POV Annalena
Wieder sind einige Wochen vergangen. Das Gespräch mit Elli lässt mich einfach nicht in Ruhe. Ihre Narbe am Unterarm ist mir schon bei unserem ersten Treffen aufgefallen, sie ist ja auch nicht zu übersehen. Eigentlich wirkt Elli immer sehr selbstbewusst, manchmal fast ein bisschen emotionslos, oder sie zeigt ihre Gefühle einfach nicht gern. Aber als ich sie auf ihre Narbe ansprach, hat sich ihr Gesicht so schlagartig verzogen, dass mir die Frage schon Leid tat, in dem Moment als ich sie aussprach. Ihre Augen wirkten leer und all die Fröhlichkeit, die ihr Gesicht zuvor ausstrahlte, war verblasst. Diese Geschichte hinter der Narbe muss ihr so unendlich viel Schmerz zugeführt habe, nicht nur körperlich. So sehr ich auch neugierig bin, was dahintersteckt, nehme ich mir vor, das Thema nicht noch einmal anzusprechen. Es scheint ein sehr sensibles für sie zu sein und ich bin sicherlich keine Person, der sie ihre Sorgen und Gefühle anvertrauen möchte. Auch wenn ich es gerne wäre.
Es ist Wochenende. Heute Abend bin ich mit meinem Mann und ein paar Freunden verabredet. Wir gehen zum Schützenfest, das bei uns um die Ecke stattfindet. Ich freue mich, endlich mal wieder mit Freunden rauszugehen, zu tanzen und endlich mal wieder das Leben zu genießen. Frei vom Stress, frei von der Arbeit und ausnahmsweise auch mal frei von unseren Kindern. Die sind bei meinen Eltern und werden dort auch die Nacht verbringen. Die erste Nacht, die Daniel und ich allein verbringen, seit einer sehr langen Zeit.
"Annalena? Bist du fertig?" Es klopft an der Badezimmer Tür. Ich bin gerade dabei, meinen vom Duschen nassen Körper zu trocknen, als sich langsam die Tür öffnet und mein Mann seinen Kopf durch diese schiebt. "Kannst du dich bitte etwas beeilen? Ich würde auch gerne duschen." sagt er, während er den vom Dampf erhitzten Raum betritt. Völlig entblößt stehe ich von ihm doch er sieht mich nicht an. Das tut er schon lange nicht mehr. Vielleicht möchte er nicht aufdringlich sein und denkt, es würde mich stören, wenn er meinen nackten Körper so auffällig betrachten würde. Also gebe ich ihm einen kleinen Tipp. Ich blicke zu ihm auf, gehe, immer noch splitternackt, auf ihn zu und flüstere ihm leise in sein Ohr: "Wir könnten auch zusammen duschen gehen." Verwirrt sieht er mir in die Augen. "Du hast doch gerade geduscht. Außerdem sind wir eh schon spät dran." Autsch! Das hat gesessen. Ich weiß, dass er es nicht böse meint, aber dennoch tut es unheimlich weh, ständig so von ihm abgewiesen zu werden. Seit Monaten hatten wir keinen Sex mehr, es fasst mich nicht mehr an, ich habe das Gefühl er sieht mich gar nicht mehr. Immer wieder frage ich mich, ob er mich überhaupt noch attraktiv und begehrenswert findet. Ich versuche diesen Gedanken schnell beiseite zu schieben, wie immer, und lasse ihn, ohne noch ein Wort zu sagen, im Bad zurück.
Nachdem ich etwas zum Anziehen gefunden habe und auch Daniel fertig ist, machen wir uns auf den Weg, um unsere Freunde zu treffen. Über die Situation im Bad reden wir nicht mehr.
Angekommen beim Schützenfest, finden wir unsere Freunde nach kurzem Suchen bereits am ersten Getränkestand. Schnell wird uns beiden das erste Bier in die Hand gedrückt und die Stimmung ist ausgelassen. Der Abend verläuft super. Wir schleppen uns von einer Bude zur nächsten, trinken Bier und haben Spaß. Nachdem wir alle ausreichend angeheitert sind, machen wir uns auf den Weg zum Partyzelt. Dort angekommen werde ich von meiner Freundin sofort auf die Tanzfläche gezogen. Ich kann nicht sonderlich gut tanzen aber trotzdem habe ich immer viel Spaß dabei. Die Tanzfläche ist voll, alle sind wild am Tanzen, die Musik ist gut. Ich sehe mich etwas um, als ich Elli in etwas Entfernung entdecken kann. Ich bin überrascht, sie hier zu sehen. Sie sieht ganz anders aus als auf der Arbeit. Sie trägt dicke, schwarze Stiefel, eine enganliegende, zerrissene Jeans mit einer karierten Hemdjacke und einer auffälligen orangen Beanie. Ihre Hüften schwingen im Takt der Musik und das Bier in ihrer Hand verliert immer wieder ein paar Tropfen wenn sich ihr Arm zu sehr bewegt. Sie kann wirklich unheimlich gut tanzen und sie sieht echt heiß dabei aus. Gleich laufe ich etwas rot an und hoffe, dass sie mich und meine nicht vorhandenen Tanzkünste nicht sieht. Ich drehe mich etwas, damit ich sie besser sehen kann. Sie scheint mit ihren Freunden hier zu sein. Immer wieder wird sie von ein paar Leuten angetanzt und sie scheint sichtlich Spaß zu haben. Sie sieht gut aus, wenn auch etwas betrunken. Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen als ich sehe, wie sie ihr halbes Bier auf der Tanzfläche verschüttet, weil sie zu ausgelassen tanzt. Dann fällt mir eine Frau auf, die auf einmal ziemlich nah auf Elli zugeht. Sie nimmt ihr das Bier aus der Hand und gibt es einem ihrer Freunde. Dann dreht sie sich um und presst ihren Hintern schwungvoll an Elli während beide im Tank tanzen. Sie scheinen sehr vertraut miteinander zu sein. Immer wieder tanzen sie eng umschlungen, reiben ihre Körper aneinander und haben sichtlich Freude daran, dass alle Blicke nur auf sie gerichtet sind. Ich erkenne Elli kaum wieder und ich kann meinen Blick einfach nicht von ihr abwenden. Das scheint auch meine Freundin zu merken. "Wen beobachtest du denn da?" schreit sie mir entgegen, um gegen die laute Musik anzukommen. "Siehst du die da hinten mit der orangen Mütze? Das ist meine Praktikantin" rufe ich, während ich in Ellis Richtung zeige. "Die, die da mit der anderen Frau tanzt? Ist das ihre Freundin?" Ich weiß es nicht, ist sie das? Ich hatte sie nie nach ihrem Beziehungsstatus gefragt und auch nicht nach ihrer Sexualität. "Keine Ahnung." antworte ich. "Naja, aber da scheint ja auf jeden Fall was zu laufen" lacht meine Freundin. Dieser Gedanke löst in mir fast eine Art Eifersucht aus, auch wenn ich nicht ganz verstehe, warum. Vielleicht sehne ich mich einfach so sehr nach körperlicher Nähe, dass es mich einfach etwas neidisch macht, dass sie so viel Spaß mit einer Frau zu haben scheint. Noch immer ist mein Blick auf Elli und die andere Frau gerichtet. Die beiden kommen sich immer näher, tanzen dicht an dicht und ihre Hände sind überall. Dann küssen sie sich, wild, mitten auf der Tanzfläche, und meine Eifersucht steigt. Ich sehe nur noch, wie die beiden die Tanzfläche verlassen.