-9- Bei den Wölfen

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"Halt!", Leon blieb stehen.
Vor uns erhob sich die Festung der Wölfe.
Es war still hier, als würden alle schon schlafen. Nur das Krächzen der Krähen war zu hören.
Verwirrt blickte ich Maxi an, doch der zuckte auch nur mit den Schultern. Wir hatten ehrlich gesagt einen anderen Empfang erwartet.

"Die schlafen ja alle. Die sind schon im Bett", sagte Marlon belustigt.
"Dann wecken wir sie halt wieder auf", entschied Leon und alle sahen vielsagend zu Nerv.
"Aber gerne doch, Leon."
Und schon konnte die Show losgehen. Mit lauten Motoren und viel Gedröhne aus den Boxen fuhren wir auf das Tor von Ragnarök zu, als sich plötzlich monsterähnliche Skelette vor uns aufbäumten.
"Jetzt!", rief jemand und blitzschnell waren diverse Bögen und Kanonen auf uns gerichtet.

"Dafür bin ich zu alt", kommentierte Marlon nur und Leon stimmte ihm zu.
"Hallo Erik", begrüßte unser Anführer den der Wölfe, "Ich bin's, Leon, der Slalomdribbler." Er nahm seinen Helm ab und Marlon tat es ihm gleich.
"Und ich bin Marlon, sein Bruder, die Nummer 10."
"Wir sind gekommen, um Fußball zu spielen."
"Aber wenn ihr euch weiter ins Hemd macht, drehen wir auf der Stelle sofort wieder um."

"Habt ihr das alle gehört? Die Wilden Kerle ziehen den Schwanz ein!", antwortete die Jüngste der Wölfe Leon und Marlon und die Wölfe lachten.
"Sag das noch ein Mal und ich verspreche dir, ich zeige dir den Seifallflugvolley-Dampfhammerbooster!", versuchte Nerv einen guten Konter zu landen, was aber ziemlich misslang.
"Na dann bleibt uns ja nichts anderes übrig", verkündete Erik und die Zugbrücke wurde heruntergelassen.

Langsam fuhren wir durch das Tor.
Überall waren bewaffnete Wachen, Kanonen und Präparate zum nachladen zu sehen.
"Also vor irgendwas haben die hier ganz große Angst."
"Dafür lege ich meine Beine ins Feuer."
"Aber leider haben sie keine Angst vor uns", stellten wir entgeistert fest.

Wir stellten die Motorräder auf die Seite und sahen uns ehrfürchtig um. Die Stimmung war sehr ernst und wurde auch nach den missglückten Witzen von Leon und Marlon nicht besser.
"Kommt, wir bauen unser Lager auf", schlug Maxi vor, "in einer Stunde wird's hier Nacht."

Jeder suchte sich einen Platz zum schlafen und packte seine Sachen aus. Raban und Joschka sorgten durch eine von ihren Erfindungen für Strom. Sie setzten drei Hamster in Räder, die liefen los und etliche Rädchen fingen an sich zu drehen. Das Licht begann zu flackern und schließlich leuchteten alle Glühbirnen auf. Beeindruckt sahen wir uns um.
"Nur können wir das nicht lange genießen", zog ich alle Aufmerksamkeit auf mich, während ich mich an den Tisch in der Mitte des Raums setzte.
"Wir werden sonst verhungern, hörst du", sprach Maxi zu seinem Bruder und ließ sich neben mir nieder. Wie aufs Stichwort servierte uns Nerv die aus Popkornbonbons entstandene Schinken-Salami- und Hawaii-Pizza. Vanessa probierte die Wünsch-dir-was-du-willst-Brause aus, als Erik unser Lager betrat und Leon für ein Gespräch mit sich nehmen wollte.
"Sorry, aber wir sind alle ein Team", meinte Leon nur und blieb sitzen, damit Erik es uns allen erzählen würde.
"Und so soll es auch bleiben", meinte dieser aber nur und so ging Leon doch mit ihm.

Von seinen Worten beunruhigt, blieben wir anderen zurück.
"Maxi?", fragte ich meinen Freund, als wir uns etwas von den anderen zurückgezogen hatten, "Was denkst du meinte Erik eben damit?"
"Ich weiß es nicht", gab er zu und nahm mich in den Arm. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und wir beobachteten, wie Vanessa und diese Klette, die eigentlich zu den Wölfen gehörte, Nerv veräppelten.

Doch die wieder heiter gewordene Stimmung wurde sofort zerschlagen, als Leon zurück kehrte. Seine ernste Miene sprach Bände über die Ernsthaftigkeit des Gespräches, doch er wollte uns nicht sagen, worum es genau ging.
Was sollte so ein Verhalten denn jetzt? Jeder merkte, dass es mehr als genug zu bereden gab, doch Leon schwieg nur vor sich hin.
"Ich dachte, wir haben keine Geheimnisse", versuchte schließlich Maxi ihn zum reden zu bringen. Er stand auf und sah ihn erwartungsvoll an.
"Da hast du recht", gab Leon schließlich nach, "Er wollte mir Angst machen. Doch in Wirklichkeit hat er nur Schiss...", versuchte er sich zu retten, doch jeder merkte, dass nichtmal er selbst von seinen Worten überzeugt war. Und die ganze Wahrheit war das sicher auch nicht gewesen.
"Er hat schiss, dass er morgen verliert", versuchte Marlon seinem Bruder bei zu stehen und dieser sah ihn dankend an.
"Was ist denn los mit euch? Los, ab in die Federn. Oder wollt ihr unseren größten Sieg am Ende verschlafen?"

Immer noch mit einem mulmigen Gefühl um Magen legte ich meine Hand auf Maxis und wir gingen zu unseren Hängematten.
"Ich habe Angst", flüsterte ich ihm zu, als ich mich zum schlafen an ihn ran gekuschelt hatte.
"Ich auch, Chrissy." Es beruhigte mich irgendwie, ihn meinen Namen sagen zu hören.
Mit meiner Hand in seiner fand auch ich irgendwann ein wenig Schlaf, während seine wachsamen Augen auf mir ruhten.

"Guten Morgen, Chrissy", weckte mich Maxi mit einem zarten Kuss auf die Wange auf.
"Ist es echt schon Zeit auf zu stehen?", fragte ich verschlafen. Ohne auf eine Antwort zu warten schwang ich meine Füße aus der Hängematte und sprang auf. Doch das war ein riesiger Fehler, denn sofort wurde mir schwindelig und ich taumelte mit dem Rücken gegen etwas.
"Hey, vorsichtig Kleine. Wir brauchen dich gleich spieltüchtig da draußen", lachte mein Freund hinter mir und gab mir einen Kuss, bevor er weiter nach vorne ging.

Ich schnappte mir schnell meine Sachen und zog mich an, als Vanessa auf mich zu kam.
"Morgen. Können wir reden?", fragte sie knapp und ich nickte nur. Wir setzten uns ans hinterste Ende des Raums und sie begann aufgeregt zu erzählen.
"Mir hat Leons Verhalten gestern keine Ruhe gelassen und als ihr alle geschlafen habt, habe ich ihn zur Rede gestellt."
So durcheinander wie sie klang, wollte ich sie nicht unterbrechen.
"Er hat mir erzählt, was Erik wirklich von ihm wollte. Erik hat gesagt, dass alles vorbei ist, wenn wir morgen gewinnen. Und da wollte ich wissen, ob damit auch das mit ihm und mir gemeint war. Er fragte mich nur, ob er deshalb absichtlich verlieren soll, aber da drauf wusste ich keine Antwort mehr. Mensch Chrissy, was soll ich denn jetzt machen?"
"Ich... ich weiß auch nicht...", stotterte ich nur vor mich hin, in dem Versuch zu verarbeiten, was Vanessa mir da gerade erzählt hatte.
"Ich dachte nur, du solltest das vielleicht auch wissen, wegen.."
"Wegen Maxi." Sofort schoss Angst durch meinen Körper. Vanessa versuchte noch irgendetwas zu sagen, doch meine Gedanken kreisten nur noch um Maxi und das, was sie mir eben erzählt hatte.

Das konnte doch nicht sein. Ich hatte Maxi gerade erst bekommen und sollte ihn schon wieder verlieren? Dann erinnerte ich mich, was ich mir bei unserem Aufbruch geschworen hatte.

Entschlossen, alles zu geben um Maxi nicht zu verlieren, ballte ich die Fäuste und folgte Vanessa nach draußen.

Maxi und ich und die Wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt