Kapitel 2

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Die ganze Nacht lag ich da. Ich dachte nach. Über meine Zukunft. Über meine Vergangenheit. Hab ich überhaupt eine Zukunft? Wär ich zufrieden mit meinen Taten wenn ich jetzt sterben würde? Ist mein Iman groß genug damit Allah mich liebt? Geht's Mama gut? Was macht sie wohl gerade? So viele Fragen, so viele Fragen und die Antwort hat nur einer. Nur einer kann mir die ganzen Antworten beantworten. Allah. 

Als ich merke das meine Augen schwer werden rezitiere ich schnell die Glaubensbekenntnis. Ash hadu ana laillaha ilallah. Wa ash hadu ana mohamadin rassulallah.

Um 05:30 klingelt mein Wecker um Fajr zu beten. Ich verrichte die Gebetswaschung und gehe Amin als erstes wecken. Ich geh in sein Zimmer und sehe erstaunlicher Weise dass er schon wach ist. "Du musst mich nicht immer zum Fajr Gebet aufwecken ich schaff das schon allein meine Kleine." Ich lächele ihn warm an. "Sba7 l kheir Amin" (Guten Morgen) sag ich lächelnd und verlasse sein Zimmer. Als nächstes gehe ich in Islams Zimmer und sehe dass er noch schläft. Ich rüttele an ihn. "Islam steh auf." flüstere ich. "Khoya komm schon steh auf Allah wartet." Abrupt steht er auf. Wie schnell sich seine Laune ändert bei dem Namen Allahs. Bei dem Gedanken muss ich lächeln. Er küsst mich auf den Kopf. "Meine Assila weckt mich jetzt schon fürs Gebet." sagte er lächelnd. "Wenn nicht ich wer sonst Islam?" sag ich belustigt. Er verdreht seine Augen und ich gehe schmunzelnd aus seinem Zimmer raus.

Nachdem ich gebetet habe, bin ich ins Bad und habe meine Zähne geputzt. Ich versuche grade irgendwie meine Haare so aussehen zu lassen als hätte ich nicht irgendein Stromschlack gehabt. Ich klatsche mir einfach Tonnenweise Schaumfestiger in die Haare und Voila. Sie sehen schön aus. Ich liebe meine Haare. Weil ich sie von ihr habe. Von Mama. Ich muss lächeln wenn ich daran denke wie sie sich immer über meine Knoten beschwert hat obwohl ich sie ja von ihr geerbt habe. Jedes mal wenn sie meine Haare kämmte rief sie einer meiner Brüder und sagte ihnen er solle ihr eine Schere holen. Jedes mal fing ich an zu weinen und jedes mal tat sie es nicht. Sie tat das nur um mir Angst zu machen damit ich meine Haare kämme. Sie hat nie verstanden dass es hässlich aussieht lockige Haare durchzukämmen weil sie dann aussehen wie Stroh. Sie selber kämmte ihre Haare aber nie, weshalb ich nie verstand warum sie dann wollte das ich meine Haare kämme. Naja jetzt kann ich sie nicht mehr fragen. Und dieser Gedanke hat mir gereicht dass ich jetzt wieder in meinem schwarzen Loch bin.

Ich zog ein graues Nike Tech Fleece Anzug an und schminke mich leicht damit ich nicht mehr aussehe wie eine Leiche. Ich lauf die Treppen runter und ziehe meine Schuhe an. Ich verabschiede mich von Baba und meinen Brüdern und laufe zur Bushaltestelle. Ich steck mir die Kopfhörer in die Ohren und höre mir "dein Hochzeitstag 2" von Magnis an. Seine Lieder sind meine Medizin. Ich frag mich nur was heute mit ihm ist? Er ist einfach untergetaucht. 

Mittlerweile haben wir schon wieder 13:00 Uhr und haben Mittagspause. Ich setze mich wieder an den Tisch wie gestern und hole mir direkt meine Kopfhörer raus damit keiner auf die Idee kommt mit mir zu reden. 

