5. Zeitvertreib (Erik)

113 4 0
                                    

Auf einmal stand Lougan ruckartig auf. "Ich hab 'ne Idee. Wir könnten ja einfach Eis essen gehen."

Zustimmend nickten wir und machten uns auf den Weg zu einer Eisdiele namens 'Katzenstüberl'.
Lougan setzte mich auf eine Eiserne Bank hinter einem Tisch für vier Leute. "Welche Sorte?" fragte Lougan mich. "Cookie oder Schokolade..." murmelte ich, während ich mir die umstehenden Häuser ansah. Louise, Lougan und Liam gingen das Eis holen. Es sah hier echt nett aus und überall gab es viele, grüne Grasflecken. Natur mitten in der Stadt... das hatte ich noch nie gesehen. Es erinnerte mich an meine Kindheit, die das genaue Gegenteil war...

Unwillkührlich musste ich mich an meinen Vater erinnern. Er war ein schrecklicher Mann, hat getrunken und schlug mich oft.
Ich war das einzige Kind, dass er hatte und auch noch ein 'Unfall'. Ja, er hatte meine Mutter versehentlich geschwängert...
Ich schreckte kurz zusammen. Ich wollte mich nicht daran erinnern und griff mir an den Kopf. Aber es brachte nichts...
Ich kniff die Augen zusammen und ließ den Strom an Erinnerungen in meinen Kopf fließen. So viele, schreckliche Bilder von meinem Vater mit blutigen Händen und betrunken. Meine Mutter hatte sich nicht wirklich um mich gekümmert, bis sie eines Tages nach einem Autounfall starb. Dadurch wurde Vater nur wütender und schlug mich immer öfters. Damals war ich erst neun... Mit 12 bin ich von zuhause weggerannt und wurde in einem Waisenhaus aufgenommen. Danach ging ich zum Bundesherr und in einer Woche, wenn ich Dienstschluss hatte, war mein 18. Geburtstag. Dann war ich endlich frei... Ich könnte gehen, wohin ich wollte.
Trotzdem schossen mir immer noch Bilder meines Vaters durch den Kopf, als mich plötzlich jemand berührte.

Erschrocken fuhr ich herum, holte mit der Hand aus und klatschte jemandem eine... Es war Lougan...

Überfordert und erschrocken starrte ich ihn an und rutschte etwas zurück. Er drehte den Kopf wieder zu mir und sah mich ruhig an. Sein Blick war weich und er fragte mich besorgt "Wieso weinst du, Erik? Was ist passiert?" Was?...

Dann bemerkte ich erst, dass tatsächlich Tränen über meine Wangen liefen.
Louise sah mich geschockt an und Liam machte sich wohl darauf gefasst, dass Lougan mich gleich anherrschte. Aber... stattdessen setzte er sich neben mich und... umarmte mich. Ich blieb regungslos sitzen und spürte Lougans warmen, sanften Bewegungen an, dass er mir nicht weh tat.
Zögernd vergrub ich mein Gesicht in seiner Schulter und krallte mich an ihn.
Ich beruhigte mich langsam wieder und Lougan löste sich wieder von mir. Er wischte meine Tränen weg und hielt mir eine Waffel mit Eis hin.
2 Kugeln... eine Schokolade, eine Cookie.
Lächelnd nahm ich ihm die Waffel aus der Hand und Liam setzte sich wieder zu mir. Louise lenkte Lougan kurz ab, als Liam mir etwas zuflüsterte "Normalerweise hätte er dich wenigstens angeschnauzt. Erik, ich glaub du bist ihm sehr wichtig..." ungläubig sah ich ihn an. "Lougan ist ganz besonders bei sowas recht... sagen wir mal... brutal. Er lässt niemanden ohne gebrochene Nase davonkommen, wenn dieser jemand etwas macht, was ihm nicht passt. Ich weiß, es sieht nicht danach aus, aber ich glaube, dass du, ohne es zu wissen, einen wunden Punkt erwischt hast." flüsterte er mit einem leichten Grinsen im Gesicht.
Gerade, als er sich wieder normal hinsetzte, drehte Lougan sich wieder zu uns und schleckte entspannt an seinem Eis. Ich bemerkte, dass er an seiner Wange leicht rot wurde... Das war ich! Ich würde mich später noch bei ihm entschuldigen müssen...

Während Lougan mich durch die Stadt trug und wir überlegten, was wir als letztes machen könnten, realisierte ich, was Liam mir eigentlich vorher gesagt hatte. Irgendwie glaubte ich es nicht, dass ich Lougan etwas bedeuten sollte. Ich glaubte, er war einfach nur freundlich. Ich meinte, ich kannte ihn seit einem Tag und durch meine Verletzungen musste er mich herumtragen... ich war ihm sicher nur ein Klotz am Bein.
Seufzend legte ich den Kopf in den Nacken und sah daher alles kopfüber. Da merkte ich, dass dieser Stadtteil mir schmerzlich bekannt vorkam... Hier hatte mein Onkel gewohnt. Er war der einzige, der sich um mich gekümmert hatte, als ich jemanden brauchte, starb aber an Bauchdrüsenkrebs... Irgendwie sind alle, die ich früher gebraucht habe, oder die mich nicht schlugen, gestorben. Viel zu früh...

Nach ein paar Minuten planlosem Herumirrens setzte Lougan sich auf eine Parkbank, setzte mich aber nicht ab. So blieb ich auf ihm sitzen...
Er war richtig warm... ich glaubte ihm war recht heiß. Er fragte Louise und Liam, was wir noch machen sollten und hielt mich einfach weiter, als wäre es das Alltäglichste der Welt.
Anfangs spannte ich mich etwas an, aber da sonst keine Menschen in der Nähe waren, entspannte ich mich schnell wieder. Als die anderen beiden sich berieten, was zu machen war, fragte ich Lougan "Bin ich mit der Zeit nicht zu schwer? Du trägst mich schon seit Stunden herum und heiß bist du auch."
Liam fuhr herum und Louise starrte mich an. Verwirrt sah ich zu Lougan, der rot angelaufen war. Bis ich realisierte, was ich gerade gesagt hatte...

"Was?! Nein ich mein seine Körpertemperatur ihr Idioten!" rief ich erschrocken zu den beiden, die mich anstarrten. Liam, Louise und Lougan mussten auf einmal lachen. Überdramatisch beleidigt verschrenkte ich die Arme und zog mich auf Lougan zusammen.
Dieser hörte auf, zu lachen und sah mich nur belustigt schmunzelnd an. Die anderen beide konnten gar nicht mehr aufhören, zu lachen.
Lougan sah mich mit seinen smaragdgrünen Augen an und mir wurde warm.
"Ja, hast recht... mir is heiß." schmunzelte er. "Is mitten im Sommer auch eigentlich normal oder?"

𝑰𝒄𝒉 𝒇𝒂𝒏𝒅 𝒎𝒆𝒊𝒏𝒆 𝑳𝒊𝒆𝒃𝒆 𝒂𝒖𝒇 𝒅𝒆𝒎 𝑺𝒄𝒉𝒍𝒂𝒄𝒉𝒕𝒇𝒆𝒍𝒅...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt