Ein Atemzug

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(Zeitsprung einige Tage später)
Y/N's Sicht:
Ich hatte die Woche durchgängig mit Leon und den Kerlen verbracht, sie kamen abwechselnd jeden Morgen und blieben den ganzen Tag. Ich konnte nicht mehr allzu viel machen und trotzdem versuchten meine Freunde es mir so normal wie möglich erscheinen zu lassen. Sie erzählten mir täglich neues und wir spielten Spiele oder schauten meine Lieblingsfilme. Als ich diesen Morgen aufwachte war ich kaum in der Lage mich zu bewegen und ein stetiges Piepen einer meiner Monitore halte in meinen Ohren wieder. Dr.Räger kam begleitet von einigen Schwestern in mein Zimmer und betrachtete stirnrunzelnd die Linien auf dem Bildschirm. Er ordnete ein paar Leute an Medikamente zu holen und dosierte meine Infusionen neu, bevor die anderen uns alleine ließen. Ich spürte das erlösende Morphium durch meinen Körper fließen und sah meinen Arzt schwer atmend an. Er reichte mir eine Sauerstoffmaske aber ich winkte ab und begann stattdessen zu leise zu fragen: "Ist es jetzt endlich soweit?" Dr.Räger biss sich auf die Lippe und schwieg. "Ich kann nicht mehr...es soll vorbei sein, sag mir wann es aufhört!" fuhr ich fort und er  nickte langsam. "Im Laufe des heutigen Tages, deine Organaktivität sinkt, einige fangen schon an zu versagen..." bestätigte er meine Hoffnung. Ich konnte nicht anders als darüber zu lächeln: "Gut...das ist gut." Dr.Räger erzwang ein Lächeln und fragte: "Soll ich deine Freunde informieren, ich kann keinen genauen Zeitpunkt festmachen, sie möchten bestimmt hier sein?" "Ja bitte...und sei mir nicht böse, ich habe wirklich alles gegeben." antwortete ich und er erwiderte: "Ich weiß, du machst das toll! Ich komm dann gleich wieder." Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und mein Kopf wurde leer, es gab nichts mehr außer den Schmerz und dieses kleine helle Licht, was immer näher zu kommen schien.
Marlons Sicht:
Ich saß im Wohnzimmer und frühstückte als das Telefon klingelte, murrend hob ich den Hörer ab: "Wer ist da?" fragte ich und wartete auf die Antwort auf der anderen Seite der Leitung: "Dr.Räger aus dem Krankenhaus hier, es geht um Y/N, kann ich mit Leon sprechen?" Mein Gefühl sagte mir sofort, dass es nichts gutes bedeutete und seine Stimme klang zu ernst für einen routinierten Anruf. "Er ist unter der Dusche, soll ich ihm etwas ausrichten?" Ich hörte ein Seufzen des Arztes und schluckte bevor ich seinen nächsten Worten lauschte: "Er soll bitte so schnell wie möglich herkommen und am besten gibst du das auch an die anderen Kerle weiter, Y/N braucht euch jetzt alle." erklärte er und das Schlimmste befürchten fragte ich langsam: "Klar, aber was ist denn mit ihr?" Kurze Stille und meine Sorge war gerechtfertigt: "Sie stirbt...heute noch, ihr müsst euch beeilen es geht ihr bereits sehr schlecht!" Ohne abzuwarten legte ich auf und starrte Leon an, der genau in diesem Moment mit nassen Haaren in der Tür stand. "Wer war das? Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen!" scherzte er aber darüber konnte ich mich nicht ärgern ich sah in ernst an und sein Grinsen verschwand: "Es ist nicht das was ich denke! Sag mir, dass es das nicht ist!" erhob er seine Stimme und ich hörte seine Verzweiflung. "Das kann ich nicht-" flüsterte ich, aber er hatte mich verstanden. Sofort schnappte er sich seine Jacke und den Motoradschlüssel und war im nächsten Augenblick aus der Tür verschwunden. Kurz war ich im Schock noch festgefroren, bevor ich es ihm gleichtu und nebenbei eine Nachricht an die Kerle schickte: "SOS! Es ist soweit, kommt ins KH!"
Leons Sicht:
Ich konnte es nicht glauben während ich mit überhöhter Geschwindigkeit die Straße entlangraste formten sich Tränen in meinen Augen, die ich wegblinzelte. Meine Gedanken galten einzig und allein Y/N, die gerade in dieser Sekunde um ihr Leben kämpfte. Ich wusste genau, dass sie das für uns tat, für mich. Ihr Inneres hatte schon längst aufgegeben, aber sie gab unseretwegen nicht auf. Sie wollte uns das nicht antun und ich wollte nicht, dass sie mir das antut. Vielleicht ist das egoistisch, aber ich kann nicht anders! Es gab keinen Ausweg mehr, dass war mir klar, nichts kann ihren Tod jetzt noch aufhalten und egal wie schwer es mir fällt, ich werde bei ihr sein. Die ganze Zeit. Sie hat solange durchgehalten und das werde ich jetzt auch, sie musste mich nicht einmal fragen bei ihr zu bleiben, ich bezweifelte, dass ich es übers Herz brachte es nicht zu tun. Angekommen nahm ich meinen Helm ab und rannte durch die Gänge bis zu ihrem Zimmer. Ich begegnete kurz Dr.Räger der mir zunickte aber selber ebenfalls unprofessionell traurig aussah. Ich stürmte zu ihrem Bett und nahm Y/N's Hand, die weiß auf ihrer Brust lag. Mehrere neue Nadeln zierten ihre Haut allerdings blickte ich nur in ihre müden Augen. Sie lächelte befreit und sah mich glücklich an. "Danke dass du gekommen bist!" flüsterte sie, "Ich könnte dich das nicht alleine machen lassen!" schluchzte ich. Sie wischte vorsichtig eine Träne von meiner Wange und küsste mich sanft. Ihre Hand zitterte und die Anstrengung sich nur aufzurichten, musste furchtbar groß sein. Ich setzte mich neben sie und nahm ihren Kopf auf meinen Schoß, dann sang sie ein letztes Lied und ich merkte, dass die Bedeutung des Textes für mich gedacht war.

