Neue Welt

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"Guten Morgen. Guten Morgen. Guten Morgen, Sonnenschein." Das Handy der jungen Frau meldete sich nun schon zum zweiten Mal. Sie war zwanzig, hatte blonde, lange Haare, eine schlanke Figur und blaue Augen. Genervt sah sie erneut auf das Display und stellte fest, dass es schon wieder der Kerl ihrer besten Freundin war. Da sie erst am Vormittag nach Hause gekommen war, wollte sie eigentlich noch etwas Schlaf nachholen. Es war noch nichtmal vierzehn Uhr und somit hatte ihr Nickerchen keine drei Stunden gedauert. Doch da es wohl etwas Wichtiges zu sein schien, beschloss sie, ran zu gehen.

"Martin, was willst du?", fragte sie leicht gereizt. "Seren! Na endlich nimmst du mal ab. Wo warst du denn?", erkundigte er sich und sie verdrehte unwillkürlich die Augen. "Ich liege im Bett und wollte eigentlich noch etwas schlafen, da ich eine kurze Nacht hatte.", erklärte sie eher ungehalten. "Und deswegen rufst du an?", seufzte die junge Frau matt. "Natürlich nicht! Du musst unbedingt herkommen. Es ist wichtig.", sagte er eindringlich, was sie unwillkürlich den Kopf schütteln ließ. "Lass mal gut sein. Ich habe genug da und schlafe lieber noch etwas.", wollte sie ihn abwimmeln. "Du verstehst das falsch! Es ist dringend. Ich bitte dich, steig ins Auto und komm her." Mittlerweile klang er aufgeregt und sie setzte sich hin. Ihre Beine schwang sie aus dem Bett und ging zum Kleiderschrank, während sie weiter sprach. "Was genau ist denn so dringend?", gähnte sie und zog dann ein pinkes Shirt hervor. "Das glaubst du mir niemals, wenn du es nicht mit eigenen Augen siehst. Ich dachte ja selbst, dass ich spinne." Ihre Brauen zogen sich zusammen. "Pass mal gut auf, mein Bester. Wenn das ein dummer Witz ist und du Hallus hast, dann ist was los.", sagte sie ernst, während sie eine Hotpant aus Jeansstoff zur Hand nahm. "Nein! Ich schwöre es dir." Die Blondine ging ins Wohnzimmer und setzte sich auf ihre rote Couch. "In Ordnung. Ich mache mich fertig und dann komme ich rum.", gab sie sich geschlagen. "Gut. Bis gleich.", beendete er das Gespräch. Sie zog sich die Sachen an, ging nochmal schnell ins Bad und schlüpfte dann auf dem Flur in ihre pink grauen Nikes, bevor sie ihren Schlüssel griff und dann nach unten lief.

"Seren heißt sie also... Und du meinst, sie kennt mich?" "Ja. Sonst hätte ich gar nicht gewusst, wie du aussiehst." "Na dann, warten wir mal, was sie sagt." Martin hatte ihm nichts erzählt, da er ja keine Ahnung hatte.

Wenige Minuten später parkte die junge Frau ihr Auto, stieg aus und klingelte an der Gegensprechanlage. Nachdem der Summer erklang, ging sie die Treppe hoch und kam vor der Wohnungstür zum Stehen. Seren klopfte und ihr bester Freund öffnete. Er war achtundzwanzig, was man ihm jedoch nicht ansah, hatte dunkelblonde Haare und eine sportliche Figur. In Jeans und weißem Hemd stand er vor ihr. "Hey, Martin.", begrüßte sie ihn und kam rein. "Na, Große, alles fit?" erkundigte er sich, worauf die Jüngere nickte. "Bis auf nervige Kunden, die nicht zahlen wollen, weswegen man sie dann persönlich besuchen muss, geht es mir gut.", stellte sie fest. "Und was ist es nun, das ich unbedingt mit eigenen Augen sehen muss?", wechselte die Blondine ihr Standbein. "Nicht was. Wen.", sagte er und sie schaute ihn irritiert an. "Komm, er wartet im Wohnzimmer.", griff er sie direkt bei der Hand und zog sie mit. *Er? Wenn das ein dämlicher Verkupplungsversuch werden soll, mache ich die Zwei einen Kopf kürzer.*

Die beiden betraten die Stube und nach drei Schritten deutete Martin in Richtung Couch. Sie drehte sich dorthin, riss die Augen auf und griff an die Lehne des Sessels, hinter dem sie stand, um Halt zu haben. Die Blondine konnte es nicht glauben. Sie halluzinierte. Ja, genau. Das war die einzige logische Erklärung. Alles Andere war nicht möglich oder viel zu verrückt. "Oi. Alles in Ordnung mit dir?" Jetzt sprach die Halluzination auch noch. Vielleicht sollte sie lieber mit den Drogen aufhören, denn das hier war ein eindeutiges Indiz dafür, dass ihr das Zeug nicht gut tat. Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf, wendete sich ab und lief ins Bad.

Die junge Frau übergab ihren Mageninhalt äußerst gefühlvoll an das weiße Porzellan. Nach einigen Minuten erhob sie sich, spülte, stützte sich dann auf das Waschbecken und schaute in den Spiegel. Vielleicht träumte sie ja auch. Mit dem Gedanken kniff sie sich in den Arm. "Autsch. Also kein Traum.", schlussfolgerte sie und zog die Brauen zusammen. Was war denn hier bloß los? Der Typ konnte nicht der sein, für den sie ihn hielt. Das war absolut unmöglich. Es konnte nicht die Wahrheit sein. Ausgeschlossen! Hier im Bad zu bleiben und abzuwarten, war keine Option. Über kurz oder lang würde Martin sie bestimmt holen kommen. Seren wusch sich ihre Hände samt Gesicht und spülte sich einige Male den Mund aus. Mit ihrer zitternden Rechten griff sie an den Knauf, öffnete die Tür und ging zurück zu den Männern.

Sie blickte zu Boden, ging schnell um den Sessel herum und setzte sich dann. Ihren Beinen vertraute sie in dem Moment eher weniger und auch den Rest ihres Körpers hätte sie als unzurechnungsfähig eingestuft, wäre sie gefragt worden.

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