Als ich mich wieder umschaue erkenn ich wieder diese Pechschwarzen Augen von Gestern. Ich bewundere diese Augen so sehr. Ma sha allah. Ich will grade ein nächstes Lied anmachen als ich merke das jemand sich zu mir setzt. Ich seufze und schaue nach oben. Es ist ein Mädchen. Sie sieht perfekt aus. Glatte glänzende Haare. Meeresblaue Augen. "Hi ich heiße Leyla und du? Scheiße Smalltalk. Ich hasse Smalltalk. "Assila." gebe ich lächelnd von mir weil ich nicht unhöflich klingeln möchte. "Ich hab dich gestern schon gesehen. Wieso bist du denn immer so allein?" Gute Frage Leyla. "Keine Ahnung, hab's nicht so Menschen schätze ich." gebe ich ahnungslos von mir. Ich hab wirklich keine Ahnung wieso ich immer allein bin, wahrscheinlich mag ich's einfach mehr alleine.

"Achso okay." antwortet sie ahnungslos. "Du bist so wunderschön." sagt sie aus dem nix. Das kam jetzt plötzlich, sehr plötzlich. Ich freue mich grade so sehr. Noch nie gab mir jemand ein Kompliment außer mein Vater und meine zwei Brüder. Und meine Mutter natürlich. "Du bist auch so wunderschön, Ma sha allah." gebe ich lächelnd von mir. Ich mag sie. Sie lächelt mich warm an. "Themawechsel bevor ich vor Scham noch umkippe." sagt sie lächelnd. Ich lächele auch. "Woher kommst du Assila? Dein Name klingt Arabisch." Ich komme aus Marokko und du?" "Echt ich auch, woher kommst du?" Eine Marokkanerin mit blauen Augen? Sehe ich zum ersten mal. "Aus Taza kennen nicht viele Leute, ist in der nähe von Fes." "Echt jetzt? krass natürlich kenne ich Taza, zwar klein aber sehr schön. Komme aus Fes weshalb ich oft in Taza bin, haben dort ein Paar Verwandte." Echt? das einer mal Taza kennen würde, hätte ich echt nicht gedacht. Naja.

Es stellte sich heraus das Leyla eine sehr nette Person ist, die es liebt zu reden. Sie ist aufgedreht und sehr lustig. Genau das Gegenteil von mir, trotzdem mag ich sie sehr. Diesen mysteriösen Typen hab ich nach der Mittagspause nicht mehr gesehen. Wir haben Schulschluss weshalb ich grade zur Bushaltestelle laufe. Der Bus hat mal wieder Verspätung, weshalb ich meine Kopfhörer raushole.  Ich merke dass sich jemand neben mich stellt, weshalb ich kurz nach oben schaue. Ich bereue es direkt nach oben geschaut zu haben als sich die Pechschwarzen Augen auf meine treffen. 

Ich gucke direkt wieder weg, und verfluche mich dafür nach oben geguckt zu  haben. Zum Glück kam der Bus zwei Minuten später. Ich setze mich ganz nach hinten in der Hoffnung so weit  wie möglich von ihm zu sitzen. Vergeblich. Er folgt mir nach hinten. Scheiße scheiße scheiße. Ich höre einfach meine Musik und tue so als wäre er nicht da. Leyla schreibt mir auch zum perfekten Zeitpunkt sodass ich mit meinem Handy beschäftigt bin und ihn ausblenden kann. "Morgen nach der Schule bei mir?" schreibt mir Assila. Bitte nicht. Ich mags nicht bei anderen Zuhause, ich fühl mich da nie Willkommen. Wahrscheinlich wegen meiner damaligen "Freunde". Aber ich möchte Leyla nicht verletzen weshalb ich mit "Ja klar wieso nicht." antworte. Seufzend pack ich mein Handy in meine Jackentasche und genieße das Lied "Verbotene Liebe" von Magnis.

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"Allah gibt jedem Menschen dass was er verdient, anscheinend warst du nicht für mich du warst nicht mein Nasib"

-Magnis

Pechschwarze AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt