ein Mord und ein Kuss

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Ich erwachte, öffnete jedoch nicht meine Augen. Das tat ich enttäuschender Weise immer wieder. Wieso konnte ich nicht für immer schlafen? Ich wollte nicht diese Welt sehen. Ich war einerseits zu feige dazu, andererseits war ich zu verletzt. Doch ich hatte nicht bloß die Augen, um die Welt um mich herum wahrzunehmen. Ich spürte die Körperwärme einer anderen Person auf meiner Haut. Ich hörte das gleichmäßige schlagen eines Herzens. Ich roch den Geruch von Orangen. Ja, selbst schmeckte ich Orangen in der Luft, so intensiv war es. Ich nahm noch alles wahr. Leider.


Meine Augen öffneten sich schließlich doch. Ich lag, wie vermutet, in den Armen eines Menschen, der mich abgrundtief hassen musste. Ich schaute ängstlich zu ihm hoch. Er hatte seine Augen geschlossen und ein sanftes Lächeln zierte seine sinnlichen Lippen. Eine Strähne hing ihm in die Stirn, doch ich strich sie sanft beiseite. Seine Haut war weicher als Samt und ich erschauderte. Er bewegte leicht seinen Kopf zu mir, um dann friedlich weiterzuschlafen.


Ich riss mich von seinem Anblick los und wollte schnell aufstehen, um zu Zombey zu flüchten, als mir etwas auffiel. Langsam legte ich mich wieder in seine Arme und starrte entgeistert auf seinen Hals. Meine Hand zitterte als ich sie anhob, um ihn dort zu berühren. Dort am Hals, dort wo eine Brandwunde prangte. Vorsichtig fuhr ich darüber. Wie konnte man so etwas tun?


Er kniff schmerzverzerrt im Schlaf die Augen zusammen und ich zog schnell meine Hand zurück. Er öffnete seine Augen und schaute mich direkt an. Seine Augen waren unbeschreiblich schön, wie mir auffiel. Braun mit einem grünen Ring herum. Und einem schönen funkeln. Wie Sterne.


"Dado?", fragte mich O-Saft, "Geht's dir gut?". Mein Gesichtsausdruck wandelte sich binnen weniger Sekunden und ich starrte ihn verachtend an. Meine Faszination für ihn verflog so schnell, wie sie kam. "Als ob dich das interessieren würde!", rief ich wütend und setzte mich auf. Tränen bildeten sich in meinen Augen. "Tut es", gab er zurück und setzte sich neben mich. Er war mir schon wieder nah. Wieso? Er hasst mich.


"Nein, definitiv nicht", sagte ich trotzig. Mich interessierte es nicht, dass meine Stimme dabei zitterte, oder dass mir Tränen aus den Augen liefen. "Doch. Mehr als jeder andere hier", sagte er. "Dann erklär mir mal, wieso du mich dann absichtlich vergiftest!", rief ich und schluchzte los. Er zog mich an seine Brust, doch ich stieß ihn von mir. Er fiel von meinem Bett und schrie vor Schmerz auf. Doch ich hatte kein Mitleid.


Als er sich wieder zu mir setzte, konnte ich aus seinem Gesicht ablesen, dass er sich quälen musste. Aber das geschah ihm recht. Als er wieder neben mir saß, sah er mich mit traurigen Augen an. "Das wollte ich dir so oder so erklären. Diese Klapse ist keine normale geschlossene Anstalt. Hier werden verschiedene Mittel getestet. An mir wurden gestern zum Beispiel Schmerzmittel getestet. Die sollen dann irgendwann für Soldaten im Krieg eingesetzt werden, weil bestätigt wurde, dass Morphium seine Wirkung verliert und zu teuer wird", fing O-Saft an zu erklären. Doch ich unterbrach ihn: "Lüg mich ruhig weiter an. Kein Staat würde Menschen-Experimente zulassen. Wir leben in Deutschland, das ist ein Sozialstaat. Da also erst recht nicht". Er seufzte. "Es ist aber die Wahrheit, Maudado. Ich weiß auch nicht wieso, warum, geschweige denn wie jemand auf so eine Idee gekommen ist. Aber es ist so, dass nur die Menschen hier landen, die entweder zu gefährlich für die Außenwelt werden oder die keine sozialen Kontakte mehr haben und sowieso sterben wollen. Das man hier eine psychische Störung entwickelt ist ganz normal", versuchte er mir weiterhin die Situation zu erläutern. Und es leuchtete mir sogar ein. "Und wieso vergiftest du mich dann?", fragte ich ihn leise. Ich kannte die Antwort schon, wollte sie jedoch aus seinem Mund hören.

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