VIII

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Elli's POV

Ein paar Wochen sind vergangen und mittlerweile sind Annalena und ich zu einem richtigen Team zusammengewachsen. Sie hat mir sogar das "du" angeboten und so langsam habe ich das Gefühl, endlich in meinem Job angekommen zu sein. Mit Annalena und den anderen Kolleg*innen verstehe ich mich super und sie sind für mich wirklich zu guten Freunden geworden. Auch privat sehen wir uns regelmäßig und verbringen den ein oder anderen Abend zusammen. Heute ist so ein Abend. Nach der Arbeit verabreden wir uns bei einem Italiener um die Ecke. Nachdem ich die letzte Mail verschickt habe, klopfe ich leise an Annas Tür um zu sehen, ob sie auch so weit fertig war für heute und ob wir uns auf den Weg zum Essen machen konnten. Langsam öffne ich die Tür zu ihrem Büro und da sitzt sie. Sie trägt eine weiße, etwas durchsichtige Bluse durch die geradeso ihr weißer Bh zu erkennen ist, dazu eine enge schwarze Jeans und schwarze Stilettos. Sie sieht wie immer atemberaubend aus und ich ertappe mich dabei, wie ich ihr etwas zu lange in den Ausschnitt starre. Sie scheint mich allerdings nicht zu bemerken bis ich mich leise zu Wort melde: "Hey, wie weit bist du? Können wir los?" Sie blickt auf zu mir und schenkt mir ein zartes Lächeln. "Ja, sofort. Ich muss nur noch kurz das hier zu Ende schreiben, einen Moment." Ich sehe ihr dabei zu, wie sie ein paar letzte Worte auf ein Blatt Papier kritzelt. Ich kann nicht ganz erkennen, was es ist, aber sie scheint sehr konzentriert zu sein, denn ihre Zunge wandert immer wieder auf ihren wunderschönen Lippen hin und her.

Sie sieht wirklich süß aus, wenn sie so konzentriert ist, denke ich. Solche Gedanken verfolgen mich seit Wochen, ich kann sie nicht ganz einordnen, aber diese Frau schüchtert mich immer noch ein mit ihrem unheimlich straken und selbstbewussten Auftreten und auf der anderen Seite fühle ich mich genau deswegen so zu ihr hingezogen. Ich weiß, dass das falsch ist, weil sie meine Chefin ist und noch dazu verheiratet, aber es ist eh nur eine Fantasie, die nie Realität werden wird und deshalb erlaube ich mir manchmal den ein oder anderen falschen Gedanken um nicht in einem Chaos aus unterdrückten Gefühlen zu enden.

Sie legt den Stift zur Seite und grinst mich an, was mich abrupt aus meinen Gedanken reißt. "Okay, ich wär dann soweit." Dann streift sie sich auch schon ihren Mantel über ihre Arme und wir machen uns auf den Weg zum Italiener.

Dort angekommen sind die meisten der Kolleg*innen schon da und sie erwarten uns bereits. Schnell entscheiden wir uns also für unser Getränk und unser Essen, um die anderen nicht noch länger warten zu lassen. Die Stimmung ist gut und es werden ausgelassene Gespräche geführt. Es sitzen insgesamt 10 Leute an unserem Tisch und eigentlich sind alle sehr nett, bis auf Jürgen. Er ist noch nicht lange bei uns und irgendwie passt er auch nicht wirklich hier rein. In politischen Diskussionen vertritt er oft komische Ansichten, die nicht mit den Standpunkten unserer Partei übereinstimmen und er ist, wenn er getrunken hat, auch ziemlich aufdringlich gegenüber Frauen, was bei uns absolut nicht vertretbar ist. Dennoch hat sich bis jetzt noch niemand getraut, ihn wirklich darauf anzusprechen und irgendwie versuchen alle, ihm einfach aus dem Weg zu gehen.

Im Laufe des abends fließt auch Alkohol und man merkt, dass die Gespräche andere Richtung einschlagen. Die Themen werden privater, die Diskussionen werden hitziger und die Argumente ehrlicher. Die Stimmung ist ausgelassen und alle haben sichtlich Spaß. Jürgen allerdings, scheint schon das ein oder andere Bier zu viel gehabt zu haben, denn er fängt an, die Frauen in der Runde hemmungslos anzubaggern. Natürlich lässt sich keine der Frauen darauf ein, dennoch sorgt es für eine unangenehme Stimmung am Tisch. Wenn er merkt, dass er bei einer nicht landen kann, versucht er es bei der nächsten. Doch es bleibt nicht bei geschmacklosen Sprüchen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er sich mit jedem weiteren Bier von einem Platz zum nächsten begibt. Dann setzt er sich neben Anna und ich beobachte das Geschehen von meinem Platz aus. Annalena scheint die Situation sichtlich unangenehm zu sein. Immer wieder dreht sie sich von ihm weg, versucht das Gespräch zu beenden, immer wieder bedrängt er sie, tätschelt ihr den Arm oder das Knie.

Es reicht, das guck ich mir nicht länger mit an. Schnellen Schrittes gehe ich zu ihnen rüber. "Hey, Annalena. Wollen wir mal etwas frische Luft schnappen draußen?" "Klar!" Erleichtert sieht sie mich an und flüstert mir ein leises "Danke" zu. Schnell ziehe ich sie vom Stuhl und wir begeben uns mit unseren Jacken auf direktem Weg nach draußen. Dort angekommen atmet sie laut aus. "Danke, ich wusste echt nicht, was ich machen soll, der Typ geht echt gar nicht. Der versteht das auch nicht, wenn man ihn abweist, oder es ist ihm einfach egal. Ich verstehe echt nicht, was der bei uns will. Der passt gar nicht zu uns." "Ja mir ist das auch schon aufgefallen, aber es sagt auch niemand was." entgegne ich ihr. Wir lassen uns noch etwas über Jürgen aus, bevor wir uns wieder hinein wagen. "Ich geh noch schnell zur Toilette, bin gleich wieder da." ruft sie mir zu, bevor sie in dem schmalen Gang hinter der Bar verschwindet. Ich setze mich wieder zu den anderen an den Tisch und klinke mich wieder in die Gespräche ein.

Ein paar Minuten vergingen, doch Annalena war immernoch nicht wieder von der Toilette zurück. Ich machte mir keine Gedanken, Frauen brauchen eben manchmal länger auf der Toilette. Aber nun waren schon zehn Minuten vergangen und langsam begann ich mir Sorgen zu machen. Dann sah ich mich um. "Wo ist denn Jürgen eigentlich hin?" "Ach der wollte zur Toilette, keine Ahnung wo der ist, vielleicht ist er gegangen, da würde ich mich nicht beschweren", lacht Claudia. Doch mir ist plötzlich gar nicht mehr zum Lachen zu Mute. Auf ein Mal läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Ich springe von meinem Stuhl auf und renne zu den Toiletten.

We don't fit.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt