Morgenrot

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Hallo liebe Leser!

Leider musstet ihr auf ein neues Kapitel länger warten als sonst. Im Moment habe ich weniger Zeit zum weiter schreiben. Auch wenn es etwas dauert: es geht auf jeden Fall weiter.

Fast 300 Leser! Ich bin begeistert.

Und bitte, schreibt mir, wie euch die Story gefällt. 

Euer

YaoiStoryteller 

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Fast die ganze Nacht hatte es geregnet. Jetzt, nur Stunden vor dem Morgengrauen lag ein Nebelschleier über den menschenleeren Straßen der Stadt; nur vereinzelt bewegten sich Autos über die nassen Straßen. Die letzten Nachtschwärmer auf dem Heimweg oder auch die ersten Frühaufsteher auf dem Weg zur Arbeit. Irgendwo in einer Seitenstraße hielt eine schwarze Limousine am Straßenrand. Kyrill stieg aus und ging durch den Nebel die Straße entlang. Nach einigen Metern blieb er stehen, sah sich um und kletterte behände über einen Bretterzaun.

Das spärliche Licht der Straßenlaternen wurde durch den Bauzaun weitgehend ferngehalten. Unmittelbar vor Kyrill befand sich der Abgrund einer Baugrube in der sich der Nebel wabernd gesammelt hatte. Herausragende Stahlträger verstärkten den geisterhaften Anblick noch.

Vorsichtig schritt Kyrill um die Baugrube herum und schwang sich auf der anderen Seite abermals über einen Lattenzaun. Er stand in einem verwilderten Garten, der vor langer Zeit einmal schön gewesen sein mochte, nun aber von Efeu, Brennnesseln und anderem Unkraut völlig überwuchert war. Vor ihm erhoben sich die schwarz verfärbten Ruinen des Hauses zu dem der Garten gehörte. Kyrill tat ein paar Schritte auf das Haus zu, blieb dann stehen und wartete. Lange geschah nichts. Dann, als Kyrill bereits wieder umkehren wollte, raschelte es im Gestrüpp neben ihm.

„Endlich bist du gekommen“, hörte Kyrill eine weibliche Stimme aus der Dunkelheit. Langsam wandte er sich um und erkannte eine Frau in den mittleren Jahren. Lange, rötliche Haare fielen ihr bis über die Schultern herab, ein paar Strähnen hatten sich vor ihrem Gesicht verirrt. Goldfarbene Augen sahen Kyrill an. Sie war nicht übermäßig schlank; unter ihrer hellen Haut zeichneten sich kräftige Muskeln ab, jedoch ohne ihre Weiblichkeit zu beeinträchtigen. Eine wilde Anmut ging von ihr aus.

„Ja“, antwortete Kyrill leise, „endlich.“ – „Du hast lange gezögert.“ – „Ich hätte niemals kommen dürfen, Amanda.“ Sie ging auf ihn zu und legte ihre Arme um Kyrill. Freundlich und sanft flüsterte sie: „Es ist gut, dass du gekommen bist.“ Dann gab sie ihm einen Kuss auf den Mund.

Kyrill stand regungslos da. Nach einigen Sekunden löste er sich aus ihrer Umarmung und hielt ihre Handgelenke fest. „Ich habe nicht viel Zeit, Amanda“, erwiderte er. Als er das Echo seiner eigenen Stimme hörte, tat es ihm leid und er sagte „Verzeih mir.“ Dann drehte er sich um und ging fort. Sie sah ihm traurig nach.

Er schritt weiter auf die Ruine zu fand neben den Resten der Veranda eine Treppe und stieg hinab in den Keller. Es war warm und die Luft war stickig und roch nach Blut, Tod und Verwesung. In den Ecken lagen Plastiktüten mit leeren Flaschen und Lumpen gefüllt; die Hinterlassenschaft armer, gescheiterter Seelen. Kyrill ging langsam weiter, ohne sie zu beachten. Obwohl es stockdunkel war kannte er den Weg. Er roch  Blut, und hörte den schwächer werdenden Herzschlag eines Landstreichers. Er folgte der Fährte und erreichte schließlich ihren Ursprung.

Kyrill hielt inne. Jetzt ist es zu spät, zurückzuweichen, dachte er bei sich. Ich hätte nie nachgeben dürfen. Schon gar nicht wegen Alexander. Doch jetzt ist es zu spät.

Dann betrat er einen kleinen Kellerraum der von einer Kerze schwach beleuchtet wurde. In einer Lache aus seinem eigenen Blut lag ein Mensch, der gerade sein Leben aushauchte. Blut strömte aus einer großen Wunde, dort wo eigentlich seine Kehle sein sollte. Ein großer, grauer Wolf hockte über ihm und wendete den Kopf als Kyrill eintrat.

Aus kalten, gelben Augen funkelt er Kyrill an und fletschte die Zähne und knurrte als er Kyrill fixierte und stürzte sich auf ihn. Kyrill konnte gerade noch ausweichen, so dass die scharfen Krallen des Tieres nur seinen Mantel zu fassen bekamen. Der Vampir versuchte nun, sich seitlich auf den Wolf zu stürzen, verfehlte ihn jedoch und prallte gegen die Wand. Diesmal war der Wolf schneller, schlug seine Pranke in Kyrills Schulter und schnappte nach dessen Kehle. Kyrill fühlte den heißen Atem des Wolfs an seinem Hals und wich der blutigen Schnauze aus. Mit einem gezielten Stoß beider Arme schleuderte er die Bestie gegen die gegenüberliegende Wand.

Er stürzte dem Werwolf nach, der sich wieder aufgerappelt hatte und es ihm gleich tat. Die beiden Kämpfer krachten aufeinander. Krallen bohrten sich tief in untotes Fleisch und die starken Arme Kyrills brachten Knochen zum knirschen. Jeder gierte nach der Kehle des anderen und eng umschlungen wälzten sie sich durch den Keller.

Die Welt um sie herum hörte auf zu existieren. Nichts gab es für sie beide mehr als nur den Hass auf einander. Getrieben von dem Verlangen, einander zu vernichten, fielen sie übereinander her, lösten sich von einander, verfolgten sich und schlugen aufeinander ein. Nichts um sie herum existierte. Die Leiche des Landstreichers nicht, seine armselige, in Tüten verstaute Habe nicht, und auch nicht die kleine Kerze, die dem Keller das einzige Licht spendete.

In ihrem Durst nach Blut und Tod bemerkten sie nicht, dass die Kerze auf eine der Tüten fiel und die Stofffetzen in Brand steckte. Plötzlich zerbarst eine Flasche mit Schnaps und so breitete sich das Feuer im Keller aus. Doch noch immer bekämpften sich die beiden Wesen unerbittlich und ohne ihre Umgebung wahrzunehmen.

Erneut stürzte der Wolf auf Kyrill zu, der diesmal nicht auswich. Kyrill fühlte zwei seiner Rippen brachen. Doch er konnte mit beiden Händen einen Vorderlauf des Wolfes umklammern. Er hörte, wie der Knochen splitterte. Der Wolf heulte auf vor Schmerz, doch in das Geheul mischte sich das Geräusch des Feuers, das mittlerweile in einem Großteil des Kellers wütete. Kyrill hielt inne. Dann stieß er den Wolf von sich und wandte sich zur Flucht.

Als er wieder im Garten stand, hörte er aus der Ferne eine Sirene. Möglicherweise war das Feuer schon bemerkt worden. Er sah sich um, und erkannte, dass dunkler Rauch aus der Ruine sich gegen den fahlen Morgenhimmel abzeichnete. Kyrill begann zu rennen. Wieder durch den Garten und an der Baugrube vorbei. Zurück auf die Straße. Er öffnete eine Gullideckel und ließ sich in den Schacht herab. Über sich schloss er den Deckel wieder. Dann kroch er einige Meter den Kanal entlang und blieb dann liegen. Mehr würde er nicht tun können. Minuten später würde die Sonne aufgehen. 

Kyrill und JonathanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt