-12- "Ich liebe dich"

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POV Vanessa

Chrissy's Kakao hatte echt gut getan. Ich hätte ihn auch gerne länger genossen, aber die aufkommende gute Stimmung wurde je zerstört, als wir auf Motorgeräusche aufmerksam wurden. Wir rannten auf den Platz im Zentrum von Ragnarök, auf dem wir zuvor noch das Turnier ausgetragen hatten, und konnten nurnoch dabei zusehen, wie die Wölfe ihre Festung verließen.
"Fahrt nach Hause!", reifen sie uns noch zu.
"Und du, Vanessa", richtete Freya ihre Worte noch an mich, "du solltest Leon vergessen. Mach nicht den selben Fehler wie ich damals. Vergiss ihn. Du hast ihn längst an Horizon verloren!" Und mit diesen Worten fuhren alle davon.

Etwas blieben wir anderen abermals allein uns verlassen zurück.

Die andern wollten sich etwas umschauen, doch ich ging direkt wieder in unser Lager. Ich hatte keine Lust, mich mit diesem Ort und den Schauergeschichten auch nur eine Minute länger zu beschäftigen als nötig.

Plötzlich kam auch Chrissy gefolgt von Maxi herein. Sie schienen mich nicht vemerkt zu haben und so gerötet, wie Chrissy's Augen waren, wollte ich beiden auch nicht stören. Von meinem Schlafplatz aus konnte ich das Geschehen allerdings gut sehen und hören.


Chrissy hatte ein schlichtes, aber superschönes schwarzes Kleid angezogen, in dem sie wirklich atemberaubend aussah und betrachtete sich darin in dem großen Spiegel.
"Haben wir vielleicht noch etwas von unserem Kakao übrig?", fragte sie Maxi mit zittriger Stimme und wischte sich eine Träne von der Wange.
"Nein, das war der letzte", antwortete er ihr ruhig und trat hinter sie.

Die beiden waren wirklich ein schönes Paar. Sie ergänzten sich einfach super. Doch gerade schien irgendetwas nicht zu stimmen.

"Ich habe Angst, Maxi", gab Chrissy zu und schaute auf ihre Schuhe. "Nach dem Tag im See hatte ich Vanessa und Leon für perfekt und unzertrennbar gehalten. Aber jetzt... jetzt ist Leon doch weg."
"Und vor was fürchtest du dich deswegen?", fragte Maxi und strich ihr beruhigend über die Schulter. Chrissy drehte sich um und stand nun genau vor ihm.

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POV Chrissy

Ich drehte mich um und sah in seine wunderschönen und perfekten Augen, im die ich mich so verliebt hatte. Immer, wenn ich ihn ansah und mich seine Augen so frech und glücklich anblitzten, konnte ich es immernoch nicht fassen, dass er wirklich mein Freund war.
Doch jetzt stand ich hier und zweifelte. Zweifelte an ihm und seiner Treue zu mir.

Leon war schon gegangen. Er hatte Vanessa schon zum zweiten Mal im Stich gelassen. Ihre Beziehung hatte auf mich so perfekt gewirkt und jetzt? Leon war gegangen. Er hatte sich gegen Vanessa und für den Wettkampf... für Horizon, entschieden.

Ich blickte also in seine Augen und fragte ihn das, was mir seit Leons verschwinden auf der Seele brannte.
"Wärst du weg gegangen, wegen Horizon?"
Ich konnte nur dabei zusehen, wie seine Augen sich mit Tränen füllten.
"Nein, ich würde dich niemals verlassen", antwortete er mir mit brüchiger Stimme.
Sofort viel ich ihm in die Arme und wir drückten uns ganz fest aneinander.
Spätestens in diesem Moment wusste ich, dass ich für immer mit diesem Jungen zusammen bleiben wollte.

"Ich liebe dich", flüsterte ich. Diese Worte hatte ich noch nie ausgesprochen. Schon öfter hatte ich gedacht, dass ich ihn liebte, doch so sehr wie jetzt in diesem Augenblick war es mir nie bewusst gewesen.
Er drückte mich sanft von sich weg und sah mir tief in die Augen. Ich hatte das Gefühl, er könnte direkt in meine Seele blicken.
"Ich liebe dich auch", flüsterte er und ein sanftes Lächeln lag auf seinen Lippen. Er bäugte sich ein wenig zu mir herunter und gab mir einen Kuss. Es war aber kein Kuss wie die Male vorher. Nein. Es schien, als würde er all seine Liebe in diesen einen Kuss packen. Es war einfach atemberaumend schön.

Als wir uns voneinander lösten, sahen mich seine Augen nochein letztes Mal an, bevor ich ihn wieder in eine innige Umarmung zog. Dieser Augenblick war einfach zu perfekt um wahr zu sein.

Nach Minuten, in denen wir einfach nur so da standen und uns in den Armen hielten, durchbrach auf einmal ein Geräusch die Stille. Vanessa machte sich an ihrem Schlafplatz bemerkbar.
"Die anderen kommen zurück." Sie deutete auf den Eingang und wir konnten den Rest der Kerle reden hören. Kurz bevor sie herein traten, hatten wir uns noch schnell die getrockneten Tränen von den Wangen wischen können.

Als die anderen endlich schliefen, setzten Vanessa, Maxi und ich uns zusammen, um zu beraten. Immerhin hatte unser Anführer uns schonwieder verlassen und wir waren nunmal die Ältesten und in der Rangordnung, wenn es sowas denn bei uns gab, direkt unter ihm standen.
"Was machen wir jetzt?", fragte ich in die Runde und blickte die anderen beiden ernst an.
"Also ich verschwinde morgen", köndigte Vanessa an, "Ich will nicht dabei sein, wenn hier alles unter geht."
Damit war wohl alles gesagt. Maxi und ich blickten uns kurz an. Ich war zwar der selben Meinung wie Vanessa, doch er schien anders zu denken, sagte aber nichts mehr.

Am nächsten Morgen begannen wir, unseren Plan in die Tat umzusetzen. Beim Packen der Motorräder kamen Raban und Joschka gerade zähneputzend aus unserem Lager gestapft. Verdutzt ließen beide ihre Zahnbürsten sinken und schauten zwischen uns Dreien hin und her.
"Leon und Marlon sind zuerst abgehauen", rechtfertigte ich uns, auch wenn niemand eine Frage gestellt hatte.
"Deswegen lasst ihr sie jetzt im Stich!", hörten wir den Vorwurf vom Nerv, den den anderen beiden nach draußen gefolgt war.
"Wir lassen sie bei Horizon", entgegnete Vanessa nur wütend.
"Und wenn ich euch einen Rat geben darf, dann kommt ihr jetzt mit, sonst wird es die Wilden Kerle ab jetzt nichtmehr geben", wollte ich die anderen überreden, denn es hatte keinen Sinn mehr, hier in Ragnarök zu bleiben.
Die Argumente und Beschimpfungen, die uns hinterher geworfen wurden, konnten wir wegen den Motorgeräuschen unserer Cross-Räder nichtmehr hören. Und das war wahrscheinlich auch besser so.

Vanessa blieb ein letztes Mal stehen und drehte sich um, als sie die anderen wegfahren sah. Doch sie folgten nicht uns, sondern schlugen die selbe Richtung ein, die Leon und Marlon gewählt hatten, als sie davon gefahren waren.
"Ich hätte niemals absichtlich verlieren dürfen", hörte ich Vanessa murmeln.
"Dann musst du jetzt fahren", antwortete ich ihr und sah sie aufmunternd an.
"Und was ist mit euch?"
"Jetzt hau schon ab", entgegnete ich ihr nur lachend und sah ihr hinterher, als sie davon fuhr.

"Komm mit", meinte Maxi daraufhin und folgte dem selben Weg zurück, den wir gerade erst gekommen waren. Ich hatte zwar keine Ahnung, was er vor hatte, doch nach gestern Abend vertraute ich ihm blind und so folgte ich ihm sofort, ohne sein Handeln ein einziges Malnzu hinterfragen.

Zurück in Ragnarök empfing uns Stille. Alles war in Nebel gehüllt und wirkte so, als wäre dieser Ort seit Jahrhunderten von keiner Menschenseele betreten worden. Kurz gesagt, es war absolut gruselig hier. Der perfekte Ort, um einen Horrorfilm zu drehen.
Automatisch umschloss meine Hand die von Maxi noch etwas fester, während ich ihm in unser altes Lager folgte.

"Ich denke nicht, dass wir fahren sollten", fing Maxi an, während wir uns auf ein Sofa setzten. "Leon und Marlon brauchen uns."
"Sie haben uns verlassen", erinnerte ich ihn.
"Ja und? Unser ganzes Team ist ihnen gefolgt, um sie zu unterstützen. Sogar Vanessa hat Leon verziehen und will ihm helfen. Mensch Tess, wir sind doch keine Kinder mehr. Wir sollten aufhören mit solchem Kinderkram, wer wann wen wie oft verlassen hat. Unser Team braucht uns. Unsere Freunde brauchen uns. Vanessa braucht dich."

Bei seine Worten fing ich an zu überlegen. Wahrscheinlich hatte er recht. Ich dachte an die Geschichte, die uns die Wölfe erzählt hatten und dachte an Horizon. Sie würde sich bestimmt nicht kampflos geschlagen geben. Sie hatte es schoneinmal geschaft, Liene und Freundschaft zu brechen, ja, sogar die Bruderliebe zwischen Erik und Jaromir. Sie hatte bestimmt noch ein Ass im Ärmel, um alle wieder auseinander zu treiben und einen Keil zwischen Leon und Marlon zu schieben. Das durften wir auf keinen Fall zulassen. Wir waren immerhin die Wilden Kerle. Wir waren stärker als sie. Wir wären stärker als jeder.
"Okay." Ich blickte Maxi entschlossen an. "Gehen wir und schießen diese Silberlichten auf den Mond." Maxis Augen blitzen begeistert auf. "Und dannach direkt in die Hölle", antwortete er mir und wir liefen zu unseren Motorrädern.

Hoffentlich kamen wir nicht zu spät

Maxi und ich und die Wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt