April, April!

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trash_nora
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"Guten Morgen", grinste meine Mutter mich an. Ich zog eine Augenbraue hoch. "Was ist?"
Doch sie antwortete nicht.
Erst als ich die Milchtüte über meine Cornflakes hielt und plötzlich Wasser herauskam, realisierte ich es.
Meine Mutter lachte.

Es war der 1.April.

Jedes Jahr, wirklich jedes verdammte Jahr, machte meine Mutter diesen Scherz. Und wirklich JEDES Jahr fiel ich auch noch darauf rein. Immer dachte ich mir: Sind wir vielleicht endlich mal zu alt für sowas?
Aber nein.
Manche Leute werden wahrscheinlich einfach nie zu alt für Aprilscherze...

Ich persönlich hasste diesen Tag, in der heutigen Welt wird man doch schon genug verarscht. Und ich hasste es verarscht zu werden. Wenn auch nur "aus Spaß".

Ich entschied mich ein wenig Spazieren zu gehen, dort konnte mich niemand nerven. "Nimmst du bitte noch den Müll mit raus", rief meine Mutter. "Jahaaa"
Wieso eigentlich immer ich?
Vorsichtig hob ich den Eimer hoch - kein offener Boden. Bei jedem Schritt an diesem Tag musste man vorsichtig sein. Überall konnten Fallen lauern. Draußen angekommen klopfte ich gegen die Papiermülltonne, machte sie auf - und zu meinem Erstaunen saß niemand darin.
Wundervoll.

Ich wollte gerade den Eimer zurück ins Haus bringen, da kam mir Kate entgegen. "Hallo Nora"
Ich schaute verwirrt. Sie hatte jetzt nicht auch noch meinen Namen vergessen, oder?
Sie lachte. "Och komm, nur ein kleiner Aprilscherz".
"Ich mag keine Aprilscherze", erwiderte ich grimmig.
Kate's Lachen verschwand.
Ja, ich hasste diesen Tag. Aber Kate konnte das ja nicht wissen... und sie konnte auch nichts dafür. Jetzt fühlte ich mich irgendwie schlecht. Zum Glück lenkte sie schnell vom Thema ab.

Kate deutete auf den Eimer in meiner Hand. "Gehst du eigentlich immer mit deinem Mülleimer spazieren?"
Ich musste grinsen. "Schon, also der ist meine Begleitung dann bin ich nicht so alleine"
"Nehm doch deine Mutter mit"
Das war nicht ihr Ernst.
Wer um Himmels Willen, geht spazieren (weil er wohl offensichtlich Entspannung will), und nimmt dann seine Mutter mit!?
Dann könnte ich ja auch gleich zuhause bleiben!
"Neee... lieber nicht", antwortete ich.
"Gehst du lieber alleine spazieren?"

Fangfrage. Antwortete ich ja, würde ich sie nie dazu bekommen vielleicht mal mitzugehen. Würde ich allerdings nein sagen, würde sie sich fragen wieso ich dann nicht meine Mutter mitnehme.

"Mal so mal so", versuchte ich irgendwie eine passable Antwort zu finden.
"Na gut. Bis dann", Kate winkte und ging. Super Cora, das war ja blendend gelaufen.

Ich brachte den Mülleimer zurück ins Haus, und entschied mich den Nachmittag im kleinen Park um die Ecke zu verbringen. Ich setzte mich auf eine Bank, und schaute einfach nur in den Himmel. Passanten kamen vorbei, Spaziergänger, Kinder. Ein Junge brachte seinem Freund ein paar Fußballtricks bei. Der Ball landete im See. Nachdem die Mutter geholt und ein langer Stock besorgt wurde, konnten sie den schwimmenden Fußball doch noch retten.

Ich merkte gar nicht wie die Zeit vergang. Langsam wurde es kühler. Der Himmel wurde wunderschön rot, bald ging die Sonne unter. Ob Kate wohl noch arbeitete? Sie führte ein kleines Kosmetikstudio, sogar Massagen bat sie an. Ob ich wohl mal eine buchen sollte...?
Aber das würde ich mich nicht trauen. Diese körperliche Nähe - zu ihr...

