Kapitel 1

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Der Ball surrte durch die Luft der Sporthalle und wurde souverän von unserem Libero angenommen. Hoch konzentriert beobachtete ich die Flugbahn des Balles, während ich im Augenwinkel all meine Mitspieler im Blick hatte. In meinem Kopf sondierte ich bereits aus, wem ich den Pass zuspielen würde. Ich wusste genau über sie Bescheid, kannte all ihre Stärken und Schwächen, denn ich war der Strippenzieher, der Dreh- und Angelpunkt dieses Spiels.

Von mir hing alles ab. Sieg oder Niederlage lag auf Messerschneide. Fehler wurden sofort bestraft. Nur ein kurzes Zögern, ein zu langes Abwägen und schon verlor man einen Punkt. Aber ich spielte lang genug auf dieser Position, schon seit meiner Mittelstufenzeit, und so beschloss ich instinktiv, den Ball direkt unserem Ass zuzuspielen. Dieser nahm ihn in gekonnter Manier an und schlug ihn übers Netz. Der Aufprall des harten Lederballs auf dem Turnhallenboden war Musik in meinen Ohren.

Mein Blick fuhr zu meinem Trainer, der mit Iwa-chan als Co-Trainer unserer Unimannschaft auf einer Bank seitlich des Spielfeldes saß. Er notierte sich etwas und ich hoffte, es war die Bestätigung, dass er mich beim Auswahlturnier in zwei Wochen in die Startaufstellung aufnehmen würde.

Die Sponsorenplätze, um die es bei diesem Wettkampf ging, waren heiß begehrt. Nur wer von Beginn an mitspielte, konnte genug zeigen, um einen Förderplatz in einem Topverein zu bekommen.

Mein Ehrgeiz war geweckt. Ich hatte das Gefühl mein Ziel, Profivolleyballspieler zu werden, war in greifbare Nähe gerückt, und so ignorierte ich das unangenehme Pochen in meinem rechten Knie. Nur noch dieses Trainingsspiel, nur noch einmal alles geben.

Ich biss die Zähne zusammen, dass mein Kiefer knirschte. Die Schmerztabletten, die ich vorm Spiel eingenommen hatte, ließen wohl gerade an Wirkung nach. Und unter Iwaizumis strengem Blick war es mir nicht möglich gewesen, in den kurzen Breaks zwischen den Sets eine erneute Dosis einzunehmen.

Er würde mir die Hölle heiß machen, wenn er wüsste, wie hoch bereits meine Tagesration an schmerzstillenden Tabletten war, um mich überhaupt aufrecht zu halten. Ich schob den Gedanken bei Seite und versuchte, mich wieder aufs Spiel zu konzentrieren, doch mit jeder Bewegung, nahm der Schmerz an Intensität zu. Ich unterdrückte ein Aufstöhnen, presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.

Sekündlich wanderte das unangenehme Gefühl ein Stück weiter mein Bein hoch. Ich ignorierte es, doch als ich einem ungünstig gespielten Ball unseres Außenverteidigers hinterher hechtete, gab es plötzlich unter mir nach.

Ich prallte auf dem harten Boden auf und der Schiedsrichter unterbrach die Partie. „Alles okay?", fragte Yamamoto, einer unserer Mittelblocker, und griff nach meiner Hand, um mir aufzuhelfen. Ich nickte nur und ließ mich von ihm hochziehen, nur um im nächsten Moment erneut auf dem harten Boden aufzuschlagen.

Mein Knie wollte mein Gewicht nicht mehr tragen. Scheiße, dachte ich und sah bereits, wie Iwaizumi in meine Richtung rannte. Er kniete zu sich zu mir runter. „Was ist los?", fragte er besorgt und in mir machte sich das schlechte Gewissen breit. Seit Wochen schmerzte mich mein Knie, doch an Schonung hatte ich nie gedachte und das rächte sich jetzt. „Ich bin nur unglücklich aufgekommen", erklärte ich und ließ zu, dass er es mit seinen kundigen Händen abtastete.

Ich zog zischend die Luft ein, als er eine besonders schmerzhafte Stelle berührte. Sein Blick flog zu mir hoch. „Wie stark sind die Schmerzen?" Ich zuckte unter seiner Frage leicht zusammen und versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr es weh tat. Ich wollte nicht, dass das Spiel hier für mich zu Ende war.

„Es geht gleich wieder. Mach ein bisschen Eis-Spray drauf und gib mir was gegen die Schmerzen." Doch er schüttelte den Kopf und ich griff nach seiner Hand.

Fallen StarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt