Kapitel 12 - Willensverlust

31 6 8
                                    

"Wie konnte dieses Mistvieh es wagen, mich anzugreifen", knurrte Hyten wütend. Er lag schmerzhaft auf dem Boden seines Thronsaals zwischen den getöteten Berserkern. Mehrere Diener tauchten unverzüglich auf, um ihren Herrscher aufzuhelfen. Hinter ihnen betrat sein Mentor den Raum. Dieser wartete, bis sein Schüler auf dem Thron saß.
Langsam hievten die Willenlosen ihren Herrscher auf den Stuhl. Dort stützte er sich angestrengt auf die Armlehne.
"Wie konntest du es wagen, ohne meine Einwilligung, die Ratsvorsitzende zu konsultieren! Du bist noch nicht bereit für ihre Macht!", kritisierte der Verschleierte.
"Ich bin der König von Kera! Befiehlt mir nicht, was ich für mein Königreich machen soll!", entgegnete Hyten deutlich, schwieg aber schlagartig, als der Verhüllte ihm genau in die Augen schaute. In seinem Kopf hörte er die bedrohliche Stimme seines Meisters unaufhörlich. Mit jedem Moment mehr vergaß Hyten seine eigene Meinung und der Wille des Mannes brannte sich wieder in sein Gedächtnis.
Plötzlich verstand der König seinen Fehler: "Meister, bitte verzeiht mir meine Frevel. Ich war ungehorsam und ihr müsst mich dafür bestrafen!"
"So ist es richtig, mein Schüler! Ihr seid der König, aber ich bin der Herrscher", flüsterte der Verhüllte ihm direkt ins Ohr.

Hyten füllte sich innerlich naiv, seinem Herrn nicht gehorcht zu haben. Er verdankte ihm alles. Ohne ihn wäre er ein nichts. Kera wäre längst in den Pfoten der Katzen. Nur gemeinsam könnten sie diesen barbarischen Rat zu Fall bringen. Dafür müsste aber diese lästige Königin verschwinden. Ihr Tod würde ein schönes Chaos auslösen.

Zwei Diener betraten den Thronsaal. Zwischen ihnen lief eine hübsche schneeweiße Schäferhündin. Immer wieder stießen die Soldaten die Gefangene in die Seite.

"Eure Majestät, wir haben, wie ihr gewünscht habt, die Nichte des Kaisers gefangengenommen", berichtete ein Hund emotionslos. Beide stießen die Weiße genau vor den Thron, wo sie auf die Knie fiel.

Die Nichte des verschollenen Kaisers gehörte einer seltenen Art von Schäferhunden an, die weiße Felle besaßen. Nur wenige überlebten den Krieg, weil die meisten dem Imperator treuergeben waren, trotzdem er diese Eigenschaft nicht erbte. Von den Überlebenden saßen wiederum ein Großteil in Gefängnissen. Die Restlichen lebten seit dem im Exil, um der Strafverfolgung zu entkommen.

"Wer auch immer du bist, ich weiß nicht, wo mein größenwahnsinniger Onkel ist. Du kannst dir die Mühe sparen!", knurrte sie, ohne dem König in die Augen zu schauen.

Hyten konzentrierte sich währenddessen auf den schwarzen Nebel, der aus seiner Krone heraus. Er ließ ihn um die Hündin schwirren, bis der Nebel durch deren Maul floss. Entgegen seiner Erwartungen verfiel die Nichte des ehemaligen Kaisers nicht dem Einfluss. Trotz mehrerer Versuche drang der König nicht in deren Verstand ein.

Hyten sehnte sich nach ihrer Liebe und Gene. Mit ihr als Königin könnte er die versprengten Anhänger des Kaisers einen und sich zunutze machen. Ein weiterer Schritt auf seinem Plan zur Herrschaft über alle Hunde. Dieser schwache, naive König in Canis wird gar nicht so schnell gucken können, wie er seine Macht verliert.

"Wo der Kaiser ist, interessiert mich aktuell nicht. Ich will nur dich!", flirtete der Hund seltsam. Seine Präsenz ließ mehr eine Drohung daraus schließen, als eine Liebeserklärung.

Zornig blickte die weiße Hündin den Maskierten an: "Ich bin unter einem Tyrannen aufgewachsen! Jetzt, wo ich frei bin, werde ich nicht vor einem maskierten, verrückten Hund auf die Knie fallen! Ich sterbe lieber, als vor dir zu kuschen."

Die Diener fügten der ehemaligen Prinzessin Schmerzen zu, um sie für ihre Wortwahl zu rügen. Unbeeindruckt blieb die Hündin aber stehen, ohne sich den Schmerz anmerken zu lassen.
Ihr standhafter Widerstand bestärkte Hyten darin, dass sie die Richtige für den Thron und für ihn war. Kera benötigte ebenfalls eine starke Königin, um mehr Macht zu gewinnen. Niemand könnte diesen Platz besser einnehmen.
"Wenn es dein Wunsch ist, ewig mit ihr gebunden zu sein, kann ich dir diesen Wunsch erfüllen", flüsterte der Verschleierte direkt in Hytens Ohr
Während der König unauffällig nickte, rief er gleichzeitig einige Berserker zu sich, die seinen Meister unterstützen sollten.
Als die Monster auftauchten, befahl der Verhüllte, die weiße Hündin in sein Labor zu bringen. Gewalttätig zog ein Berserker die ehemalige Prinzessin von ihrem Platz, um sie ruppig tragen zu können.
Langsam folgte Hyten seinen Dienern bis zum Raum seiner Wiedergeburt.
Dort hängten seine Diener, die ehemalige Prinzessin zwischen die Säulen. Wie er damals wurde sie gefesselt. Trotz ihres starken Widerstandes gelang es den Berserkern, die Hündin zu befestigen.
Desto enger und kürzer die Fesseln und Ketten wurden, desto weniger kämpfte sie dagegen an. Der Zorn in ihrem Gesicht wich aber nicht: "Egal wie lange ihr mich foltert, ich werde mich euch niemals beugen!"

"Ich werde dich nicht foltern", knurrte der König, "Ich werde dich läutern!" Dieses Mal berührte Hyten jede Säule, um das Ritual zu beginnen.

Entgegen dem letzten Male färbten sich zwei der Pfeiler dunkelrot und der dritte nahm ein tiefes Schwarz an. Der Verschleierte löschte jegliche Lichtquellen, wodurch nur das schwache Licht der Säulen den Raum erhellte.

Bereits vor der Entstehung der Kristalle fing die weiße Hündin an, schmerzvoll zu schreien. In ihren Augen kämpften die grünen Pupillen um die Herrschaft. Ihr Wille versuchte, der dunklen Magie entgegenzutreten, doch das Grün übernahm immer seltener die Führung.

Währenddessen begann der Kristall über deren Körper zu wachsen. Aus der schwarzen Säule entstand eine dunkle Schicht, während roter Kristall aus den roten herauskam.

Die Überdeckung unterband immer mehr das Zittern der Hündin. Als ihr linkes Auge ständig die rote Farbe annahm und das rechte schwarz blieb, hörten jegliche Regungen auf. Die zur Hälfte überdeckte Hündin ließ ihren Widerstand fallen, um regungslos das Wachstum laufen zu lassen. Darauf breitete sich die Hülle auch über die Halsfessel aus, womit der Kristall begann, den Kopf zu überdecken. 

Während die Augen starr offenblieben, löste sich der Kiefer, wodurch der Unterkiefer weit nach unten hing und das Maul vollständig offen war.

Das Gestein breitete sich bis tief in den Rachen aus und kam aus der Nase wieder heraus. Von dort aus überdeckte sich das restliche Gesicht.

Durch das Fell sah man, dass sich der Kristall immer stärker an den Körper presste, bis alle Haare an der Haut klebten.

Langsam wurde das Schwarz immer tiefer und das Rot immer dunkler, bis die Hündin nicht mehr zu sehen war.
Schlagartig herrschte um den eingesperrten Körper die tiefste Finsternis.
Selbst mit seinen veränderten Augen erkannte Hyten die Hündin nur noch schleierhaft.
In ihm regte sich ein ungewöhnliches Gefühl von Vorfreude. Bald wäre sie seine Königin und er könnte das gesamte Hundereich beanspruchen.
Am wichtigsten war aber die Schaffung eines Erben. Ein Kind, welches von Geburt an die Macht seines Meisters in sich trägt, könnte als Messias die Welt vom Einfluss des Katzenkristalls befreien.

Nach einer gefühlten Ewigkeit begann der Kristall langsam abzubröckeln. Anfangs zeigten sich nur ihre Pfoten, dessen weiße Farbe verschwunden war. Ihre linken besaßen ein dunkles weinrotes Fell, während die rechten ein schwarz angenommen hatte. Dazu wuchsen deren Krallen um das Doppelte.
Immer mehr zeigte sich der neue muskulöse zweigeteilte Körper. Ihr gesamter Pelz teilte sich in die zwei Farben.

Wie bei Hyten unterschied sich besonders ihr Kopf. Sie schaute noch mit ihren unterschiedlich farbige Augen starr nach vorne.
Die Größe ihrer Ohren wuchs deutlich an und ihr Kiefer wirkte wesentlich stärker.
Noch dazu schienen die Zähne länger und schärfer.
Des Weiteren hatte sich die Hälfte ihrer Zunge und der Mundschleimhaut verfärbt.

Noch willenlos befreiten die Berserker die Hündin von ihren Fesseln. Zurück auf dem Boden berührte Hyten sie an der Wange: "Meine Königin, du bist perfekt!"

Der König drang in ihre Gedanken ein, um sie aus ihrem Schlaf zu wecken. Langsam kehrte sichtbar die Kontrolle über ihre Sinne zurück. Bevor die ehemalige Prinzessin etwas erwidern konnte, hielt Hyten ihr eine goldene artgleiche Maske, wie er sie trug, hin. Ohne zu zögern, zog die Neugeborene das Artefakt an.

Wie vorher passte sich die Maske ebenfalls an ihren Kopf an. Der gleiche Prozess breitete sich auf ihrem Gesicht aus, füllte das Maul mit dem goldenen Schutz, ließ die Zähne noch furchteinflößender aussehen und betonte das schwarze und rote Leuchten ihrer Augen. Am Ende ließen sich ihre Gesichter nur durch die Farbe der Pupillen und die Krone auf Hytens Kopf unterscheiden.

"Meine Königin, die Zeit ist gekommen, dich als Herrscherin von Kera zu verkünden!", verkündete der maskierte Hund triumphierend.

Mit tiefer Stimme antwortete die Hündin: "Mein König, nein, mein Geliebter, es ist mir eine Ehre, dir als Königin zu dienen. Kera wird unter unserer Herrschaft erblühen."

Aus ihrer Maske bildete sich eine Krone, die die Hündin als neue Königin symbolisierte.

"Von diesem Tag an wirst du Kera heißen, wie deine Nachfolgerinnen in den nächsten Jahrtausenden", verfügte der Herrscher von Kera.

Wie gesagt, kommen die Kapitel wieder häufiger. Wenn es euch gefällt, lasst gerne Feedback da und macht gerne Werbung für mich.

Der verschollene Imperator - Der Rat der WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt