Kapitel 1 - Taejoo

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Es ist ein Montagmorgen wie jeder andere. Mit dem Kaffeebecher in der einen und meiner Tasche in der anderen Hand schlendere ich zusammen mit George und Holly über den Campus. Die Sonne scheint, die Luft ist frisch und das buntgefärbte Laub lässt das Universitätsgelände schöner aussehen als sonst. Überall wuseln Studenten und Professoren umher und die Stimmung ist für einen Montagmorgen besser als erwartet.

Es könnte ein Tag wie jeder andere sein. Wäre da nicht dieses nagende Gefühl in mir, das meinen Magen zu einem ängstlichen Klumpen zusammenschrumpfen lässt. Dieses Gefühl, das mich seit einigen Wochen verfolgt und das ich einfach nicht abschütteln kann. Ebenso wenig wie das ständige Zittern. Die Kälte, die nie meine Knochen verlässt und langsam durch meinen gesamten Körper fließt. Der Hunger, der ständig an mir nagt. Der Schwindel. Die Übelkeit. Es ist, als würde ich langsam aber sicher zerfallen. Als würde mein eigener Körper mir entgleiten wegen dem, was ich getan habe.

„Tae, hörst du zu?" George, der neben mir läuft, stößt mir seinen Ellenbogen in die Seite.

Ich zucke zusammen, schaffe es aber noch meinen Kaffeebecher gerade zu halten, um nichts zu verschütten. „Hm?" Ich sehe auf.

„Alles in Ordnung bei dir?", will Holly wissen, die Stirn gerunzelt.

Wir sind stehen geblieben und die beiden betrachten mich aufmerksam. Wenn sie so direkt nebeneinander stehen, ist die Ähnlichkeit verblüffend. Die gleiche flache Nase, die gleichen vollen Lippen, die gleichen dunklen Augen, die wirken, als könnten sie jede einzelne meiner Lügen enttarnen.

„Ich bin nur etwas müde." Wie, um meine Aussage zu bekräftigen, trinke ich einen Schluck und versuche nicht das Gesicht zu verziehen, als ich mir die Zunge verbrühe.

„Schläfst du nicht gut? Du siehst in letzter Zeit immer erschöpft aus. Beschäftigt dich etwas?" Sie legt den Kopf schief und wirkt, als würde sie sich wirklich Sorgen um mich machen. Doch was soll ich sagen? Dass ich nicht mehr klar denken kann, weil mein Körper sich kaum noch aufrecht hält? Dass ich einen Handel eingegangen bin, der mich umbringen könnte? Dass ich weiß, dass ich sterben könnte, aber dennoch zu schwach bin, um zu widerstehen?

„Ich schätze, ich bin etwas gestresst." Ich streiche mir die Haare aus dem Gesicht und hoffe, bete, flehe, dass sie das Thema endlich fallenlassen. Keine Ahnung, wie lange ich sie noch belügen kann. Lügen ist eine meiner leichtesten Übungen, doch das heißt nicht, dass es mir nicht doch Kopfzerbrechen bereitet. Ich weiß, die beiden würden mir helfen, würde ich mich ihnen anvertrauen, aber ich darf sie da nicht mit hineinziehen. Nicht sie.

„Du weißt schon, dass das neue Semester gerade erst begonnen hat, oder?" George fängt an zu grinsen.

Ich seufze. „Das heißt nicht, dass ich es nicht jetzt schon hasse."

„Eine Woche Uni und schon keine Lust mehr?"

„Du weißt, über das Thema rede ich nicht mit dir."

Er lacht nur. „Ist da jemand empfindlich?" Und beginnt rückwärts vor mir wegzutänzeln, da ich mit einer Hand nach ihm schlage.

„Noch ein Wort!", drohe ich ihm. Am Freitage habe ich eine extra Hausarbeit aufbekommen, weil ich die gesamte dreistündige Vorlesung geschlafen habe. George amüsiert sich immer noch köstlich darüber.

Er verdreht nur die Augen, dreht sich um und schlendert davon. Holly zuckt nur entschuldigend mit den Achseln und folgt ihm.

„Frühstück?", ruft sie mir über die Schulter hinweg zu.

Ich trotte ihnen einfach hinterher, in Gedanken schon dabei Ausreden zu erfinden, weswegen ich keinen Hunger haben könnte. George und Holly quasseln ohne Luft zu holen und ich lasse mich zu einem kleinen Lächeln hinreißen, obwohl ich mich fühle, als würde ich jeden Moment in Ohnmacht fallen. Mir ist furchtbar kalt und während die beiden vor mir dünne Pullover tragen, bin ich in einen langen Mantel gehüllt.

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