Kapitel 43

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Die Welt zog draußen an mir vorbei, aber ich selbst stand komplett still. Meine Gedanken waren ein riesengroßer Wirrwarr, das ich irgendwie nicht mehr lösen konnte. Ich verlor mich selbst in ihnen. Die letzten Stunden hatten sich unendlich lang angefühlt, während ich verzweifelt versucht hatte, nicht komplett durchzudrehen.

Ich schluckte schwer und warf meiner besten Freundin einen Seitenblick zu, die gerade in die Straße einbog, wo es zum Krankenhaus ging. Wir waren durchgefahren. Die ganze Strecke von London nach Cardiff hatten wir keinen Stopp gemacht, aber auch nicht wirklich miteinander geredet. Vermutlich, weil wir beide noch viel zu schockiert und bedrückt gewesen waren.

Dabei war ich froh gewesen, dass Lisa mit dem Auto gefahren war, denn ich hätte vermutlich niemals einen kühlen Kopf bewahren können. Verdammt nochmal, Oscar war im Krankenhaus. Er hatte eine Alkoholvergiftung und war beinahe gestorben. Mein Exfreund, der in diese Misere gefallen war, weil ich mich von ihm getrennt hatte. Wie sollte ich mich in so einer Situation bitte fühlen, außer komplett schrecklich?

Alles, was nach dem Anruf passiert war, hatte ich nur wie in Trance mitbekommen. Ich war natürlich gleich zurück zu Lisas Wohnung gefahren, während meine beste Freundin Cody angerufen hatte, damit er sich um Sadie kümmern konnte, weil sie ihre Tochter nicht mitnehmen wollte. Zum Glück hatte ihr Exfreund verständnisvoll reagiert. Etwas, das das ich unter normalen Umständen als erstaunlich gewertet hätte. Doch gerade waren keine normalen Umstände.

Lisa parke das Auto auf dem Besucherparkplatz und kaum hatte sie den Motor abgestellt, sprang ich auch schon raus und lief auf das Krankenhaus zu. Ich musste wissen, was los war. Wie es Oscar ging und ob er noch weiterhin in Lebensgefahr schwebte.

„Erica, warte doch mal", rief mir Lisa hinterher, doch ich dachte nicht einmal daran, jetzt anzuhalten. Ich musste da hinein und wissen was Sache ist. Sonst würde ich vermutlich noch durchdrehen.

Meine beste Freundin schloss allerdings rasch zu mir auf und packte mich an der Schulter, um mich zurückzuhalten. „Lass mich Lisa", flehte ich sie an. Meine Stimme war so dünn und voller Angst. „Ich muss wissen wie..."

„Diese Hektik bringt aber Oscar auch nicht viel weiter. Lass uns da hineingehen und erstmal fragen, wo er sich befindet. Wer weiß, ob sie uns überhaupt sagen können, wie es ihm geht. Wir gehören immerhin nicht zur Familie", versuchte Lisa mir klarzumachen.

Wieder schluckte ich schwer. Sie hatte ja Recht. Es hatte keinen Sinn, in Panik auszubrechen, wenn wir noch nicht einmal wussten, was genau los ist. Aber das war so wahnsinnig schwer in diesem Moment, weil ich mir selbst Schuldgefühle machte. Ich war der Grund, weshalb es Oscar so schlecht ging. Ich war schuld an seiner aktuellen Situation. Und es gab nichts, was das im Augenblick irgendwie lindern konnte.

Deshalb fühlte ich mich jetzt auch so stark dazu verpflichtet, für ihn da zu sein. Meine Schuldgefühle wurden irgendwie gelindert, wenn ich meinem Exfreund Beistand leistete in dieser schweren Situation. Ihm wieder auf den rechten Weg helfen. Das war es, was sich momentan richtig für mich anfühlte.

Dennoch gab ich nach und nickte auf Lisas Worte hin. Sie lag auch richtig in dem Punkt, dass wir nicht zur Familie gehörten. Das Personal würde uns sicherlich keine Details über Oscars Zustand verraten, da war es egal, wie sehr wir sie anflehen würden. Ich musste nur darauf hoffen, irgendjemand von Oscars Eltern anzutreffen.

Wir betraten den Eingangsbereich des Krankenhauses und ich spürte, wie sich Lisa neben mir verspannte. Ihre Familie verband dieses Krankenhaus mit schlechten Erinnerungen. Immerhin war Emily hier sehr oft ein und ausgegangen, als Ryan wegen seines Hirntumors hier stationiert gewesen war. Auch, wenn das Lisa nicht bewusst betroffen hatte, so lastete diese Erinnerung dennoch auch auf ihr. Lisa hatte ebenfalls viel Zeit mit Ryan verbracht.

Play my Heart (Lando Norris FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt