Kapitel 5 - Verlies

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"Wie kann ich meinen Vater nur aus dem Bann dieses Mannes befreien?", fragte ein junger Schäferhund. "Wieso erwartest du von mir, dass ich dir helfe?", wollte der eingesperrte Wolf wissen. Der schwarzbraune Hund schlich mehrere Stunden, um unbemerkt Wayvern zu erreichen.

Hyten war der einzige Sohn des Herzogs und damit sein Erbe. Im Gegensatz zu seinem Vater bezweifelte er jedoch, jemals den Thron zu besteigen. Wenn er könnte, wäre das Herzogtum bereits Teil des Rates der Welten. Hyten trauerte jedenfalls dem Kaiser und seinem Reich nicht nach.

Der Schäferhund fürchtete sich aktuell mehr vor dem mysteriösen Mann als vorm Rat. Dieser Verschleierte hatte seinen willensstarken Vater in so kurzer Zeit gebrochen und ihn zu einer Marionette gemacht. Auch wenn er gegen die Ideale und Ziele seines Vaters war, er war nun mal sein Vater. Hyten würde alles tun, um ihn aus dem Bann zu befreien. Auch wenn dazu gehöre, mit dem Rat der Welten ein Bündnis zuschließen. 

Der junge Hund befürchtete, dass die Pläne des Vermummten alles gefährden, was die Einwohner aufgebaut hatten. Wenn der Verhüllte sein Ziel erreicht habe, verließe er sie wahrscheinlich. Hyten musste ihn stoppen, bevor der Einfluss des Verschleierten sie alle tötete. Dazu standen die Truppen des Rates quasi bereits vor ihren Türen. Auch mit der Unterstützung der Berserker hätte sie keine Chance, sich zu wehren.

Aktuell gab es jedoch nur einen, der ihm dabei helfen könnte, den Mann zu stürzen und dieser saß vor ihm. "Ich weiß, was ihr wollt und ihr wisst, was ich will. Wenn ihr mir helft, meinen Vater aus dessen Bann zu befreien, werde ich dafür sorgen, dass das Militär kapituliert", bot Hyten ein wenig verzweifelt an. Seine einzige Hoffnung lag in dessen Pfoten.

Wayvern wählte seine Worte mit bedacht: "Ich bin mir den Kräften des Verhüllten bewusst. Magie kann ziemlich überzeugend sein. Die gesamte Festung steht unter dessen Bann. Und ihr wollt mir weiß machen, dass ihr nicht unter seiner Kontrolle steht."

Hyten erhielt dadurch Gewissensbisse. Er fragte sich innerlich, weshalb er noch frei denken konnte. Vielleicht kontrollierte er ihn schon. Vielleicht wollte der Verhüllte auch, dass er Wayvern befreit. Dies könnte auch erklären, wieso er unbemerkt die Zelle erreichen konnte. Sollte er die Pläne des Mannes durchführen? War er bereits seine Marionette? Es musste doch einen Weg geben, sich von deren Einfluss zu befreien. Wie sollte er dem Wolf beweisen, nicht unter der Kontrolle des Verhüllten zu sein, wenn er selbst nicht wusste, ob er noch einen freien Willen besaß. Er fürchtete sich vor sich selbst.

Aggressives Knurren schreckte Hyten auf. Gerade so konnte der Hund sich noch in Deckung bringen, bis der Verhüllte vor der Zelle stand: "Habt ihr meinen Vorschlag noch einmal durchdacht?" Der Wolf drehte dem Mann seinen Rücken zu, bevor er unmissverständlich ablehnte. Wayvern blieb bei seiner Position, nicht eine Marionette zu werden. Um den Verschleierten zu verjagen, jaulte Wayvern so laut, er konnte. Dies löste in Hytens Ohren Schmerzen aus. Er glaubte, sein Trommelfell würde gleich platzen. Frustriert verschwand der Mann.

Interessanterweise half die Aktion Hyten, mehr über den Verschleierten zu erfahren. Seine Macht begrenzte sich auf das Sichtfeld seines Gegenübers. Bisher hatte der Hund nicht direkt in dessen Gesicht geschaut. Er konnte sich also sicher sein, nicht unter dem Bann zustehen. Vielleicht könnte er jetzt den Wolf überzeugen.

Als er sicher war, dass die Luft frei war, drehte er sich zur Zelle. Deren Tür stand jedoch offen und vom Wolf fehlte jede Spur. Er untersuchte die Tür, doch wie er sie öffnete, blieb ihm ein Rätsel. Wenn er Hilfe gehabt hätte, wäre es aufgefallen. Hyten leuchtete damit auch ein, weshalb er sein Angebot ablehnte. Er besaß bereits einen Plan, wie er ausbrechen könne. Wayvern wollte die Anwesenheit des Verhüllten, weil er damit verhinderte, von ihm überrascht zu werden. Es würde eine Weile dauern, bis der Verschleierte den Wolf erneut verhört. Bis dahin wäre er längst weg. Hyten benötigte ihn jedoch dringend.

Wenn die Ratsarmee von seinem Ausbruch erfahre, könnte die Invasion sofort beginnen. Wenn der Krieg herrsche, wäre es fast unmöglich, seinen Vater zu retten. Hyten musste ihn irgendwie abfangen, bevor er die Festung verlassen konnte.

Er schlich vorsichtig durch die Gänge des Verlieses, bis er auf Wachen stieß. Als er diese genau beobachtete, fiel ihm auf, dass sie sich kein Stückchen bewegen. Zwar waren diese Berserker seltsam, aber selbst sie zeigten Regungen. Er wagte sich aus dem Schatten, um sie genauer analysieren zu können. Im Hals dieses Monsters steckte seine eigene Waffe. Sie durchstach den gesamten Hals und die Spitze der Waffe kam auf der anderen Seite wieder raus. Das Schwert verhinderte jeglichen Blutaustritt, weshalb nirgendwo Blut klebte. Wayvern stoppte die Blutversorgung des Gehirns. Er hatte zum richtigen Zeitpunkt, die Lösung gefunden. Hyten vermutete, dass Wayvern die Zeit im Gefängnis nutzte, um die Berserker zu beobachten. Der Wolf war ihm mehrere Schritte voraus.

Auch die nächsten Wachen trugen ihre Waffen im Hals. Er fand nach und nach immer mehr Kadaver. Sie waren immer so positioniert, wie sie es als Lebende taten. Da die Schwerter aus einem seltsamen schwarzen Metall bestanden, erkannte man sie von weitem nicht. Eine ausgeklügelte Taktik. Er schien nicht ohne Grund der Leiter der Grenzschutzbehörde zu sein.

Trotz alledem musste er sofort das Gefängnis verlassen, bevor weitere Wachen kommen. Hyten wusste, dass in Kürze der Wachwechsel begann. Dazu gruselte er sich, wenn er in die Zellen blickte. Diese willenlosen Hunde, die vor kurzem noch seinem Vater treu dienten, blickten nur in die Leere. Ihre Augen wirkten so leblos. Wie sein Vater dies nur zulassen konnte. Er fragte sich, ob sie jemals wieder normal werden. So viele kannte er bereits seit seiner Kindheit. Hätten sie sich einfach dem Urteil der Allianzwelten gefügt, wären sie nun nicht in dieser misslichen Lage.

Hyten erreichte endlich die Treppe, die ihn an die Oberfläche führen sollte. Als er in das Licht trat, packte ihn etwas von hinten und hielt ihn ein Tuch über seine Nase und sein Mund. Hyten kämpfte dagegen an, aber sein Widersacher hielt ihn fest im Griff. Der Drang nach Luft gab ihm noch etwas Energie, um sich zu befreien, doch langsam verlor er das Bewusstsein. Trotz des Kampfes dagegen schlossen sich seine Augenlider und er brach bewusstlos zusammen.

@Lioness4456 hat für mich ein kurzes Gedicht erstellt, welches in die Thematik des Buches hervorragend passt. Es kann deshalb sein, dass ich ab und zu weitere seiner Gedichte ans Ende der Kapitel stelle. Wenn sie euch gefallen, besucht Lioness4456 einfach. ;)

„Gefangen,

in einem Netz aus Lügen,

Der Dunkelheit des Hasses

Und den Zügen eines Krieges,

Der Frieden wie ein heller Stern,

die finstere Nacht erleuchtet.

Nur wer ihn zu sehen vermag

Wird, der Dunkelheit entfliehen

Und in des Mondes Schein,

die Wahrheit erspähen."

Der verschollene Imperator - Der Rat der WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt