Kapitel 11

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2 Wochen später....

Das bunte Herbstlaub tanzte im Wind und rieselte leise auf die steinernen Stufen vor mir. Ich trat jeden Schritt mit Bedacht, um auf dem Laub nicht auszurutschen. Schnaufend blieb ich kurz stehen und musste einsehen, dass ich trotz intensivem Training noch nicht ganz meine alte Kondition wiedererlangt hatte.

Dennoch betrachtete ich die von mir bereits geleistete Strecke mit leichtem Stolz. Ich war schon ziemlich weit gekommen und hatte mehr als hundert Stufen - ich hatte im Kopf leise mitgezählt - hinter mir gelassen. Entschlossen wandte ich mich dem Rest zu und erreichte mit leichtem Seitenstechen und brennenden Waden nach einer weiteren kleinen Weile die Plattform am Ende der Treppe.

Kühle, salzige Meeresluft wehte mir entgegen. Der Herbst wanderte langsam in den Winter hinein und ich zog meinen hellbraunen Mantel etwas enger um mich, als ich mich zum Geländer bewegte. Der Aufstieg hatte sich definitiv gelohnt. Unter mir lag das Meer, in dem nun langsam die Sonne versank und alles in ein gelb-orangenes Licht tauchte.

Ich umfasste mit beiden Händen die metallische Absperrung und blickte zu der kleinen Bucht, in der das kleine Städtchen Hogasaki lag. Ganz deutlich konnte ich den weißen Leuchtturm, das Wahrzeichen der Stadt, erkennen.

Ich ließ meinen Blick weiter schweifen. An der schmalen Strandpromenade waren viele kleine Buden aufgebaut. Lampions, Lichterketten und bunte Fahnen zierten den Weg. Zwischen den Ständen und am Strand liefen viele Menschen umher, um sich einen guten Platz für das anstehende Feuerwerk zu sichern.

„Du hast es geschafft", sagte plötzlich jemand hinter mir und ich fuhr erschrocken zusammen. Ich wandte mich um und sah Ushijima, der zu meinem Ärger überhaupt nicht außer Atem war, am Treppenaufgang stehen.

Er trug einen knielangen schwarzen Mantel, eine schwarze Jeans und einen cremefarbenen Pullover. Ein dunkelroter Schal wärmte seinen Hals, während er seine Hände in den Taschen seines Mantels versteckte.

„Du auch", antwortete ich und sah ihn liebevoll an, was ihm ein kleines Lächeln entlockte. Langsam kam er zu mir und gab mir einen kurzen Kuss. Mein Lächeln wurde breiter und ich wandte mich wieder dem Ausblick zu.

Ushijima stellte sich direkt hinter mich, schlang seine Arme um meine Körpermitte und zog mich an seine breite Brust. Ich seufzte leise und lehnte mich vertrauensvoll an ihn.

Ich erinnerte mich noch ganz genau an den Morgen, als Nat-chan mir erzählt hatte, wohin die unendliche Treppe führte. Damals hatte ich gedacht, dass ich es niemals nach oben schaffen würde, doch heute war ich hier. Ich umfasste das Metall unter meinen Händen etwas fester, als sich mein Magen nervös zusammenzog.

Ich dachte nicht gerne an die Zeit zurück, in der ich mit meinem entzündeten Bein und gebrochenen Herzen auf der Krankenstation gelegen und tagaus tagein auf die Stufen gestarrt hatte.

Hilflos und ohne wirkliche Perspektive wäre ich beinahe in meinem Selbstmitleid ertrunken, hätte Ushijima mich nicht gerettet. Für einen kurzen Augenblick fragte ich mich, was mit mir passiert wäre, hätte er mich nicht hinaus in den Regen getragen. Hätte ich tatsächlich alles beendet?

Der Gedanke machte mir Angst und während ich meinen Blick Richtung Horizont richtete, wo die Sonne glühend rot unterging und das Meer in ein wunderschönes Orange färbte, pochte mein Herz laut in meiner Brust und ließ mich wieder einmal deutlich spüren, wie viel mir der Mann in meinem Rücken bedeutete.

Die letzten zwei Wochen waren ein Knäuel aus Training, leckerem Essen, sanften Küssen und noch viel mehr gewesen. Ich hatte die Zeit mit ihm sehr genossen und wir hatten sie genutzt, um Pläne für eine gemeinsame Zukunft zu schmieden. Eine warme Welle schwappte durch mein Inneres und ohne es beeinflussen zu können, formten sich drei Worte in meinem Kopf zu einem Satz zusammen und legten sich förmlich auf meine Zunge.

Fallen StarsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt