Kapitel 10 - Taejoo

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Ich sitze mit hochgekrempelten Ärmeln am Tage des Vollmondes auf einem Hocker in der Küche von Oh's Korean Kitchen und schäle hochkonzentriert Knoblauch, als mein Handy in meiner Hosentasche vibriert. Mit spitzen Fingern ziehe ich es vorsichtig heraus und sehe nach, wer mir geschrieben hat.

„Bin da", lautet die kurze Nachricht von Skylar.

„Moment", schreibe ich zurück und schiebe das Handy zurück in meine Hosentasche. Hastig schäle ich noch ein paar Zehen, damit meine Mutter mich heute früher gehen lässt und präsentiere ihr mein Werk, als ich fertig bin.

„Gut. Gut", sagt sie nur im Vorbeigehen und widmet sich dann wieder ganz ihrem Herd, wo in einigen Töpfen leckeres Essen vor sich hin kocht. Heute ist nur einer ihrer zwei Köche da und ich wurde als Küchenhilfe abkommandiert und habe den ganzen Freitagnachmittag nichts gemacht außer Gemüse zu schneiden und Geschirr zu waschen. An ihre kostbaren Herde wollten sie mich nicht lassen.

„Erinnerst du dich noch, dass ich heute früher weg muss?" Ich schaue ihr über die Schulter, doch der Geruch von Essen ist mir in den letzten Tagen irgendwie zuwider geworden und so nehme ich doch lieber etwas Abstand. Zusätzlich fühle ich mich heute genauso merkwürdig in meinem Körper, wie Skylar es mir prophezeit hat. Alles ist irgendwie falsch und ich habe mich heute mehrmals ertappt, wie ich gedankenverloren auf meine Hände gestarrt habe, als würden aus ihnen plötzlich Klauen werden.

„Natürlich erinnere ich mich", durchbricht meine Mutter meine Gedanken. Sie rührt kräftig. „Du triffst dich mit einem neuen Freund, oder?" Sie lächelt mich an. Erst ist sie dagegen gewesen, dass ich an einem Freitagabend nicht im Restaurant helfe, doch als ich ihr erzählt habe, dass ich eine neue Bekanntschaft gemacht habe, ist sie ganz aufgeregt gewesen. Da ich ihr nie Freunde vorstelle, muss es für sie so aussehen, als würde ihr einziger Sohn völlig vereinsamen. Was er auch tun würde, würden sich ihm die Menschen in seinem Leben nicht so aufdrängen.

„Wir fahren zu dem Ferienhaus seiner Eltern." Keine Ahnung, warum ich ihr von Skylar erzählt habe, aber irgendwie ist es mir herausgerutscht und jetzt ist er zumindest meiner Mutter gegenüber kein Geheimnis mehr.

Letzten Endes schmeißt sie mich mehr oder weniger aus ihrer Küche hinaus und bewaffnet mit zwei gigantischen Portionen Bibimbap und extra Kimchi verlasse ich das Restaurant. Auf dem Besucherparkplatz, den sich die Gäste mit den Kunden eines Friseursalons teilen, steht Skylars Auto und ich renne direkt zur Beifahrerseite, da es mal wieder in Strömen regnet. Meine Tasche schlägt mir bei jedem Schritt gegen den Rücken. Skylar, der mich wie einen Irren über den Parkplatz sprinten sieht, öffnet mir die Beifahrertür von innen und ich stürze mehr in sein Auto, als dass ich mich setze.

„Hey", keuche ich und zerre die Tür hinter mir zu. Von den paar Metern bin ich bereits völlig durchnässt und ich wische mir das Wasser und die Haare aus dem Gesicht.

„Hey." Er grinst mich an und beobachtet, wie ich versuche mich, meine Tasche und das ganze Essen auf dem Sitz zu sortieren. „Willst du bei mir einziehen?"

„Das hättest du wohl gerne." Ich schnalle mich umständlich an.

Er sagt nichts, lächelt aber und startet den Motor. Das Radio schaltet sich ein und ein schnelles Gitarrenriff ertönt, gefolgt von einem tiefen, wummernden Bass. Skylar Jones steht also auf Rockmusik. Eine neue Information über den Typen, über den ich eigentlich nie etwas wissen wollte. Und über den ich nun so viel mehr weiß, als mir lieb ist. Zum Beispiel, dass er sich immer bemüht, freundlich zu sein und zu lächeln oder dass er so unfassbar geduldig ist bei allem, was er tut. Neben mir im Auto sitzt also Mr. Perfect in einem hübschen roten Karohemd und makellos zerzausten Haaren, während ich genauso fertig aussehe, wie ich mich fühle. Vielleicht sollte meine Mutter ihn adoptieren und mich verstoßen. Geschähe mir ganz recht.

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