Kapitel 3 - Taejoo

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Als am nächsten Morgen mein Wecker klingelt, drehe ich mich auf die Seite und zucke vor Schmerz zusammen. Mir tut alles weh und es ist schließlich George, der sich aus dem Bett schält und dem Läuten ein Ende machen muss.

„Alles in Ordnung? Wie geht es dir?" Sein besorgtes Gesicht taucht vor mir auf und ich ziehe mir die Bettdecke über den Kopf.

„Ich bin kaputt. Irreparabel beschädigt", nuschele ich in die Decke und schließe die Augen.

„Kaffee?", höre ich George rufen und es klappert irgendwo.

„Ja, bitte..." Ich bewege vorsichtig meine Zehen, doch selbst die tun mir weh. Gestern war ich so benommen gewesen, als Holly und George mich endlich gefunden haben und so hat Holly meine Wunden versorgt, da mir selbst die Kraft dazu gefehlt hat. Ich kann die ganzen Pflaster an meinen Füßen spüren, als ich sie aneinander reibe und es erinnert mich daran, dass meine Stiefel nicht für so eine Art Rennen ausgelegt sind. Es erinnert mich auch daran, wie viel Glück ich gehabt habe und wie das alles hätte ausgehen können. George hat Holly gestern genug angeschrien, deshalb habe ich es dabei belassen, sie böse anzugucken und dann ins Bett zu gehen. Zu den Geräuschen ihres Streits bin ich relativ schnell eingeschlafen.

„Kaffee, Sonnenschein!", flötet George und zieht mir mit einem Ruck die Decke weg, sodass ich geblendet die Augen zusammenkneife. Er hilft mir mich aufzusetzen und ich nehme ihm vorsichtig die dampfende Tasse aus der Hand.

„Danke." Ich starre in die schwarze Brühe und wärme meine eiskalten Hände. Sie sind voller Kratzer, meine Nägel sind eingerissen und dreckig.

„Wie geht es dir?", will er erneut wissen und ich spüre seinen besorgten Blick auf mir.

„Ging schon mal besser", antworte ich wahrheitsgemäß. Mein Körper hat in letzter Zeit einiges einstecken müssen und ich habe mich generell schon lange nicht mehr gut gefühlt, doch nach dieser Nacht... Ich habe mich selten so beschissen gefühlt.

„Es tut mir so leid, Mann." George nestelt an dem Reißverschluss seines Hoodies herum. „Ich hätte dich nicht um so etwas Gefährliches bitten sollen."

„Mach dich nicht fertig." Ich puste in meinen Kaffee. „Du hattest keine Wahl. Und es ist ja nochmal alles gut gegangen."

„Gut?" Er schnaubt. „Tae, du siehst echt scheiße aus."

„Danke. Genau das wollte ich hören."

„Du bist echt schlecht darin auf dich selbst aufzupassen." Er seufzt. „Wenigstens ich hätte auf dich aufpassen sollen."

„Wie gesagt", ich stelle meine Tasse auf meinem Nachtschrank ab. „Es geht mir gut. Mach dir keine Sorgen und hör auf mich mit deiner Besorgnis zu nerven."

George sieht aus, als wollte er noch etwas sagen, doch ich klettere schnell aus dem Bett, um einem weiteren Gespräch zu entgehen. „Ich gehe duschen."

„Soll ich mitkommen?" Er sieht mich zögernd an, als ich ein paar unsichere Schritte mache.

„Wenn du willst, dass ich dich kastriere, dann nur zu." Mit diesen Worten schnappe ich mir ein Handtuch und schließe die Tür des Badezimmers hinter mir. Es ist wahnsinnig eng hier. Dusche, Waschbecken und Toilette wurden so geschickt platziert, dass es kaum möglich ist hier drin zu laufen, ohne irgendwo gegenzuschlagen. Vorsichtig lege ich mein Handtuch ab und beginne mich aus dem übergroßen Schlafshirt und der Jogginghose zu schälen, die beunruhigend locker auf meinen Hüften sitzt. Als ich völlig nackt bin, schaue ich ihn den Spiegel.

„Scheiße...", flüstere ich und fahre mit einer Hand über mein Gesicht. Meine Wangenknochen treten so deutlich hervor, dass ich mehr wie ein Skelett denn wie ein Mensch aussehe. Ich habe ein Pflaster auf der Wange und meine Lippen sind trocken und eingerissen. Meine Schlüsselbeine stehen so weit hervor, als würden sie jeden Moment durch meine Haut stechen und um meine Schultern hat Holly einen Verband gewickelt. Als ich an mir herabschaue, wird meine Kehle eng. Mein Körper ist übersäht mit Schnitten, Pflastern und blauen Flecken. Ich bin so dünn, dass es ein Wunder ist, dass ich noch stehen kann. Ich hasse es, wie ich aussehe. Hasse jeden Zentimeter meines Körpers mit einer solchen Inbrunst, dass es mir den Atem raubt. Ich hole zitternd Luft, als mein Herz anfängt zu rasen, als meine Hände beginnen zu zittern und schlage die Hände vor meinen Mund, damit George nicht hört, wie meine Welt auseinanderfällt.

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