"Es tut mir leid-" fügte sie hinzu und ich strich ihr durch die Haare, während ich versuchte zu verhindern, dass sie sich ein schlechtes Gewissen macht. "Brauch es nicht, du kannst nichts dafür." Ich atmete ungleichmäßig und sie war es, die mich tröstete: "Ssh, es ist okay, mach dir keine Sorgen, es wird mir gut gehen!" Die Kerle trafen ein und versammelten sich um Y/N's Bett. Es war genau, wie sie es sich gewünscht hatte und ich wusste, dass es das mindeste war, was wir für sie tun konnten. Keiner wagte etwas zu sagen und Y/N sah uns alle nacheinander glücklich an. "Ich hatte eigentlich nicht vor jetzt eine so kitschige Rede zu halten, dass gleich alle weinen, aber ich muss euch trotzdem irgendwie danken. Für alles was ihr für mich getan habt. Allein dass ihr jetzt ihr seid bedeutet die Welt für mich. Ihr habt mir die schönsten Jahre meines Lebens gemacht und seid nicht nur meine besten Freunde sondern meine Familie und ich danke euch dafür, dass wir das alles zusammen erlebt haben, jeden Scheiß  und dass wir alle jetzt zusammen sind. Das ist vielleicht mein Schluss und das Ende der Kerle mit mir, aber eure Geschichte geht weiter, sie wird ein Happy End haben und ich möchte, dass sie das hat, weil ich es nicht haben kann. Aber wenn ihr alle zufrieden seid, dann bin ich es auch, das ist alles was ich mir wünsche. Alles was ich je wollte ist, dass ihr glücklich seid und dass ich es mit euch bin ist viel mehr als ich verdient habe." Ich unterbrach sie: "Das stimmt nicht, du hast sie Welt verdient und ohne dich wären wie nie bis hier her gekommen, du bist der beste Teil von uns." Sie wimmerte vor Schmerzen, sprach dann allerdings weiter: "Und dieser Teil wird nie von euch gehen, ich bleibe immer bei euch, hier drin." Sie legte ihre bläuliche Hand auf meine linke Brust, wo sie mein Herz symbolisierte. "Mein Körper stirbt vielleicht, nicht aber meine Seele, nicht die ganzen Erinnerungen und nicht alle Gefühle, das ändert sich nicht, sie sind unsterblich, im Gegensatz zu mir!"

Don't you dare dieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt