Ich kann ihn von hier aus sehen. Er steht am Fenster und sieht der Sonne dabei zu, wie sie träge hinter dem Horizont hervorkriecht und ihr Licht langsam aber sicher den Raum erhellt. Von hier aus wird Skylar in einen goldenen Schein getaucht und ich hasse es. Ich hasse es hier zu sein, bei ihm und dieses Gefühl in meinem Inneren zu haben, das ich nicht abschütteln kann. Es sind nicht nur die Schmerzen und mein Körper, der sich anfühlt, als hätte er den Kampf seines Lebens hinter sich. Es sind all die kleinen Bilder in meinem Kopf, die sich zu einer schrecklichen Gewissheit vereinen. Ich muss gehen. Sobald ich wach genug bin, um einen klaren Gedanken zu fassen, weiß ich, dass ich hier weg will. Sofort.
Also versuche ich mich aufzurichten, doch falle sofort zurück, als ein stechender Schmerz durch meinen Körper fährt, ausgehend von meiner Schulter. Ich kann nicht mehr verhindern, dass ein Laut meinen Lippen entschlüpft und ich somit Skylar auf mich aufmerksam mache.
Er fährt zu mir herum. „Du bist wach", sagt er und sein Gesichtsausdruck ist undefinierbar.
Ich antworte ihm nicht, sondern atme tief durch, bevor ich mich erneut versuche hinzusetzen. Diesmal wird mir schwarz vor Augen und ich wäre sicherlich einfach zurückgefallen, hätte er mich nicht am Arm gepackt.
„Vorsichtig", murmelt er leise und drückt mich sanft zurück auf die Matratze.
„Lass das." Ich entziehe mich ihm und bleibe einen Moment liegen, um dann einen neuen Versuch zu starten. Diesmal gelingt es mir, auch wenn Punkte wild vor meinen Augen tanzen, sobald ich sitze.
Skylar steht immer noch etwas verloren neben mir, als wollte er irgendetwas sagen, doch ich sehe ihn nicht an. Stattdessen begutachte ich den Verband auf meiner Schulter, unter dem sich die Wunde verbergen muss, die mir solche Schmerzen bereitet. Ich starre auf den weißen Stoff mit laut klopfendem Herzen und sehe, weiß, was sich darunter befindet, doch kann es noch immer nicht glauben. Will es nicht glauben. Wie von selbst hebe ich den anderen Arm. Ich muss ihn sehen. Den Biss. Meine Finger zittern, als vorsichtig das Ende des Verbandes löse. Weiter komme ich jedoch nicht, denn eine Hand legt sich über meine und zieht sie weg.
„Nicht." Skylar sieht mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Der Verband muss-"
Noch bevor er ausreden kann, entreiße ich ihm grob meine Hand. „Fass. Mich. Nicht. An." Meine Stimme bebt vor unterdrückter Wut und was auch immer er in meinen Augen sieht, lässt ihn leicht zurückweichen. Er tritt zurück und setzt sich auf die Bettkante des Bettes neben mir.
„Taejoo...", beginnt er, doch stoppt. Er sitzt da, in sich zusammengesunken und wirkt, als würde die ganze Last der Welt auf seinen Schultern ruhen. Nichts ist mehr übrig von seiner Selbstsicherheit. Stattdessen ist es, als wäre er endgültig besiegt. Schön, soll das schlechte Gewissen ihn bei lebendigem Leib auffressen. Soll er sich genauso beschissen fühlen wie ich mich.
„Du..." Ich fixiere ihn mit meinem Blick. „Erkläre mir das!" Ich muss es aus seinem Mund hören. Muss hören, dass er mir mit einem einzigen Biss meinen freien Willen genommen hat. Muss hören, dass es wahr ist, was er mir angetan hat.
Doch Skylar sagt nichts. Er sieht mich nur an, als würde er nach etwas in meinen Augen suchen. Was hat er erwartet? Dass ich ihm freudestrahlend um den Hals falle? Dankbarkeit?
„Jetzt!", bringe ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. In meinem Kopf dreht sich alles und meine Schulter pocht vor Schmerz, als hätte sie einen eigenen Herzschlag. Mein Geduldsfaden ist also verdammt kurz.
„Ich... Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht ganz, wo ich anfangen soll." Er fährt sich durch die Haare.
„Am Anfang wäre gut." Erst jetzt fällt mir so richtig auf, dass ich hier mit nacktem Oberkörper sitze und zerre mir deshalb die Decke bis unters Kinn.
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Moon Lovers
WerewolfTaejoo Oh ist ein Halbvampir und versteckt sich, seit er mit seiner Mutter vor seinem Vater aus Tokio geflohen ist, in Seattle und studiert. Dort trifft er auf den Werwolf Skylar Jones, der sich, sobald sie sich das erste Mal sehen, verwandelt, um i...