Kapitel 7 - Skylar

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Seit einigen Tagen hat sich Taejoo nicht mehr bei mir gemeldet und da wir so unterschiedliche Stundenpläne und Freundeskreise haben, habe ich ihn auch nicht mehr gesehen. Dass ich jetzt in der obersten Reihe des Stadions sitze und ihm beim Training zuschaue, liegt einzig und allein an den Kopfschmerzen, die mich fast durchdrehen lassen. Also drücke ich mich wie ein Verbrecher im Schatten herum und beobachte das Leichtathletikteam beim Training in strömendem Regen. Liegt es wohl an den Vampirgenen, dass ihnen der Regen nichts ausmacht und sie nicht krank werden? Und was ist mit Taejoo? Er ist schließlich auch ein Mensch.

Der schrille Ton der Trillerpfeife des Trainers schallt durch das Stadion und die Läufer setzen sich in Bewegung. Habe ich ihn eben noch für einen schwachen Menschen gehalten? Sie sind so schnell, dass ich Probleme habe ihre verschwommenen Körper überhaupt auseinanderzuhalten. Runde um Runde drehen sie in dem kleinen Stadion und der Trainer brüllt ihnen eine Anweisung nach der anderen zu. Seine tiefe Stimme vermischt sich mit den Stimmen der anderen Trainer, die Gruppen von Weitspringern, Sprintern und anderen Disziplinen trainieren.

Schließlich kann ich ihn doch in der Gruppe der Läufer ausmachen. Sein großer Körper fliegt über die Tartanbahn und er lässt es aussehen, als gäbe es nichts Leichteres, als sich in dieser Geschwindigkeit fortzubewegen. Sein Haar flattert im Wind, den er verursacht und sein Gesichtsausdruck ist versteinert und konzentriert.

Eine ganze Weile sehe ich ihm zu, bis der Trainer irgendwann pfeift. Taejoo kommt langsam zum Stehen und joggt zurück zu den anderen, um sich mit ihnen abschließend zu dehnen. Bevor er mich noch entdeckt, verlasse ich die Tribüne und beschließe am Eingang auf ihn zu warten.

Nach einer Weile verlassen die ersten das Stadion und ich merke, wie mir von allen Seiten neugierige Blicke zugeworfen werden. Als Werwolf vor einem Stadion voller Vampire zu warten entbehrt nicht einer gewissen Ironie, das ist mir bewusst. Ich hoffe also, dass Taejoo sich nicht allzu viel Zeit beim Duschen lässt, damit ich nicht weiterhin wie bestellt und nicht abgeholt in der Gegend herumstehe.

Doch nach einiger Zeit kommen keine weiteren Studenten heraus und selbst die Trainer sind schon an mir vorbeigelaufen. Ich sehe auf mein Handy. Sein Training ist schon seit einer halben Stunde vorbei und im gesamten Stadion brennt kein Licht mehr. Habe ich ihn verpasst?

Ich laufe zurück zum Eingang und rüttele an der Tür. Sie geht auf, also muss noch jemand da sein. Kurz sehe ich mich um, doch als ich niemanden entdecken kann, schlüpfe ich hinein. Die Flure sind längst nicht mehr beleuchtet, doch meine Augen sehen auch in kompletter Dunkelheit alles. Da ich mich hier nicht wirklich auskenne, irre ich eine Weile durch die Flure, bis ich irgendwann unter einer Tür Licht sehen kann. Dort muss er sein.

Langsam nähere ich mich der Tür, doch halte inne, als ich Stimmen hören kann.

„Du bist an der Reihe", sagt irgendjemand.

„Worauf wartest du?" Das ist seine Stimme und ich bin froh, ihn endlich gefunden zu haben.

Ich beschließe hier zu warten, zucke aber zusammen, als ich einen dumpfen Schlag höre und im nächsten Moment ein schmerzerfülltes Stöhnen, das nur von Taejoo stammen kann.

Bevor mir selbst richtig bewusst wird, was ich mache, stürme ich in die Umkleide und bleibe schlitternd stehen bei dem Bild, das sich mir bietet. Der Vampir, den ich die ganze Zeit während des Trainings an Taejoos Seite gesehen habe, hat ihn gegen die Spinde gedrängt und die Fangzähne tief in Taejoos Hals vergraben. Der wiederum starrt mich erschrocken an, als er mich in der Tür stehen sieht.

„Yuta..." Taejoo rüttelt an seiner Schulter und der Vampir erstarrt. Ein paar Sekunden vergehen, dann entfernt er endlich seine Zähne aus Taejoos Hals und leckt über die Wunde, um sie zu schließen.

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