musik, die sicher ihr Bruder auf ihren Player gezogen hatte. Ganz sicher nicht legal.

„Soll ich meine Mom fragen, ob sie uns fährt?" Mich überkam ein schlechtes Gewissen. Ich wollte ungern schwänzen und hatte keine Lust wieder nachsitzen zu müssen. Vor allem graute es mir davor dies meinen Eltern zu gestehen.

„Spinnst du?" Emily sah mich genervt an. „Wir genießen jetzt die Ruhe. Außerdem wollte ich dir von ihm erzählen." Sie strahlte übers ganze Gesicht und nahm sogar ihren Kopfhörer wieder aus dem Ohr.

„Okay, ich bin bereit." Ich setzte mich auf und fragte mich, was sie nun für einen Jungen kennengelernt hatte. Momentan war sie ein bisschen besessen davon einen Typen kennenzulernen, der ihr gefiel. Sie war vor ein paar Monaten total verliebt und hätte alles für diesen Jungen getan. Doch dann flachte diese Leidenschaft schnell ab und sie suchte sich jemand anderes. Es schien wie eine Sucht zu sein. Sie wollte immer begehrt werden und frisch verliebt sein. Händchenhalten war ihr neues Hobby. Ein Glück blieb es bisher immer dabei.

„Er ist so heiß. Ich hab leider kein Foto auf meinem Handy aber ich zeige es dir die Tage auf meinem Laptop. Er hat es mir über MSN geschickt." Ihre Wangen glühten rot. „Er ist - halt dich fest - 25!" Emily kicherte und mein Mund formte ein großes O.

„Emily!" Ich stand kurz auf. „Bist du verrückt? Er ist 10 Jahre älter als du. Er ist... erwachsen!" Ich verzog mein Gesicht, als würde ich mich vor etwas ekeln. Ein 25-jähriger würde sich definitiv nicht mit Händchenhalten zufrieden geben.

„Hey du Spielverderberin, setz dich wieder." Sie zog mich wieder zu sich und war nicht begeistert, dass ich so negativ schockiert war. „Lass mich erstmal erzählen, bevor du nun ein auf besorgte Mutter tust. Wir haben uns vor einer Woche im Skatepark gesehen. Eigentlich war ich dort mit Errin verabredet, doch er tauchte nicht auf. Da sprach er mich an und fragte mich nach meinem MSN Account. Seit dem Schreiben wir." Sie war nicht neben mir, sie war auf Wolke 7. Noch nie hatten sich ältere Jungs, Männer, für uns interessiert. „Wir wollen uns am Wochenende im Prisoner's treffen."

„In der Disco in Portland?" Ich runzelte die Stirn. „Wie willst du denn da reinkommen?"

„Wir treffen uns vorher dort und er kennt die Türsteher. Komm bitte mit El." Sie umfasste mein Gesicht und hüpfte auf ihrem Sitz hin und her. „Bitte!" Sie bettelte mich regelrecht an.

„Na gut." Ich musste lachen und dachte nicht weiter über diese absurde Idee nach, sie war schließlich meine beste Freundin und wusste, was Spaß machen würde. Ich konnte meine Neugierde nicht zurückhalten. „Willst du etwa immer noch...?"

„Ja. Mit ihm!" Sie klang absolut sicher. „Mit ihm werde ich vor der Hitze schlafen, Ellanie. Er ist erfahren, er kann mir zeigen, was auf mich zukommt." Sie schien stolz auf ihr Vorhaben zu sein. Eine Entjungferung vor der Hitze. Ich machte mir keinerlei Gedanken darüber. Ich hatte noch nicht mal meine Blutung, geschweige denn Brüste. Welcher Mann würde mich selbst so in einem Jahr wollen? Und wollte ich das überhaupt? Wenn ich meine Eltern hörte... es lief mir eiskalt den Rücken hinunter. Eklig! „Ich habe die Paarungszeit noch nicht erlebt, Ella, aber schon jetzt spüre ich diese Hitze in mir. Wenn er mir schreibt, kann ich mich nicht mehr konzentrieren. Ich bin so aufgeregt, dass ich kein Auge mehr zubekomme."

Ich riss meine Augen auf. Mein Nacken war nass und meine Haare klebten durch den Schweiß an meinem Körper.

Es war nur ein Traum. Ganz ruhig, Ella.

Es war aber nicht nur ein Traum. Es war passiert. Genau so. Ich setzte mich auf. Es war kurz nach 3 Uhr. Mein Bett fühlte sich nicht mehr vertraut an. Es war kalt und die Erinnerung, die der Traum mit sich brachte, schnürte mir die Kehle zu. Langsam lehnte ich mich wieder zurück. Das was Emily dort damals an der Bushaltestelle fühlte, das gab es wirklich, da war ich mir sicher. Sie hatte sofort vollstes, bedingungsloses Vertrauen in einen Menschen, den sie überhaupt nicht kannte. Es war ein 100%-iger Vertrauensvorsprung, den sie durch ihre Verliebtheit einem fremden Mann schenken konnte. Wieso sollte sie ihm auch weniger vertrauen? Schließlich wurde sie vorher nie von einem anderen Jungen enttäuscht. Wieso hat er es so ausgenutzt? 

Mein Millennium WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt