die Zimmerbesichtigung(en)

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Ich stand nach einem langem Marsch endlich vor einer Tür. Zombey und O-Saft waren hier stehen geblieben. Zombey holte seine Schlüsselkarte hervor und öffnete die Tür. O-Saft gab mir einen kleinen Schubs und ich stolperte durch den Eingang. "So, hier wohne ich also", meinte Zombey und schaltete das Licht ein. Hier gab es keine Fenster, generell kein Glas. Das Zimmer hatte einen dunklen Parkettboden und ein großes, lila bezogenes Bett mit unzählig vielen Kissen darauf. Es gab noch einen großen Schrank und einen Schreibtisch mit einem Ledersessel. Eine Tür führte vermutlich zum Bad. Alles in allem war es hier sehr ordentlich und recht normal, bis auf das die Fenster fehlten.

"Eigentlich sehr normal, nicht wahr?", sagte O-Saft und Zombey grinste amüsiert, als er meinen verwirrten Gesichtsausdruck sah. "Aber hier fehlen Fenster", bemerkte ich. Zombeys Miene gefror. "Ja, stimmt", sagte er, "Die würden hier für andere fehlen. Aber ich hasse Fenster".

Verwirrt legte ich den Kopf schief: "Wieso?". Zombey seufzte und antwortete: "Weil ich mich darin spiegeln kann. Ich habe angst vor meinem eigenem Spiegelbild. Ich habe Angst vor mir selbst". Das war seltsam. Zombey war doch so nett und höflich, wie konnte er dann Angst vor sich selbst haben? Andererseits ist das hier eine geschlossene Anstalt für psychisch Kranke, wieso sollte es hier dann nicht jemanden geben, der sich vor seinem Spiegelbild fürchtet.

"Er hat es soweit im Griff, Dado, keine Sorge", meinte O-Saft und strich mir über den Rücken. "Was soweit im Griff?", fragte ich misstrauisch. "Kannst du es ihm sagen... draußen? Ich brauche ein wenig Zeit für mich, bitte", bat Zombey leise. O-Saft nickte bloß und schob mich zur Tür hinaus. Gerade als er sie schloss, hörte man von drinnen nur ein: "Jetzt sind wir endlich allein, Zombey".

"War da noch jemand im Raum?", fragte ich nervös. Vielleicht gab es noch mehr Leute, die sich in andere Räume schlichen, als GermanLetsPlay. "Nein, das war Zombey", seufzte O-Saft. "Wie jetzt?", fragte ich, noch nervöser als vorher. "Er hat eine gespaltene Persönlichkeit. Der Zombey, den du mittlerweile gut kennst und der dein Freund ist, ist der...naja...ursprüngliche Zombey. So war er eben vor dem Unfall. Den Zombey, den du da gerade gehört hast, das war der Derp-Zombey. Alles ist für ihn dann Friede-Freude-Eierkuchen und sein bester Freund ist Mister Enderman, der Blumenverkäufer. Wenn er dieser Zombey ist, verstellt er seine Stimme. Schau mich nicht so an, ich hab mir das nicht ausgedacht. Den letzten Teil seiner Persönlichkeit willst du nicht kennenlernen. Ich habe diesen Teil nur einmal gesehen und das war schon genug. Wenn dieser Teil in Zombeys Bewusstsein vordringt, ist er sadistisch, blutrünstig, mörderisch, zynisch, pervers...kurz gesagt gefährlich, deswegen wohnt er auch so weit hinten im Gang", erklärte mir O-Saft. Ich nickte vorsichtig. "W-was für ein Unfall", fragte ich leise.

"Das wissen wir nicht", meinte O-Saft, "Er erzählt nichts davon. Nur, dass er, als er in den Spiegel sah, einen kaltblütigen, hirnlosen Mörder sah. Wie ein Zombie, der sich auf seine ehemalige Familie stürzt. Deswegen hat er sich auch Zombey genannt, glaub ich". Wieder nickte ich bloß. Ich konnte mir das nicht wirklich vorstellen, dass Zombey ein Mörder war.

Wir standen jetzt vor einer Tür, in der eine Orange eingeritzt war. Das war ziemlich auffällig, denn alle Türen, die ich hier bisher gesehen habe, waren gleich. "Hab ich selbst vor einem Jahr oder so gemacht. Sie haben gesagt, dass sie es wegmachen und es ist bis heute noch dran", meinte O-Saft grinsend, als er meinen Blick sah. "Komm rein", sagte er und schaltete das Licht an.

Und da blieb mir der Mund offen stehen. Sein Zimmer war komplett orange tapeziert, sein kleines Bett stand in einer Ecke und überall auf den weißen Regalen und Schränken waren Plastik-Orangen oder Körbe voller echter Orangen. Doch das war nicht das erstaunliche. In der Mitte dieses Zimmers stand ein Baum. Ein Orangenbaum.

"Komm, setzt dich", meinte O-Saft fröhlich und setzte sich auf eine Schaukel, die von den Ästen baumelte. Ich setzte mich fassungslos neben ihn. "D-du hast...einen Baum in deinem Zimmer?", presste ich erstaunt hervor. Die Lichterketten warfen ein warmes Licht auf O-Saft und er lächelte selig. "Ja, meinen Lebensbaum", meinte er freudig. "Ähm...wie?", fragte ich. "Ich liebe Orangen. Ich bin ein Teil von ihnen und sie sind ein großer Teil von mir. Wenn du eine Orange isst, isst du quasi auch mich. Einen Arm oder ein Bein zum Beispiel. Ich bin mit ihnen verbunden, Dado. Und deswegen habe ich diesen Baum hier stehen. Er trägt bald schon wieder Orangen, ist das nicht toll? Diese wunderbaren, göttlichen, himmlischen, atemberaubenden Früchte...", er funkelte mich mit einem wahnsinnigen Blick an. "Weil diese Früchte so göttlich sind, habe ich beschlossen: Wenn der Baum stirbt und sein letztes Blatt verwelkt ist, dann werde auch ich sterben", meinte er.

"O-Saft?", fragte ich leicht verängstigt durch seine grünen Augen, die mich geisteskrank anfunkelten. "Maudado? Wenn du jemals einer Orange etwas antust, werde ich dich töten. Ich will das aber nicht, verstehst du? Versprich mir, dass du nie, und damit meine ich auch nie, niemals einer Orange etwas antuen wirst", meinte O-Saft und kam mir mit seinem Gesicht sehr nahe, sodass sich fast unsere Nasenspitzen berührten.

Ich schluckte: "Werde ich nicht, O-Saft". Erwartend schaute er mich an. "Ich verspreche es dir", fügte ich noch hinzu. O-Saft lachte. "Gut, da wir das jetzt geklärt hätten: möchtest du irgendetwas spielen?", fragte er. Seine Stimmungsschwankung jagte mir einen Schauer über den Rücken und ich bekam Gänsehaut. Wie konnte ein so liebevoller und fröhlicher Mensch so gruselig werden?

"Ist dir etwa kalt, Maudadidado?", fragte O-Saft, nicht mehr fröhlich, sondern besorgt. "Äh", war das einzige, was ich hervorbringen konnte, als mir O-Saft auch schon einen Pullover von sich ins Gesicht warf. Ich zog ihn wiederwillig über (und der Pulli war zu groß, was nicht anders zu erwarten war).

"Ou, bist du niedlich, Maudado", quietschte O-Saft und zog mich an seine Brust. Ich drückt mich sanft, aber bestimmt von ihm weg. "Äh...O-Saft. I-Ich bin...müde. I-Ich mö-möchte schlafen gehen", murmelte ich leise. "Kein Problem, ich bring dich in dein Zimmer", bot mir O-Saft freundlich an. "Nein, nicht nötig, danke", sagte ich etwas zu schnell und sprang auf.

"Pass auf, Maudado, dass dir nichts auf dem Weg passiert", meinte O-Saft auf einmal kalt, mit einem deutlich warnendem Unterton. Ich drehte mich zu ihm um und sah in sein verkniffenes Gesicht, in dem die Besorgnis und die Enttäuschung so tief eingemeißelt waren, dass es weh tat. Ich wandte mich schnell wieder der Tür zu und schlüpfte hindurch.

Nachdem ich sie sanft geschlossen hatte, machte ich drei vorsichtige Schritte rückwärts, den Blick starr auf die Tür gerichtet, dann drehte ich mich um und rannte.

Ich rannte einfach nur weg, vor ihm, vor diesen geistig Verwirrten, vor allem. Ich rannte zu meinem Zimmer, dem einzigen Ort, an dem ich mich sicher fühlte. Aber selbst dort würde ich es nie sein.

Vertraue niemandem, sagte mir GLP in meinem Kopf. Eindringlich, als hätte er geahnt, dass so etwas passieren würde. Meine 'Freunde' haben sich als komplett abgedrehte Psychopathen herausgestellt.

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