J U N E⚔︎
»Du solltest nicht hier sein, mein Kind.«
Es überraschte mich nicht, dass er mich sofort erkannt hatte, auch ohne sich umzudrehen - dafür war er viel zu aufmerksam.
Lächelnd trat ich zu ihm auf die Brücke, die zu einem traditionellen Shinto-Schrein mitten im Teich führte.
»Grossvater. Wie geht es dir?«
So ruhig wie die Wasseroberfläche des Teiches antwortete er: »Wieso bist du nicht bei den Werwölfen in Semeera geblieben und nach Minkaujin zurückgekehrt?«
Nach der gestrigen Schlacht gegen den Gott der Unterwelt Hades und seiner Komplizin Reyna, meiner Schwester, wurde ich in Semeera gefangen genommen, unter Verdacht, mit meinen Geschwister unter einer Decke zu stecken und auf Hades Seite zu stehen.
Nur dank einem gewissen stummen Werwolf atmete ich noch. Er hatte mich in Schutz genommen und mich dann auf meinen Wunsch hin wenige Stunden später zurück nach Minkaujin teleportiert.
Ich bezweifelte, dass ich ihn je wieder sehen würde. Diesen stillen, grauäugigen Werwolf, der mich fixiert hatte, als wäre ich seine Beute.
»Ich könnte dich doch nie alleine zurücklassen.«
Keine meiner Geschwister, weder meine Schwester noch mein Bruder hätten sich meine Gesellschaft erwünscht, doch stets Grossvater. An keinem Zeitpunkt meiner Kindheit hatte er sich von mir abgewendet.
»Es ist hier nicht sicher für dich.« sagte Grossvater, seinen Blick auf das Schauspiel der Koi Fische gerichtet.
Ich legte meine Hand über seine, die sich am Geländer festhielt und kicherte leise. »Sei nicht albern, Minkaujin ist meine Heimat, wo sollte ich sicherer sein als hier? Ausserdem ist Reyna untergetaucht und Shiyan ... Shiyan ruht nun in Frieden.«
Nun wandte er sich von den Fischen ab und drehte sich mir zu. Seine weisen, alten Augen, um die sich etliche Falten zogen, sahen mich gütig an und er drückte meine Hand. »Deine Schwester mag untergetaucht sein, aber sie ist nicht tot. Nun ohne Shiyan ist sie die nächste Thronerbin und damit Königin von Minkaujin.«
»Aber Reyna ist nicht hier und ausserdem ist sie kein wahres Drachenblut. Sie ist einen Pakt mit Hades eingegangen und nur durch ihn ist sie an die Gabe des Feuers gekommen.« Ich schüttelte meinen Kopf und versicherte ihm in Zuversicht: »Es ist alles eine Lüge.«
Die Legenden behaupten, dass der einstige Drache Ozuro unser Land während eines Krieges mit seinen Feuerflammen beschützt hat. Doch unglücklicherweise traf das blaue Feuer auch Leute unseres Volkes und riss es mit in den grausen Tod. Nur einer Familie konnten die tödlichen Flammen überleben – die Nakajimas. Meine Familie.
Es heisst, wir seien von da an mit der Gabe seiner Feuerflammen gesegnet – es fliesse angeblich in unserem Blut.
Das letzte Drachenblut wurde vor mehr als 25 tausend Sonnenumläufen geboren, aber seit da an schien es, als würde uns der Segen von Ozuro verlassen zu haben.
»Ob sie nun ein wahres Drachenblut ist oder nicht, spielt keine Rolle.«
Ungläubig starrte ich Grossvater an, dem die Legenden und der Glaube an Ozuro heiliger war als sein heissgeliebter Tee. »Wie kannst du so etwas sagen? Ozuro würde sich im Grab umdrehen, bei deinen Worten.«
»Alle Minkaujianer denken, dass Reyna seine Gabe in sich trägt und das ist alles, was zählt. Solange sie glauben, Reyna sei das rechtmässige Erbe Ozuros werden sie ihr bedingungslos folgen, komme was wolle.«
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A R R O W
Werewolf⚔︎ KURZGESCHICHTE DER " a mate's call " SERIE ⚔︎ (Kann unabhängig von allen 4 Teilen der Serie gelesen werden) ⚔︎ June hat alles hinter sich gelassen und begibt sich nun in das Land der Werwölfe. Plötzlich muss sie sich in einem neuen Rudel zurec...