11 ~ Notwendige Gespräche

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Kerzengerade saß sie auf ihrem Bürostuhl und begutachtete mit Argusaugen die Flüssigkeit.

„Ist das etwa wirklich ... ?"
„Ja, ist es", antwortete Severus gelangweilt. „Du solltest mit ihr reden. Du bist schließlich ihre Hauslehrerin."
Er ließ sich auf dem gegenüberliegenden Stuhl des Tisches zurücksinken. Er würde das Gespräch wohl doch nicht so schnell hinter sich bringen können wie erhofft.
„Und du bist dir sicher, dass Miss Granger das war?", hakte sie nach.
„Nein Minerva, ich habe mir das ganze nur ausgedacht, um deinem kleinen Gryffindorliebling eins reinzuwürgen."
Sie warf ihm einen entgeisterten Blick zu.
„Natürlich bin ich mir sicher, dass sie es war!", murrte er entnervt. Warum musste er sich bei dieser Hexe immer wiederholen?
„Sie hat diesen Trank bekommen, wer sollte es also sonst getan haben? Abgesehen davon würde ich diese Fähigkeit auch niemand anderem aus deinem Haus zutrauen."

Erneut schielte sie über den Rand ihrer Brille auf die Flüssigkeit in der Phiole, die sie sich direkt vor die Nase hielt.
Severus Finger krallten sich in die Stuhllehnen. Er war kurz davor aufzustehen und ihr den Trank gewaltsam einzuflößen, um sie zu überzeugen und davon abzubringen, womöglich noch ein viertes Mal, mit ihrem Röntgenblick ein Gutachten durchzuführen und damit Severus Urteilsvermögen anzuzweifeln. Glücklicherweise legte sie die Phiole dann aber endlich weg und seine Finger entspannten sich wieder halbwegs.

„Und was glaubst du, warum sie das gemacht hat?", fragte sie verwundert.
„Weil sie bereits beginnt abhängig davon zu werden und denkt, dass es ihr hilft."
McGonagall musterte ihn kritisch. „Und du sagtest, er würde bei ihr nicht wirken?"
„Nein, ich sagte, dass er bei ihr nicht die Wirkung erzielt, die für die er hergestellt wurde, sondern stattdessen fehlerhaft wirkt und ihr Verhalten beeinträchtigt."
„Nebenwirkungen also?", schlussfolgerte sie.
Er beugte sich vor, verschränkte die Hände auf dem Tisch, zwang sich ruhig zu atmen.
„Nein, es sind keine Nebenwirkungen." Ausdruckslos sah er sie an. „Nebenwirkungen sind es nur dann, wenn die Wirkung, für die ein Trank hergestellt wurde, erreicht wird und DANEBEN andere unerwünschte Wirkungen auftreten, die mehr oder minder schädlich und unangenehm sein können, jedoch nicht die beabsichtigte Wirkung beeinträchtigen. Deswegen nennt man es NEBENwirkungen, Minerva."

Es war, als würde er mit einer Schülerin sprechen. Aber was erwartete er? Sie hatte mit Zaubertränken nichts am Hut. Dennoch hasste er es, etwas erklären zu müssen, was für ihn so evident und selbsterklärend war, dass selbst jemand, der sich nicht auf seinem Gebiet auskannte, über diese Art von Wissen verfügen sollte.

Da die Gryffindorhauslehrerin ihn nur ahnungslos anstarrte, fuhr er ein wenig gereizter fort.
„Die beabsichtigte Wirkung des Tranks tritt bei Miss Granger überhaupt nicht ein. Sie glaubt das zwar und kann vorerst möglicherweise auch besser schlafen, aber das wird nur von kurzer Dauer sein. Stattdessen tritt eine vollkommen eigene, und fehlerhafte Wirkung ein, nämlich dass sich ihre Persönlichkeit negativ verändert. Und das wäre vermutlich nur der Anfang."
„Und von welcher Art negativer Veränderung sprechen wir hier?", fragte sie und zog skeptisch eine Augenbraue hoch.
„Davon, sich bei der Wortwahl nicht zügeln zu können und das Gefühl für Anstand und Respekt zu verlieren."
Minerva lachte lautlos auf, schüttelte uneinsichtig den Kopf.
„Miss Granger ist die respektvollste Schülerin, die mir je untergekommen ist, Severus." Sie rührte in dem Tee um, der vor ihr auf dem Tisch stand, ohne den Blick von ihrem Kollegen abzuwenden. „Verzeih mir also bitte, dass es mir schwerfällt zu glauben, der Trank habe eine solche Auswirkung auf sie und sie verhält sich ausgerechnet dir gegenüber so." Sie nippte mit spitzer Lippe an der dampfenden Flüssigkeit.

Der Zorn kratzte an Severus wie eine Katze mit ausgefahrenen Krallen an einem Ohrensessel. Aber er behielt seine gefasste, gleichgültige Miene aufrecht. Natürlich hielt die Hexe ihre Hände schützend über ihre Löwenjungen. Dass er bei Minerva immer mehrfach deutlich werden musste, bis sie die Gewichtung in seinen Aussagen erkannte, wenn es um Gryffindor ging, war ihm nicht neu.

𝐷𝑒𝑟 𝑆𝑡𝑢𝑟𝑚 𝑖𝑛 𝑚𝑖𝑟 (𝑆𝑆/𝐻𝐺)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt