Kapitel 7

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Ein ganzer Stoß alter Sportmagazine lag auf dem niedrigen Couchtisch vor mir, während ich auf dem schmalen Sofa saß. Ich hielt eine Zeitschrift aufgeschlagen in meinen Händen und scannte die Seiten schnell mit meinen Augen. Der modernere Weg, an Informationen heranzukommen, warum Ushijima nicht mehr spielte, war leider wenig erfolgreich verlaufen.

Egal mit welchen Begriffen ich die Suchmaschine im Internetbrowser fütterte, am Ende landete ich immer auf ominösen Seiten mit Abofallen oder mit Werbung für diverse Pillen und Pülverchen, was mich zunehmend an den Rand der Verzweiflung trieb.

Doch dann war vor wenigen Tagen Nat-chan mit dem Frühstückstablett in mein Krankenzimmer gekommen und wie immer hatte sie mir zu meiner lauwarmen Misosuppe Lesestoff dazugelegt. Dieses Erlebnis war wie eine Erleuchtung und ich bat sie, kaum dass sie das Tablett abgestellt hatte, mir sämtliche Magazine der vergangenen fünf Jahre auszuleihen.

Etwas irritiert, aber doch durchaus bereitwillig, mir zu helfen, hatte sie mir heute eine Kiste voller Zeitschriften mitgebracht und nun suchte ich seit Stunden zwischen den alten Schlagzeilen nach der Antwort auf die Frage, die mir einfach keine Ruhe ließ.

Ich wollte zu gerne wissen, warum Ushijima seine vielversprechende Karriere aufgegeben hatte. Und das nicht nur, um meine Neugier zu befriedigen. Viel mehr wollte ich ihn verstehen lernen, meinen alten Rivalen und jetzigen Therapeuten, damit ich ihm irgendwie verzeihen konnte, dass er nicht mehr ein Teil der Welt war, in die ich unbedingt zurück wollte.

Doch wirklich fündig geworden war ich noch nicht. Mein einziger heißer Hinweis bis jetzt war das Mannschaftsfoto der Schweiden Adlers in einer Zeitschrift, die vor drei Jahren im Sommer herausgekommen war. Dort fehlte Ushijima zum ersten Mal.

Nur Kageyama saß zwischen seinen Teamkollegen auf der Spielerbank und sah mir mit ausdruckslosem Gesicht entgegen. Da auch Ushijimas Name auf der Kaderliste fehlte, hatte ich mich aufgeregt auf den darunter abgedruckten Zeitungsartikel gestürzt, doch nicht einmal in einem Nebensatz wurde sein Fehlen erwähnt.

Wie konnte es sein, dass das Karriereende des Wunderkindes nicht wie eine Bombe eingeschlagen hatte, sondern stillschweigend von den Medien hingenommen wurde?

Ushijima hatte in Japan schließlich einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht und auch im Ausland hatte er sich während seiner Oberstufenzeit einen Namen gemacht. Das plötzliche Karriereaus eines so talentierten Nachwuchsspielers war doch ein gefundenes Fressen für die Journalisten der nationalen Presse.

Die Story dahinter hätten sie doch normalerweise bis zum letzten Winkel ausgeleuchtet, nur um die Auflagenzahlen ihrer Magazine zu erhöhen. Doch stattdessen fand ich nichts als Schweigen. Jemand anderes musste somit den Deckel der Verschwiegenheit über die Angelegenheit gelegt haben. Mit größter Wahrscheinlichkeit war das Management der Schweiden Adlers darin involviert.

Das PR-Team hinter Ushijima hatte ganze Arbeit geleistet, um den Grund seines Rücktritts nicht nach außen dringen zulassen, stellte ich mürrisch fest. Aber die Verschwiegenheit des Vereins und Ushijimas verbissenes Stillschweigen über seine Beweggründe würden mich nicht davon abhalten, die Wahrheit herauszufinden - auch wenn mir jetzt wohl nur noch übrigblieb, ihn erneut direkt zu fragen, und das hatte bereits beim letzten Mal so wunderbar schlecht funktioniert.

Ich seufzte ergeben, schlug die Zeitschrift zu und starrte aus dem Fenster. Es war Sonntagabend und der Vollmond schien hell vom wolkenlosen Himmel. Zur Abwechslung regnete es mal nicht. Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern. Noch hatte ich mich nicht an meine neue Bleibe gewöhnt, in die ich heute Nachmittag gezogen war.

Das Zweizimmerappartement auf dem Klinikgelände befand sich direkt unterm Dach und war schlicht und einfach gehalten. Wie in einem Motel, nichts für die Ewigkeit, aber gut genug, um die kommende Zeit darin zu wohnen.

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