Kapitel 6 - Taejoo

6 4 0
                                    


Die Kopfschmerzen setzen vier Tage, nachdem ich das letzte Mal getrunken habe, ein. Es fühlt sich an, als würde sich ein gewisser Druck in meinem Schädel aufbauen und mein Kopf jeden Moment platzen. Es ist verdammt unangenehm und es fällt mir schwer den Vorlesungen zu folgen. Nicht, dass ich in letzter Zeit generell gut aufgepasst hätte. Irgendwie arbeitet mein Geist zu langsam, um Zusammenhänge zwischen dem, was der Professor sagt, herzustellen. Ob zu meinem körperlichen Verfall jetzt auch noch ein geistiger dazukommt? Wundern würde es mich nicht.

„Alles in Ordnung mit dir?", raunt mir George zu, der neben mir sitzt und fleißig mitschreibt, was der Professor von sich gibt.

Ich habe es schon längst aufgegeben zuzuhören und konzentriere mich stattdessen auf meine Atmung. „Nichts Schlimmes", flüstere ich zurück, als er nicht aufhört mich besorgt anzusehen. „Nur Kopfschmerzen."

Ich warte kurz, bis George seine Aufmerksamkeit wieder der Vorlesung widmet, dann entsperre ich mein Handy unter dem Tisch. Kurz zögere ich, dann schicke ich Yuta eine Nachricht. „Ich brauche mehr. Dringend."

Seine Antwort lässt nicht lange auf sich warten. „Heute nach dem Training."

In letzter Zeit habe ich viel mehr getrunken, als ich sollte. Yutas wöchentliche Ration Blut reicht nicht mehr, da ich ihn alle paar Tage um Nachschub bitte. Woher er die ganzen Konserven hat, weiß ich nicht, aber ich werde ihn auch nicht danach fragen. Ich brauche das Blut unbedingt, um meinen Körper am Laufen zu halten, damit ich weiterhin die Vorlesungen besuchen und trainieren kann. Schwäche kann ich mir nicht erlauben und ich muss unter allen Umständen verhindern, dass mein Körper kollabiert, sonst fliegt mir mein fein säuberlich aufgebautes Gerüst aus Lügen um die Ohren.

Und dann noch dieser Biss... Was wohl passieren wird, wenn ich ihn einfach nie wiedersehe? Hat es überhaupt irgendwelche Konsequenzen? Das Schicksal muss schon persönlich vor mir erscheinen und mich eigenhändig zwingen, damit ich mache, was es will. Was soll schon passieren, wenn ich den Biss nicht erwidere? Gut, er meinte, ich werde mich verwandeln müssen, aber das bekomme ich hin. Es kann schließlich nicht so schwer sein, oder?

Zwei Tage ist es her, dass ich wütend aus Skylars Zimmer gestürmt bin und bisher hat er nicht versucht mich zu kontaktieren. Er scheint also begriffen zu haben, dass der Biss gar nichts zwischen uns ändert. Ich hoffe, es bleibt dabei.

„Tae?" Georges Stimme lässt mich hochschrecken und ich bemerke, dass der Vorlesungssaal sich bereits leert.

„Wirklich alles okay bei dir?" Er sieht mich streng an. „Und jetzt sage mir nicht wieder, dass alles in Ordnung ist. Du bist so komisch in letzter Zeit. Irgendetwas beschäftigt dich. Du hast dich verändert und ganz ehrlich, du siehst echt nicht gesund aus. Wollen wir nicht doch mal zu einem Arzt gehen?"

Mein schlechtes Gewissen droht mich zu begraben, also klopfe ich ihm fest auf die Schulter und sage lächelnd: „Um mich muss man sich keine Sorgen machen. Wann habe ich je etwas nicht unter Kontrolle?"

George will noch etwas sagen, doch ich schnappe mir schnell meine Tasche und meinen Mantel und gehe davon. Erst langsam, bis er mich nicht mehr sehen kann und dann werden meine Schritte immer schneller. Ich muss raus hier. Sofort.

Stunden später, es ist bereits dunkel und die letzte Vorlesung für heute ist vorbei, gehe ich zum Stadion, um mit den anderen zu trainieren. Das tägliche Training erschöpft mich zusätzlich, doch ich muss Bestleistungen zeigen, um den Trainer nicht misstrauisch werden zu lassen. Gerade ihm als Vampir könnte irgendwann auffallen, was mit mir los ist. Also darf ich bis zu den Wettkämpfen im Frühjahr nicht nachlassen.

Meine Kopfschmerzen haben sich inzwischen von unangenehm zu richtiggehend schmerzhaft gesteigert und ich habe das Gefühl, meine Augen fokussieren nicht mehr richtig. Ob die Kopfschmerzen schon Entzugserscheinungen sind? Ich hoffe wirklich, dass sie später wieder verschwinden, sobald ich das Blut von Yuta bekommen habe, sonst weiß ich nicht, was ich tun soll.

Moon LoversWo Geschichten leben. Entdecke jetzt