Kapitel 10

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Now you're in the stars

Für Mama

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Sendai-Krankenhaus, im Sommer vor 3 Jahren...

Die kleinen Räder meines Koffers surrten leise über den blankpolierten Boden, während ich zielstrebig auf das Behandlungszimmer am Ende des Flurs zusteuerte. Ich klopfte leise und öffnete die Zimmertür einen Spalt breit und steckte zunächst nur meinen Kopf hinein.

Die Sommersonne schien durch das große Fenster und ließ den Raum in einem strahlenden Weiß erscheinen. Es roch streng nach Desinfektionsmittel und im Hintergrund zischte leise das Beatmungsgerät.

Ich hasste und liebte dieses Geräusch zur selben Zeit, denn auf der einen Seite sagte es mir, dass die Person, die an dem Gerät angeschlossen war, noch lebte, während es andererseits auch ein Zeichen dafür war, dass sich ihr Zustand seit gestern verschlechtert hatte.

Ich drängte das Geräusch in den Hintergrund und mein Blick fiel auf das schmale Bett, das parallel zum Fenster stand. Dort saß eine hagere Gestalt, unglaublich verloren indem viel zu großen Bett, und sah in meine Richtung. Zwei rotbraune Augen fixierten mich, bevor sich auf das eingefallene blasse Gesicht ein kleines Lächeln stahl.

„Komm rein, Ushiwaka", forderte mich Tendou leise auf und nutze wie immer seinen speziellen Spitznamen für mich. Ich umfasste den Türgriff etwas fester, denn ich sah ihm ganz deutlich an, dass heute kein guter Tag war.

Er war leichenblass, was die tiefen Ringe unter seinen Augen noch größer wirken ließ. Mein Herz pochte schwer in meiner Brust. Ihn mit den vielen Kabeln und Schläuchen zu sehen, die ihn Tag ein und Tag aus an dieses Bett fesselten, tat weh.

Letzte Woche waren wir noch zusammen im Klinikpark spazieren gegangen, doch daran war heute nicht mehr zu denken. Die Krankheit war zu schnell zu weit fortgeschritten und raubte ihm jeden Tag ein klein bisschen mehr von seiner Lebenskraft.

Ich unterdrückte den plötzlichen Drang, die Tür wieder zu schließen und davonzurennen. Ich wusste, wie idiotisch das wäre, denn egal wie weit ich rannte, die Realität, dass meine große Liebe unheilbar krank war, würde mich immer wieder einholen.

Stattdessen korrigierte ich den Sitz meiner Sporttasche, um noch etwas Zeit zu schinden, denn ich wollte nicht, dass er sah, wie sehr mich seine Situation belastete. Ich musste für ihn stark sein. Ich zwang mich zu einem Lächeln und trat ganz ein.

Den Koffer zog ich hinter mir her und stellte ihn ordentlich gegen die Wand, bevor ich die Tasche auf den kleinen Besuchertisch am Fenster fallen ließ. Langsam ging ich zu ihm rüber.

„Wie geht es dir heute, Satori?", fragte ich, obwohl ich mit eignen Augen sah, dass es ihm verdammt schlecht ging. Ich küsste ihn behutsam auf die Stirn und strich sanft über die rote Mütze, die er nun seit ein paar Tagen trug.

Seine Haare hatten eine ähnliche Farbe gehabt, doch sie waren ihm während der Behandlung ausgefallen. Die Kopfbedeckung war ein Geschenk von Semi, er hatte mit uns in der Oberstufe Volleyball gespielt, jetzt war er Sänger in einer Band.

Satori verzog seine Lippen zu einem schwachen Lächeln. „Ich bin okay", sagte er leise und ich wusste, dass er das mir zuliebe sagte, denn an dieser Situation war rein gar nichts okay.

Ich ließ von ihm ab und ging wieder zu meiner Tasche. Mit zittrigen Fingern öffnete ich den Reisverschluss und begann nach etwas zu suchen, dabei drehte ich ihm bewusst den Rücken zu, denn ich brauchte einen Moment, um meine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Fallen StarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt