Kapitel 8

57 3 3
                                        

Wir haben mittlerweile schon 10:23 Uhr, und Islam scheint nicht Zuhause zu sein, da ich seine schweren Schritte nicht einmal heute morgen gehört habe. Wie gedacht, ging ich heute nicht in die Schule. Wie auch? Ich war erst um die 04:00 Uhr Zuhause. Als ich in den Spiegel schaue schrecke ich auf. Dick geschwollene Augen, tiefe dunkle Augenringe und verwüste Haare die in jede Richtung stehen.

Nach einer langen heißen Dusche, fühlte ich mich schon viel besser, und konnte in den Tag starten. Ich cremte mich noch ein, und entschloss heute mal meine Haare in Ruhe zulassen und sie nicht mit tausend Produkten vollzupumpen. Ich muss echt wieder mein Zimmer aufräumen, denn für meine Verhältnisse ist es schon ziemlich Messie hier drinnen. Da ich sowieso nie frühstücke fang ich direkt mit dem aufräumen an und lasse meine Playlist laufen. Als das Lied J'oublie Tout von Jul aus meinen Boxen dröhnt fang ich direkt an zu grinsen. Dieses Lied gehörte früher zu einer meiner Lieblingslieder, und ist es bis heute noch. 

Ich singe viel mehr mit, als aufzuräumen. Jedoch als das Lied "Stuck on You" von Giveon aus den Boxen dröhnte konnte ich mich nicht zurück halten und schrie meine Seele raus. Ich liebe seine Liede so sehr, und sie bringen mich meistens zum nachdenken. Jedoch will ich nicht mehr denken. Denken tut mir nicht mehr gut, ich denke zu viel nach. Früher oder später werde ich über heute Nacht nachdenken müssen, jedoch versuche ich es so gut es geht hinauszuzögern da ich keine Kraft mehr habe um nachzudenken.

Als ich fertig war, damit mein Zimmer aufzuräumen fing ich aus Langeweile an die ganze Wohnung aufzuräumen, zu staubsaugen und zu wischen. Selbst das Treppenhaus fing ich an zu wischen. Als ich dass nächste mal auf mein Handy schaute, sehe ich dass ich drei verpasste Anrufe von Baba, vier von Islam und sechs von Amin. Upsi. Hab ich was verpasst? Als erstes rufe ich Amin zurück, weil er mich am öftesten angerufen hat.

Direkt nach dem erstem piepen ging er ran. "WO BIST DU?!" brüllt er ins Mikro. "Junge schrei nicht so meine Ohren!!!" schimpfe ich mit ihm. Junge was hat der Typ für eine Lautstärke. "Wo. Bist. Du?" wiederholt er seine Frage ungeduldig. "Hä Zuhause wo sonst!" er seufzt laut auf. "Wieso  sagst du mir nix? Ich warte seit einer Stunde vor der Schule auf dich." Oh Upsi. "Huch. Egal. Amin wenn du sowieso schon neben meiner Schule bist, gegenüber von meiner Schule ist ein Lidl könnt-. Weiter bin ich nicht gekommen, weil er einfach aufgelegt hat. Er hat einfach aufgelegt. Das lasse ich mir auf jeden fall nicht gefallen. Auf Whatsapp schreibe ich ihm eine ganze Liste an Zutaten die er mir besorgen soll, und schicke ihm dazu noch ein Mittelfinger.

Ich hab Angst davor Islam zurückzurufen weil ich Angst habe was er mir sagen wird. Egal jetzt. Ich rufe einfach als erstes Baba an. Er ging auch direkt ran. "Salam Aleykum Assila." begrüßt er mich auf Arabisch. "Wa Aleykumu Salam Baba." begrüße ich ihn zurück. "Bist du schon Zuhause" "Ja ich war heute gar nicht in der Schule." antworte ich ihm. "Wieso warst du nicht in der Schule?" fragt er mich etwas überrascht. "Ich war zu müde." antworte ich Wahrheitsgemäß. "Okay aber morgen gehst du wieder in die Schule. Ich wollte dir nur sagen dass du aufräumen sollst. Wir bekommen später Besuch." "Okay mache ich." "Okay tschüss ich muss jetzt weiterarbeiten." und schon legte er auf. Wir bekommen Besuch. Ich hasse Besuch. Haben die kein eigenes Zuhause? Zum Glück hab ich schon aufgeräumt, weil wenn mir jemand sagt dass ich aufräumen soll hab ich keine Lust mehr drauf.

Ich hab mir grade eine Peel Of Maske aufgetragen, als es an der Tür klingelt. Ich hab nur ein Top und ein Short an, und müsste mich eigentlich umziehen aber die Person drückt ohne Pause auf die Klingel was mich langsam zur Weißglut bringt. "MEIN GOTT ICH KOMME JA SCHON!" schreie ich laut. Ich reiße die Tür auf, und sehe einen genervten Amin mit drei vollen Lidl Tüten an. Ich quietsche glücklich weil er mir wirklich alles geholt hat was ich benötige. Ich nehme ihm eine Tüte ab und stelle sie in der Küche ab. Amin folgt mir mit den zwei restlichen Tüten. Als ich ihm diese auch abnehmen will, zieht er die Tüten weg und schaut mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Ich schaue ihn fragend an. "Ist was?" "Was hast du da an?" Ich zucke mit den Schultern und nehme ihm die Tüten ab. "Ich habe dich was gefragt." ich gucke ihn an und verdrehe meine Augen, weil ich weiß wie sauer ihn dass macht. "Verdreh deine Augen nicht." sagt er streng. Ich ignoriere ihn einfach weiter, und räume die Sachen ein.  Junge junge hat der viel eingekauft.  "Assila ich rede mit dir." ich seufze und gucke ihn an. "Amin du siehst doch was ich anhabe. Reicht jetzt ich hab heute so gute Laune, verdirb sie mir bitte nicht." er analysiert mein Gesicht, wie er es immer tut wenn er nachdenkt.  "Du ziehst dich um bevor Besuch da ist." wallah? ich dachte ich lasse das jetzt an. "Schade." sage ich sarkastisch worauf er mich warnend anguckt und dann aus der Küche verschwindet.

