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Alec stand an der Tankstelle und wartete das genug Bezin seinen schwarzen Waagen füllte.
Er war nie ein besonderer Autofan gewesen, aber als seine Geschwister ihn beraten hatten, mussten sie natürlich eins der teuersten Autos nehmen was sie finden konnten.
Nicht das es ein Problem darstellte, denn Alec verdiente mehr als gut, aber trotzdem fühlte er sich manchmal unwohl damit es so zu zeigen.

Er wusste wie es war nur wenig Geld zu haben, denn als er jung war ging es seiner Familie noch ganz anders.
Natürlich hatten seine Eltern 4 Kinder durchdringen müssen und auch nicht die besten Jobs der Welt gehabt, aber ein Großteil des Geldes war auch für die Zigaretten seiner Mutter und das Trinken seines Vaters draufgegangen.
Maryse und Robert waren keine schlechten Eltern, das wusste er, nur eben auch keine besonders guten.

Alles was er jetzt hatte, hatte er sich selbst erarbeitet.

Als sein Tank voll war und er den Schlauch zurückgehängt hatte, ging er langsam zu dem kleinen dazugehörigen Laden um zu bezahlen.

Es war schon dämmrig und die Pfützen auf dem Boden waren Zeuge des Regens, der vor noch etwa einer halben Stunde gefallen war. Die Nachtluft traf kühl auf seine Haut und er konnte den stechenden Geruch von Benzin wahrnehmen.
Etwas abseits, neben der Tür, sah er einen Obdachlosen liegen, der sich in einer alten, kaputten Jacke zusammengekauert hatte.
Vermutlich drang durch die dünnen Wände der Tankstelle etwas Wärme und im Schein des künstlichen Lichts fühlte man sich etwas sicherer.
Der kleine Vorsprung des Daches schütze vor den noch immer einzelnen Tropfen.

Als er den Laden betrat herrschte gleich eine ganz andere Atmosphäre. Alec waren solche Momente schon immer aufgefallen. Der Lärm von Autos und der allgemeinen Stadt wurde gedämpft und durch das Surren der Deckenlichter ersetzt. Es war wärmer und deutlich heller.

Er bezahlte seine Rechnung und wollte wieder gehen, als ihm die Person vor der Tanke einfiel.
Also bat er noch um einen warmen Kaffee, eine Flasche Wasser und ein belegtes Brötchen.
Würde es eine Decke oder ähnliches gegeben, hätte er auch dies gekauft, aber es war nur ein kleiner Laden in dem es eher Schnöckerkram gab als Dinge die man wirklich brauchte.

Als er hinaus trat überkam ihn sogleich wieder die kalte Atmosphäre, welche manchmal auch was schönes haben konnte, auf Dauer aber einfach nur deprimierend war.
Er blickte zur Seite, wo die Gestalt eingewickelt an der Hauswand lehnte und zu schlafen schien.

Möglichst leise, um den Mann nicht zu wecken stellte er das heiße Getränk und die anderen Sachen vor ihm ab. Er ärgerte sich, das er nicht nachgedacht hatte und der Kaffee vermutlich längst ausgekühlt sein würde wenn der andere erwachte, aber nun war es sowieso zu spät.

Er konnte das Gesicht seines Gegenübers nicht erkennen, da es zu sehr in der Jacke vergraben war, aber obwohl er schließ war ein deutliches Zittern zu erkennen.
Kurz überlegte er, aber dann nahm er seinen Schal ab und legte ihn zusammen mit etwas Geld ebenso auf den Boden.

Er erinnerte sich an etwas was Max, sein jüngster Bruder ihn mal gefragt hatte:
"Wenn man etwas gutes tun kann, warum tut man es dann oft trotzdem nicht?"

Seither hatte Alec immer darüber nachgedacht und sich dazu entschlossen wirklich etwas gutes zu tun wenn er die Chance dazu hatte. Z.B. durch kleine sachen wie einem Obdachlosen helfen. Denn wie oft ging man einfach vorbei oder sah weg?

Alec begab sich aus der Hocke wieder in eine stehende Position, denn immerhin musste er noch zu Izzy fahren und war schon spät dran.
Seine kleine Schwester hatte sich unbedingt mit ihm und ihrem Adoptivbruder und gleichzeitig Alecs bestem Freund, Jace, treffen wollen, da sie wohl jemanden aus der Vergangenheit wiedergetroffen hätte.
Um welchen jemand es sich dabei handelte hatte sie nicht verraten, weshalb Alec ein wenig skeptisch war. Wenn sie ein Wiedersehen veranstalten wollte, konnte es schließlich nicht einfach irgendwer sein.

Also drehte er sich in Richtung seines Autos und wollte sich gerade in Bewegung setzten, als er jemanden hinter sich
"Danke"
sagen hörte.

"Keine Ursa-" begann er als er sich zurück zu dem Mann drehte, stockte aber. Das Gesicht vor ihm kam ihm irgendwie bekannt vor.

Auch wenn die Haare etwas zerzaust waren und Bartstoppeln das Gesicht vor ihm zierten, so hatten die Augen etwas eigenes. Etwas was er ganz sicher schonmal gesehen hatte und mit dem er nichts Gutes verband.

Sein Gegenüber sah ihn dankbar und noch etwas verschlafen an. Als Alec nicht weitersprach zog er leicht fragend die Augenbrauen zusammen.

Alec suchte immernoch nach dem fehlenden Detail um das Gesicht vor ihm zuordnen zu können, fing sich allerdings wieder.

"Kann es sein das wir uns kennen?" fragte er schließlich frei heraus und der Mann vor ihm blickte auf. Vermutlich verwirrt und überrascht von der Frage lächelte er ihn amüsiert an und plötzlich viel es Alec wie Schuppen von den Augen.

Er kannte dieses Grinsen, wenn auch in etwas gehässiger und es ließ ihn innerlich erfrieren. Er spürte die Angst von damals seine Knochen hinaufklettern, bis sich die Panik dunkel um sein Herz legen konnte.
Er war es.

"Nicht das ich wüsste" sagte sein Gegenüber.
Er erinnerte sich nicht. In den paar Sekunden die er vom lachen bis zur Antwort gebraucht hatte, war Alecs Gehirn von Erinnerungen überflutet worden. Schreckliche Erinnerungen, die er lange versucht hatte hinter sich zu lassen. Wie von selbst fuhren seine Finger über die kleine Narbe an seinem Kinn. Er hatte ihm so viel Schmerz bereitet, ihn so leiden lassen wie niemand sonst, und trotzdem erinnerte er sich nicht an ihn.
Er hatte ihn vergessen und das obwohl Alec ihn niemals würde vergessen können.

Alec merkte das er die Luft angehalten hatte und wie erstarrt war. Obwohl er wusste das der andere sich nicht erinnerte und nichts geschehen würde hatte sein Gehirn den Plan Flucht entworfen. So schnell es geht wegrennen, ins Auto und einfach so weit wie möglich wegkommen.
Und letzten Endes gewann die Panik.

Then and NowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt