Love&Anarchy

2. Kapitel

Während wir am Esstisch sitzen frage ich meine Eltern, ob ich mir meine Haare färben darf. „Warum das denn? Du hast doch tolle rote Haare", sagt sie entgeistert,„ und außerdem, weißt du, dass wir für solche Sachen kein Geld haben." Ich seufze einmal laut auf und schaue dann zu meinem Dad. „Schau mich bloß nicht so an. Du weißt, dass deine Mutter recht hat. Letztes Jahr hast du deinen Lippenpiercing bekommen. Der war auch nicht gerade billig! Wenn du mal Geld verdienst, wirst du das schon feststellen", sagt er mit einer Stimme, die keine Wiederrede erlaubt. Ich antworte:„ Ja ich weiß. Ich hab ja bloß gefragt." „Ich weiß", sagt meine Mum mit weicher Stimme.
Nach dem Essen geht mein Dad ins Wohnzimmer um die heutige Zeitung zu lesen. Während meine Mum und ich das Geschirr wegräumen, sagt sie, dass sie jetzt duschen geht und danach die Wohnung mit meinem Dad sichert.
„Okay. Ich gehe jetzt in mein Zimmer und versuche diese Nacht durchzuschlafen", antworte ich. Sie nickt. „Gute Nacht Mum," sage ich und gebe ihr noch einen Kuss auf die Wange.

Als ich die Tür zu meinem kleinen und spärlich eingerichteten Zimmer schließe, schaue ich auf die Uhr. Es ist 20:20 Uhr. Noch 40 Minuten bis zur diesjährigen Purg.
Jetzt muss ich mich aber beeilen, denke ich und gehe zu meinem Kleiderschrank um eine schwarze Kapuzenjacke und einen Rucksack herauszuholen. Ich überprüfe noch einmal, ob ich auch alles eingepackt habe. Danach ziehe ich meine Jacke an und warte auf das Geräusch von fließendem Wasser. Als es nach 10 Minuten endlich anfängt in der Wand zwischen meinem Zimmer und dem Badezimmer zu rauschen, hänge ich mir den Rucksack über die Schultern und öffne so leise wie möglich meine Zimmertür. Ich lausche ins Wohnzimmer, dort sitz immer noch mein Dad, der seine Zeitung liest. „Bis morgen früh. Ich hab dich lieb", forme ich lautlos mit den Lippen.
Ich schleiche zur Wohnungstür und schlüpfe lautlos ins Freie.
Ich atme tief durch. Jetzt gibt es kein zurück mehr...