Ich habe jetzt alle Zutaten um Sarma zu machen. Ach ich freue mich auf Sarma. Während des kochen's höre ich immer Musik, weswegen ich mein Handy raushole und Fast Life von Azet anmache. "WAS KRASS RAPPER SIND AUF TWITTER UNTERWEGS, DENN SIE WISSEN WIR SCHICKEN SIE ZUM KIEFERORTHOPÄDEN!" schreie ich schon mit. Ich liebe dieses Lied.  Ich fange an rumzuspringen und singe die ganze Zeit mit. Ich hör Amin aus dem anderen Zimmer mitsingen. Dieses Lied bleibt für immer unser Lied. Wir haben's früher jeden Tag gehört. Tag und Nacht. Mama konnte dieses Lied nicht mehr hören. Sie hasste es dass wir solche Lieder hörten, jedoch taten wir es trotzdem. Ein halbes Jahr bevor Mama gestorben ist, also ungefähr ein Jahr her, da mussten ich Islam und Amin die ganze Wohnung aufräumen als Strafe weil wir die Küche fast verbrannt hatten. Hauptsächlich war es Amin's Schuld. Aufjedenfall mussten wir dann die ganze Wohnung aufräumen. Wir alle waren im Wohnzimmer und haben dann einfach Fast Life angemacht. Eigentlich sollten wir ja aufräumen, jedoch wurde es dann doch zum Konzert. Wir haben die ganze Zeit mit geschrien, und somit die Aufmerksamkeit von Mama und Baba bekommen. Sie kamen ins Zimmer und schauten uns zu, sie filmten und lachten. 

Ich war so in Gedanken dass ich nicht mal gemerkt habe dass Amin wieder in der Küche ist. Er schaut mich an, und ich ihn. Stille. Wir beide wissen was in unseren Köpfen vorgeht. Das Lied im Hintergrund läuft auf Dauerschleife, während wir uns anlächeln. Wir sind zu müde um jetzt noch zu weinen, oder zu reden. Diese Stille sagt mehr als tausend Wörter.

Mittlerweile sind die Sarmas fertig. Ich habe noch Zucchinisuppe dazu gemacht. Die Küche ist aufgeräumt und Baba ist auch schon wieder Zuhause. Ich zieh mir grade was gescheites an, und style meine Haare. Ich habe mich dazu entschieden die Obere Partei meiner Haare zu einem Zopf zu binden und die unteren Haare offen zu lassen. Ich schminke mich so dezent es geht und sprühe mich noch mit irgendeinem Parfüm ein. Ich hab mir eine Jelaba (Marokkanisches Kleid) angezogen, weil ich einfach nix anderes zum anziehen gefunden habe.

Es ist jetzt 17:00 Uhr und alles steht bereit. Ich muss jetzt nur noch Aya von ihrer Freundin abholen und sie Zuhause fertig machen. Ich ziehe meine Schuhe an und will grade raus als baba mich ruft. "Assila warte." schreit er durch die Wohnung. Er kommt in schnellen Schritten zu mir und umarmt mich. "Danke dass du gekocht und aufgeräumt hast benti." er umarmt mich ungelogen zwei Minuten durch, und küsst mein Haaransatz. Er will mir 50€ in die Hand drücken weswegen ich erschrocken keuche. „Baba bist du verrückt?" niemals nehme ich das Geld an. „Assila bitte nimm es an. Für mich. Hol dir etwas schönes damit." seine Augen flehen mich schon an. Ich küsse ihm seine Hand, was er eigentlich ganz und garnicht mag und nehme das Geld an. Ich werde das Geld spenden, da ich eh nix damit anfangen kann.

Ich bin schon auf dem Rückweg mit Aya. Sie erzählt mir grade mit großen Augen was sie heute alles mit ihrer Freundin gemacht hat. „Ich habe sogar drei Pizzastücke gegessen!" erzählt sie mir voller stolz. „Bravo mein Schatz."

Wir sind mittlerweile schon wieder Zuhause und ich mache Aya grade fertig. Ich habe ihr ihr Lieblingskleid angezogen und mache grade ihre Haare.

Als es auf einmal klingelt rennt Aya mit ihren noch nicht fertigen Haaren zur Tür, und kreischt rum. Ich laufe ihr hinterher und lache sie aus.

„Ajil hna Aya." Rufe ich ihr hinterher dass sie zurück kommen soll. Doch in der Sekunde öffnet sie den Gästen die Tür.

Ich verdrehe meine Augen laufe zu Aya um die Gäste zu begrüßen. Ich nehme Aya auf den Arm und will grade die Gäste begrüßen, als ich genau vor diesen Augen stehen bleibe.

Vor den Pechschwarzen Augen.

Pechschwarze AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt