Kapitel 31

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Ich war nervös. Ich war sogar so nervös, dass ich meinen eigenen Herzschlag in den Ohren pochen hörte. Gleich war meine erste Therapiesitzung, und ich hatte absolut keine Ahnung, was passieren würde.

Wie würde die Therapeutin beginnen? Würden wir gleich auf meine Probleme zu sprechen kommen? Wie viel von meiner Magersucht von vor ein paar Jahren würde ich erzählen müssen? Würde ich über meinen Vater sprechen müssen?

Der kleine Warteraum in der Praxis der Therapeutin war sehr modern eingerichtet. Aber trotzdem wirkte das Zimmer immer noch komfortabel und heimelig. Vielleicht wollte die Praxis gleich zu Beginn schon ein Gefühl vermitteln, dass sich die Patienten wohl fühlten.

Außer mir saß kein anderer Patient im Wartezimmer. Das ging auch nicht, denn es gab nur eine Psychologin und die hatte fixe Einheiten für ihre Patienten. Nicht einmal eine Rezeptionistin gab es, die die Termine für Dr. Summers, so hieß die Therapeutin, zu der ich gleich gehen würde, einteilte. Das erledigte alles sie selbst.

Ich fragte mich gleich, wie vielen Menschen sie bereits geholfen hatte und ob es den jeweiligen Personen nun auch besser ging. Dann erinnerte ich mich an Emily, die nach Ryans Tod in einen Zustand der Depression verfallen war. Mittlerweile ging es Lisas Schwester aber schon wieder besser und sie hatte mit Daniel einen neuen Freund gefunden, der ihr geholfen hatte, endgültig über den Verlust hinwegzukommen. Was allerdings nicht bedeutete, dass Emily Ryan nicht immer noch in ihrem Herzen trug.

Leider hatte ich gestern gar nicht mehr daran gedacht, Emily anzurufen und sie über Dr. Summers auszufragen. Das wäre vielleicht gar keine schlechte Idee gewesen. Dann würde ich wenigstens wissen, was auf mich zukommen würde, wenn ich gleich vor der Frau sitzen würde.

Gestern hatte ich sie noch gegoogelt und auf den Bildern wirkte sie sehr freundlich. Dr. Summers war eine Frau Ende Dreißig, die auf dem Foto auf ihrer Website ihre braunen Haare zu einem Dutt geformt hatte und auf ihrer Nase eine Brille sitzen hatte. Ihr Lächeln wirkte fröhlich, was auf ihre Patienten bestimmt einen beruhigenden Eindruck haben musste. Auf mich hatte es das auf alle Fälle.

Ich warf einen Blick auf mein Handy. Mum hatte mir geschrieben, dass ich mich melden sollte, wenn die Sitzung vorbei wäre. Sie hatte mich vorher hingebracht und würde mich danach auch wieder abholen, da einerseits mein Auto noch immer in London war und andererseits wollte sie nicht, dass ich nach der Therapie alleine mit den Öffis nach Hause fuhr.

Um ehrlich zu sein war ich froh, dass ich nach der Sitzung nicht ganz alleine sein würde. Ich wusste noch nicht genau, was auf mich zukommen würde und wie die Nachwirkung sein würde.

Aber all meine Gedanken wurden mit einem Mal weggefegt, als die Tür zur Praxis von Dr. Summers aufging und ein junger blonder Mann, vielleicht fünf Jahre älter als ich, herauskam. Er wirkte nicht wirklich aufgewühlt, doch das musste ja nicht seine erste Sitzung gewesen sein. Dr. Summers war recht gut in ihrem Job, weshalb die Google Bewertungen alle positiv ausfielen.

Mit einem Nicken begrüßte mich der Mann, ehe er den Warteraum von Dr. Summers Praxis verließ und mich schließlich wieder alleine ließ. Ich ging nicht sofort zur Psychologin hinein, sondern wartete darauf, dass sie mich aufrief.

Das passierte dann, als sie schließlich fünf Minuten später im Türrahmen stand, mit einem Klemmbrett vor der Brust und einem freundlichen Lächeln im Gesicht. Ihre dunkelbraunen Haare hatte sie, wie auf dem Bild auf ihrer Website, zu einem Dutt geformt und die Brille saß ebenfalls auf ihrer Nase. Ihre Aura war angenehm, das erkannte ich, noch ohne ein Wort mit ihr gesprochen zu haben.

„Erica St. James", rief sie mich auf und deutete mir mit einem Nicken, hereinzukommen.

Ich holte tief Luft, bevor ich mich von dem Stuhl, der einzige hier im Wartezimmer, erhob und mir schweren Schritten auf die Psychologin zu ging. Meine Nervosität kroch langsam wieder hervor und ich wusste nicht so recht, ob ich bereit dazu war, gleich über mich selbst zu reden. Das war so verwirrend für mich selbst. Einerseits wollte ich das hier, andererseits hatte ich aber auch furchtbare Angst, was es mit mir auslösen könnte.

Play my Heart (Lando Norris FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt