9. Ich bin für dich da

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Es vergingen Tag um Tag und umso mehr Zeit auf dieser gottverdammten Insel verging, desto mehr verschwommen die Tage ineinander. Peter, sowie auch Tony hatten schon lange aufgegeben, die Tage zu zählen, den es brachte ihnen rein gar nichts.
Es sei denn, sie würden noch verzweifelter werden wollen.

Die Tage waren zu Großteil immer gleich, weshalb es so leicht für diese war, ineinander zu gleiten.

Peter kümmerte sich, wie immer, um die Nahrung, war allerdings nicht jeden Tag erfolgreich. Es war schwer mit grummelndem Magen mitten in der Sonne zu stehen, auf einem Stein, der deine Fußsohlen zum brutzeln brachte. Dann war da natürlich noch die Müdigkeit, die nicht nur Peter zu schaffen machte.

Er wusste allerdings nicht, ob diese von dem fehlenden essen, der Dehydrierung, oder den Nächten kam, die er schlaflos verbringen musste, da er in seinen Träumen immer und immer wieder Zeuge davon wurde, wie seine Familie von einem Tag auf den anderen aufhörte zu existieren.

Er wusste nicht, ob Tony von seinen Schlafproblemen mitbekam, aber um ehrlich zu sein, war es Peter um vieles lieber, wenn Tony dies einfach gar nicht hinterfragte.
Er wollte dem Mann nicht noch mehr Sorgen aufbinden. Er machte sich bereits genug.

Tony...
Tony, ohne den Peter vermutlich schon lange den Verstand verloren hatte.
Tony, der sich nicht um sein eigenes Wohl scherte, um Peters jedoch umso mehr.
Tony, der immer darauf bestand, das Peter als erster satt werden sollte, wobei er doch selbst auch etwas zum Essen benötigte.
Tony, der für Peter zu einer wichtigen Person geworden war.

Peter seufzte.
Er wollte nichts mehr, als endlich von dieser verdammten Insel geholt zu werden, aber was würde dann geschehen?
Er hatte kaum mehr Familie, wenn überhaupt. Seine Eltern waren vermutlich irgendwo am Meeresboden. Peter wehrte sich dagegen, sich vorzustellen, was dort unten mit ihnen passiert war, obwohl es eigentlich ziemlich einleuchtend war.
Würden er und Tony in Kontakt bleiben?
Würden sie sich nie mehr wieder sehen?

Stöhnend drückte er sich von seiner ruhenden Position nach oben, um schließlich auf der harten, mit Blätter gepolsterten Unterlage sitzen zu können.
Die Sonne war bereits am Himmel, doch wurde von der Schutzwand, die schräg über den Beiden ausgerichtet war, abgeschirmt.
Tony, der etwas weiter neben ihm lag, mit dem Gesicht zum Boden, schlief noch tief und fest, sodass sich Peter anstrengen musste, keine Blätter rascheln zu lassen, als er den Unterschlupf verließ.

Seine Augen wanderten das Meer hinaus, fragend in welche Richtung man gehen müsste, oder in seinem Fall schwimmen, um das nächste Stück Festland zu erreichen.
Peter wusste, dass es unmöglich wäre, so lange am Stück über Wasser zu bleiben, bevor man entweder vor Erschöpfung ertrank, oder verhungerte oder...was auch immer passieren würde, aber dennoch würde der Teenager es gerne wissen.

Auf der grob zusammen gezimmerten Kontraption des Signalfeuers blieben die rehbraunen Augen schließlich als nächstes stehen.
Vor wenigen Tagen erst hatten Tony und Er diese vollendet, sodass sie sich sicher sein konnten, dass das Gebilde ihnen auch noch nach Stürmen und Unwettern standhalten würde und jederzeit einsatzfähig war.
Denn ja, es gab in der ganzen Zeit, die sie hier bereits mit wachsendem Hunger verbrachten, bereits mehr als nur einen großen Sturm.

Der letzte, der stattgefunden hatte, hatte die beiden in das Wrack des Flugzeugs vertrieben, das in diesem Fall die beste Schutzmöglichkeit gewesen war, sowohl vor Wind, wie auch vor Regen.

Das Signalfeuer selbst stand ihnen stets bereit, denn in einer seperaten Schale brannte jeden Tag ein neues Feuer, dass es Peter oder Tony leichter machen würde, im Falle einer Möglichkeit das Feuer zu entzünden, dass dann in der großen Schale brennen würde und hoffentlich genug Rauch in den Himmel schicken wird, um Schiffe oder Flugzeuge auf sich aufmerksam zu machen.

Peter rieb sich die Augen und setzte seinen Weg in die Richtung der riesigen, blauen Masse fort, die sanft gegen den Strand schlug, was in einer anderen Situation beruhigend gewirkt hätte.
Als die Füße des Teenagers nun von Wasser umringt waren, blieb dieser stehen und blickte mit verschränkten Armen Richtung Horizont.
In genau dieser Richtung ging die Sonne auf. Im Osten.
Das hieß, er blickte gerade in die Richtung Europas, oder Afrikas, er war sich dem nicht wirklich sicher.

Peter seufzte und schlang seine eigenen Arme um seinen dürren Körper, nur um mit seinen Fingern seine eigenen Rippen ertasten zu können, die langsam, ganz langsam, zum Vorschein traten, und trat mit seinem rechten Bein gegen das Wasser, dass daraufhin in alle Richtungen spritzte.

Er stellte sich vor, wie es jetzt wäre, mit seinen Eltern drüben, in Italien, in einem schicken Restaurant zu hocken, traditionelle Pizza verdrückend,
Oder durch eine der vielen, alten Städte zu gehen, genervt davon, dass seine Mutter ihn und seinen Dad jede fünf Minuten dazu brachte, auf einem der tausenden Bilder zu sein. Wie seine Eltern Wein kosteten und er selbst währenddessen sein berüchtigtes Wasser trank und Abends auf der Terrasse des Hotels zu hocken, die warme Nachtluft genießend.

Er glaubte kaum daran, nach diesem Erlebnis noch einmal in ein Flugzeug steigen zu wollen.
Da war der Traum, Abenteuer zu erleben wohl hin.
Außerhalb Amerikas zu sein, denn Wassermassen trannte den Kontinent von den anderen.
Schade eigentlich.

Schon immer standen Orte wie Rom, Lappland, Paris oder Oslo auf Peters Reiseplan, doch verdammt sei er, noch einmal in eine Flugmaschine zu steigen, nicht bei freiem Willen.

" Peter?", hörte er eine nicht ganz so weit entfernte Stimme hinter sich.
Tony, der mittlerweile wohl aufgewacht war.
Die Sonne stand bereits höher, sodass Peter sich fragte, wie lange er dem Horizont entgegen geschaut hatte.
"Alles in Ordnung, Kleiner?", fragte dieser und Peter nickte stumm, in die Ferne zurückblickend.

Tony trat neben ihn und ließ einen Seufzer über seine Lippen wandern, während er mit einer Hand seine verknoteten Locken zu bändigen versuchte und die andere auf der Schulter des Teenagers platzierte.
Die Geste verleitete Peter dazu, zurück zu dem Mann zu schauen, der mit der Zeit immer mehr einem Obdachlosen zu gleichen schien.

Zwar sagte Peter nichts, doch Tony wusste, was dem Jungen durch den Kopf ging. Denn bei ihm war es nichts anderes, auch wenn dem eigentlichen Geschäftsmann das Wohl Peters im Moment wichtiger war.
Tony war alt. Naja, vielleicht nicht wirklich alt, aber im Gegensatz zu dem Teenie wiederum doch.
Würde er es nicht schaffen, war es ihm egal, aber Peter hatte noch ein ganzes Leben vor sich und Tony wollte, dass er dieses auch ausleben konnte.

" Du bist nicht allein, Peter. Ich hoffe, dass du das weißt. Ich bin für dich da, okay?", meinte der Ältere und blickte den 14 jährigen eindringlich an, der ein müdes Seufzend erklingen ließ und verstehend nickte.
Er ließ sich von Tony in eine Müde Umarmung ziehen, die eine ganze Weile anhielt.






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