Kate war mein Vorbild in Sachen Selbstständigkeit. Hoffentlich würde das bei mir eines Tages mal so gut funktionieren, wie bei ihr.
Ich bedruckte Postkarten, entwarf Sticker, aber bisher alles noch im Kleinen.
Manche Dinge brauchen einfach Zeit, um zu wachsen.

Wie schön es wohl wäre, mal mit Kate den Sonnenuntergang anzusehen?
Träumend saß ich dort, und dachte an Kate.
Da riss mich plötzlich jemand aus meinen Gedanken.
"Du auch hier?"
Es war Kate.
Ich traute meinen Augen nicht. Vermutlich schaute ich auch wie ein Auto.
"Bist du immer so schreckhaft?", Kate lachte.
"Jetzt verfolgst du mich aber mal", scherzte ich. Ausnahmsweise eine Ausrede dafür, dass nicht immer ich Diejenige war.
"Guckst du auch den Sonnenuntergang an?", fragte ich.
"Ja. Abends ist es sehr schön hier. Ich würde auch noch ein wenig länger bleiben, aber ich muss gleich noch los."
"Wohin denn?"
"Zum Fitness", antwortete Kate.
"Achso".
Eine kurze Zeit gingen wir nur still nebeneinander her.

"Was machst du eigentlich so, gehst du noch zur Schule?", fragte Kate mich.
Wie alt dachte sie eigentlich dass ich bin??
"Ne, ich bin schon 23", ich lachte. "Echt?", Kate sah mich erstaunt an. "Hätte ich jetzt nicht gedacht".
...Sollte ich das jetzt als Kompliment nehmen...?
"Ja, mich halten oft Leute für jünger. Ich bin selbstständig, bzw selbstständig in Ausbildung". Und dann erzählte ich, von meiner Arbeit, Kate erzählte ein wenig von ihrer, und wir unterhielten uns, bis wir wieder zuhause ankamen. Ich blieb vor meinem Haus stehen. Kate wäre fast weitergegangen. "Ups, ich vergess immer dass du hier wohnst", sie lachte verlegen.
Ja ja, Kate und ihr Kurzzeitgedächtnis.
"Bis irgendwann", sagte ich.
"Wir sehen uns ja sowieso wieder", grinste sie und ging.

Heute nicht mehr, dachte ich mir. Wenn ich sie zu oft irgendwo treffen würde, käme das vielleicht komisch...
Nicht dass sie doch denkt ich würde es darauf anlegen. Ich meine, das war doch nicht so. Oder...?

Nach dem Abendessen und ein paar Aprilscherzen meiner Freunde, war ich irgendwie wieder angenervt von diesem Tag. Also entschied ich mich, noch eine kleine Runde spazieren zu gehen.
Es war 21Uhr, Kate war noch nicht zuhause und somit würden wir uns auch nicht begegnen.
Wieder in unserer Straße, traf ich auf Luna, unsere Katze. Sie schlenderte ein wenig mit mir den Bürgersteig entlang. Ich hörte ein Auto hinter uns, und Luna spazierte auf die Straße.
DIESE VERRÜCKTE!
Das Auto wurde zum Glück langsamer, und ich versuchte Luna von der Straße zu scheuchen. Lebensmüde oder was!?
Oft fuhren hier Lieferwagen oder ähnliches mit teils über 50km/h durch, die schauten nicht ob da eine kleine Katze herumlief.

Luna endlich wieder auf den Gehweg befördert, drehte ich mich zu dem Auto um. Beinahe hätte ich angefangen zu lachen. Das konnte jetzt doch nicht wahr sein. Es war Kate.
Dieses Auto erkannte ich sogar im Dunkeln sofort.
Kate hatte ihr Fenster bereits heruntergefahren.
"Entschuldigung!", rief ich.
"Na, was gehst du denn noch Spazieren um diese Uhrzeit?", fragte sie.
"Ich mag die frische Luft".
"Bisschen kalt, findest du nicht?"
"Doch, schon. Kalte Luft macht aber auch nen kühlen Kopf", scherzte ich.
"Dann noch einen schönen Abend", sagte Kate und fuhr weiter.

Ich seufzte. "Luna, war das deine Absicht?", schaute ich meine Katze an.
Doch diese sah nur kurz zu mir, und lief dann Kate hinterher.

Sweet Neighborhood 💞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt