Kapitel 4 - Skylar

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Es ist die Nacht nach Vollmond und mein Körper fühlt sich noch immer reichlich geschunden an, deshalb erstaunt es mich umso mehr, wie Mark und Hendryk fröhlich grölend durch das Diner hüpfen können, um den Sieg ihrer Footballmannschaft zu feiern. Die beiden sehen aus wie das blühende Leben, während mir einfach nur alles wehtut von den vielen Meilen, die ich in der letzten Nacht gelaufen bin, anstatt zu schlafen. Meine einzige Erleichterung ist, dass Lewis ebenso fertig neben mir auf der Bank sitzt und in seinen Milchshake starrt, als würden dort sämtliche Geheimnisse des Universums ruhen.

Alle meine Freunde sind hier, um mit der Mannschaft ihren Sieg zu feiern, da eben jene Mannschaft fast nur aus Rudelmitgliedern besteht, die sich jetzt mit Burgern den Bauch vollschlagen, als gäbe es kein Morgen.

Seit fast einem Monat habe ich es nun schon geschafft Taejoo Oh aus dem Weg zu gehen. Ich habe mir über einige Kontakte seinen Stundenplan besorgt, seinen Trainingsplan, habe seine Freunde und ihn auf Social Media gestalkt und weiß alles über ihn, was es herauszufinden gibt. Seiner Mutter gehört ein koreanisches Restaurant in der Innenstadt, er ist halb Koreaner, halb Japaner, halb Mensch, halb Vampir, studiert Biophysik und ist im Leichtathletikteam als Läufer. Er hat genau zwei Freunde und keine anderen sozialen Kontakte. Es gab nicht viel über ihn herauszufinden und alles, was ich von anderen gehört habe, ist, dass er grundsätzlich mit niemandem etwas zu tun haben will und relativ unfreundlich ist.

Und wofür das alles? Nun, meinen Informationen haben ich es zu verdanken, dass ich ihm bisher noch kein weiteres Mal begegnet bin. Eine weitere Begegnung dieser Art und ich weiß nicht, ob er wieder in der Lage sein wird vor mir wegzulaufen. Ich meine, der Typ ist verdammt schnell, aber dieser leichte Wahnsinn, der mich jedes Mal überkommt, wenn ich ihn sehe, verleiht mir Kräfte, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Als ich ihn das erste Mal im Wald gesehen habe, war es, als hätten Raum und Zeit aufgehört zu existieren. In mir herrschte nur noch der Gedanke daran, ihn zu jagen und zu fangen, um ihn... um ihn zu beißen.

Ich vergrabe den Kopf in meinen Händen, als ich daran zurückdenke und ich bin dankbar, dass er mich fast mit diesem verdammten Stein erschlagen und es über den Zaun geschafft hat. Wir hätten uns nie wieder begegnen müssen. Der Wolf in mir hätte einfach vergessen können, wen er da gesehen hat. Jeder hätte sein eigenes Leben weiterleben können, wenn er nicht mitten im Flur meiner Fakultät aufgetaucht und mich wegen Holly angeschrien hätte. An seine Worte kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, nur an den Ausdruck in seinen dunklen Augen. Sie funkelten vor Wut und irgendetwas setzte in mir aus. Der Wolf übernahm abermals die Kontrolle und ich schäme mich immer noch, wenn ich mich daran erinnere, wie ich nur durch einen Schwall Wasser von meiner Raserei abgebracht werden konnte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass immer noch Nacktbilder von mir auf dem Unicampus kursieren. Was für eine Blamage.

„Du siehst müde aus. Alles okay bei dir?" Bekka stupst meine Hand mit ihrer an. Ihre neonblauen Haare sind zu einem wilden Durcheinander auf ihrem Kopf aufgetürmt.

„Hm?" Ich sehe auf. „Was hast du gesagt?"

„Alles in Ordnung mit dir?", fragt jetzt auch Naomi, deren Haare in einem leuchtenden Pink erstrahlen, damit Bekka und sie zusammenpassen. Sie sitzt neben Bekka und hat ihr die Beine auf den Schoß gelegt, damit sie sich an sie lehnen kann. Es ist zwei Jahre her, dass Bekka Naomi gebissen hat und sie somit Teil unseres Rudels geworden ist.

„Alles in Ordnung", sage ich matt. Außer der Tatsache, dass ich meinem Seelenverwandten begegnet bin und vor ihm davonlaufe, aus Angst ihn zu beißen. Niemand kann mir helfen und ihm auch nicht. Es ist unausweichlich, weil wir uns früher oder später doch begegnen werden. Dem Schicksal kann man nicht davonlaufen.

Moon LoversWo Geschichten leben. Entdecke jetzt