6. Wo wärst du nun?

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Kaum stand die Sonne wenige Zentimeter über dem Horizont und tauchte somit alles in ein gelbliches Licht, hatte Peter die Augen aufgeschlagen.
Für einen Moment hatte er gehofft, dass das ganze ein Traum gewesen war und er eigentlich in seinem weichen Bett lag, wobei der harte Untergrund ihn vom anderen überzeugte.

Er stöhnte und richtete sich vom unbequemen Untergrund auf.
Er würde im Moment alles dafür geben, die Uhrzeit wissen zu können. Er war nicht sehr bewandelt darin, die Zeit abzuschätzen.
Das Feuer, dass Tony gestern Abend gemacht hatte war nun schon eine ganze Zeit lang erloschen und ließ nichts als verkohltes Holz und Asche zurück.

Es reichte dem Teenager, auch nur einen kurzen Blick auf den Älteren zu werfen, da wusste er, dass dieser noch tief im Land der Träume versunken war.
Doch Tony schien ziemlich unruhig zu sein, vermutlich waren die Träume, die er hatte, nicht besonders schön.

Nach kurzer Überlegenszeit stand Peter auf seinen Beinen, die im Vergleich zu seinem Verstand noch ungeheuerlich müde waren, und blickte auf den Strand hinab.
Dieser war bereits komplett in das helle, warme Sonnenlicht getaucht worden, sodass der einzige Schatten von kleinen unebenheiten im Sand kommen konnte.

Peter wusste nicht, was genau er nun tun sollte. Wäre er zuhause, hätte er sich die Decke erneut bis zum Hals gezogen und weiter geschlafen, doch das schien ihm hier unmöglich, geschweige davon, dass er keine Decke hatte.
Er beugte sich grummelnd hinunter um in den Rucksack greifen zu können, in dem er am vorherigen Tag alles mögliche verstaut hatte.
Er griff das rote Taschenmesser und trottete in die Richtung, in der der dschungelartige Wald anfing.

Tony meinte, sie sollen sich einen Unterschlupf zusammenbasteln, also würde sich Peter etwas Umschauen, um möglicherweise etwas zu finden, das sie dafür benutzen könnten. Am Anfang war hauptsächlich eher nutzloses Grünzeug am Boden, das dort in aller Ruhe vor sich hin vegetierte.
Peter sah Dinge wie Lianen, robuste Gräser und Farne, doch es dauerte seine Zeit, bis er Bambusartige Pflanzen vorfand, begleitet von einem kleinen Bach, der kristallklares Wasser führte.

Er hantierte erst etwas ungeschickt mit dem kleinen Messer herum, bis er eines der stabilen Gewächse abgetrennt hatte. Dies tat er schließlich mehrere Minuten lang.

Zum schluss band er einen ganzen Haufen der abgetrennten Bambushalme mit einer lianenartigen Pflanze zusammen und schleppte das ganze so zurück durch den Wald, in dem er sich unterwegs Farne und andere Gewächse unter den
Arm klemmte.

Er summte eine ausgedachte Melodie vor sich her, während er dem kleinen Bach zurück folgte, den er sich später noch am liebsten vornehmen wollte, wenn nicht sogar zusammen mit Tony, falls dieser weiterhin bereit dazu wäre, seinen onehin schon kaputten Fuß zu belasten.

Peter schätzte die Zeit, die er zurück brauchte auf wenige fünf bis Zehn Minuten ab. Das Rauschen des Meeres und der glitzernde Sand kamen ihm in Erscheinung.
Er spurtete etwas voran, sprang über die letzte Wurzel und sah bereits das kleine Lager, wenige Meter vor sich.

Tony saß gegen eine Palme gelehnt auf dem harten Boden und begrüßte Peter, als er diesen aus seinem Augenwinkel aus sah,
" Hallo, Kleiner. Schon unterwegs?"

Peter ließ das Zeug, das er noch immer unter seinen Arm geklemmt hatte, fallen und trottete auf die ausgebreitete Jacke zu, die ihm in der Nacht als Matratze gedient hatte.

" Naja, du meintest wir sollten einen Unterschlupf bauen und ich dachte mir, dass ich vielleicht schon etwas dafür tun könnte?",
meinte der Teenager und blickte Tony an, der sich abwesend sein geschwollenes Fußgelenk rieb.

" Und Ich hab unterwegs einen Bach gefunden. Vielleicht bringt der uns ja was?"

Tony nickte und lächelte den Jüngeren an.

***

Vorsichtig band Tony sitzend die größeren Äste und Bambuspflanzen mithilfe der Lianen und gräser aneinander, sodass nach längerer Zeit bereits mehrere, halbwegs nutzbare Wände entstanden waren, während Peter sich etwas abseits nach weiteren Materialien umschaute.

Beide waren der derzeitigen Hitze seit mehreren Stunden bereits komplett ausgesetzt, obwohl sich beide derzeit im Schatten aufhielten und ebenso schon ihre T-Shirt's oder Hemden abgelegt hatten.
Jeder hatte heute bereits eine weitere Flasche Wasser getrunken, sodass jedem noch zwei übrig blieben.

Tony band im Moment die vierte Platform aus den restlichen Materialien beisammen und ließ sich, als er damit fertig war, erschöpft auf den Rücken fallen, den Stein ignorierend, der seine Haut aufschürfte.
Er seufzte und verdeckte sein Gesicht mit seinen Armen, während er an Zuhause dachte.
Oder daran, wo er nun eigentlich sein sollte.

Unbemerkt schlich sich der Teenager mit einer Hand voll weiterer Bündel an den Geschäftsmann heran und ließ sich neben diesem nieder,

" Alles in Ordnung?"

Tony lugte unter seinen Armen hervor und blickte den Jungen an, der mit dessen jungem Alter sein Sohn sein könnte.
" Hm...Denkst du auch oft daran, wo du jetzt eigentlich sein solltest?", stellte Tony in Frage.

Peter verzog sein Gesicht zu einem nachdenken den Ausdruck,
" Ja...schon. Und an mein Eltern...Ich hoffe, es geht ihnen gut...wo immer sie sind."
Er fügte den letzten Part flüsternd hinzu. Er wusste genau, dass seine Eltern einen Sturz mitten ins Meer wohl kaum überleben würden.
Tony ging nicht weiter darauf ein.

" Wo wärst du jetzt eigentlich?", fragte Peter neugierig und beäugte den Älteren.

" Deutschland.", murmelte Tony ermüdet.
" Irgend eine wichtige Firmensache...und du, Kleiner?"

Peter räusperte sich,
" In Italien. Das wäre mein erster richtiger Urlaub gewesen und Ich hab mich eigentlich wirklich darauf gefreut. Man sagt, Italien sei wirklich schön..."

Tony lächelte und nickte,
" Das stimmt. Es ist schön, egal wo man ist..."

" Warst du dort bereits?", wollte Peter wissen, woraufhin Tony erneut nickte.

" Mhm...Mein Heimatland, Ich bin dort aufgewachsen und als Teenager mit meinen Eltern nach Amerika gezogen. Ich war damit eigentlich nicht wirklich einverstanden, aber meinem Vater war das Geschäft schon immer sehr wichtig.",
Tony satzte sich grummelnd auf und Zupfte an einer der zusammengebundenen Plattformen herum,
" Und? Wo hin genau?"

" Rom, danach nach Florenz und Venedig. So eine Art Road trip.", antwortete der Teenager und spielte mit seinen Händen,
" Ich glaube wir sollten mal weiter machen, oder?"

Tony bejahte und beide machten sich wortlos zurück an die Arbeit.
Es wurde Geflochten, geschnitten und zusammengebunden und es entstanden Plattformen und Matten aus Grünzeug, die die beiden am ende Geschickt zu einem kleinen Unterschlupf zusammen zimmerten.
Sie rückten alles Mögliche was sie unter den Palmen stehen hatten in das neue Lager und ruhten sich auf blätternen Polstern, die auf den Plattformen platziert wurden und von einer Art schrägem Dach von jeglicher Sonne geschützt wurden, aus.








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