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Der Wecker schlug sechs Uhr. Mila rieb sich die Augen, richtete sich auf und blieb zunächst ein paar Minuten aufrecht sitzen. Sie nahm sich das Glas auf dem Nachtisch und trank einen Schluck, bevor sie schließlich aufstand und vom Geschrei der kleinen Katze auf dem Gang, nachdem sie ihre Tür geöffnet hatte, nun gänzlich geweckt wurde.

Mila öffnete eine neue Packung Futter und gab der kleinen Britisch Kurzhaar etwas in ihre Schüssel neben dem Eingang zur Küche. Neko war nun zwar kein wirklich einfallsreicher Name für eine Katze, doch wenn man bedachte, dass Milas Mitbewohnerin Seol Halb-Japanerin war und mindestens einmal die Woche mit ihrer Mutter lautstark am Telefon auf Japanisch stritt, wunderte es keinen mehr, warum die Katze „Katze" hieß.

Mila ging ins Bad und wusch sich für gewöhnlich erst einmal das Gesicht. Später waren die Zähne dran, sie trug eine Creme auf, trank etwas Orangensaft aus dem Kühlschrank und zwischendurch ging sie dann auch mal schnell auf die Toilette. Nachdem sie etwas Make-Up aufgetragen hatte – was bei ihr eigentlich nur hieß, dass sie ihre Augenringe mit etwas Concealer bedeckte, ihre Augenbrauen sichtbarer machte und etwas Mascara, sowie Lippenstift verwendete –, machte sie sich auch schon an ihr heutiges Outfit.

Seit sie in Seoul angekommen war, ließ ihr die Modewelt eigentlich keine Ruhe. Wer hier keine kleine Fashionista war, wurde von der Öffentlichkeit schlicht nicht als vollwertige Person wahrgenommen. Man wurde sozusagen gezwungen, sich gut zu kleiden, weshalb Mila auch bestimmt mehrere hunderttausend Won monatlich für ihren Kleiderschrank ausgab. Nun gut, man musste auch sagen, dass die Geschäfte und Shops hier in Korea wirklich tausendmal besser waren als die, die sie von Zuhause kannte. Somit hatte man selbst fast keine Chance, dem ganzen zu entkommen. Vor allem nicht in ihrem Studiengang.

Mittlerweile war es circa sieben Uhr. Mila legte Schuhe an – heute mal etwas bequemer. Sie ging aus der Wohnung und versuchte, die Tür langsam und leise zu schließen. Seol schlief um diese Zeit meist noch, da wollte sie sie nicht wecken. Auf dem Weg zur U-Bahn kamen ihr ein paar komische Gestalten entgegen. Die letzten Partygänger, die gerade auf dem Weg nach Hause waren, die Mütter und Großmütter, die schon vor Öffnung vor den großen Kaufhäusern standen, um den besten und billigsten Kohl für ihren Kimchi zu erwerben und all die berufstätigen Männer und Frauen, die sich zuvor überreden mussten, vor der Arbeit mit ihren Hunden noch eine Runde zu gehen – um diese Uhrzeit traf man sie alle an. In der Bahn folgte dann reger Verkehr. Eigentlich fuhr Mila immer etwas früher, um die Rush-Hour zu vermeiden, doch da heute der Beginn einer neuen Woche und damit auch einer neuen Arbeits- und Schulwoche war, standen die Menschen in den Zügen beinahe aufeinander und pressten sich gerade noch in die ohnehin schon überfüllten Waggons.

Mila fuhr eigentlich recht gerne U-Bahn. Es war nicht nur billig und zu den meisten Zeiten sehr komfortabel, es war auch sauber und wirklich leise dort. Etwas, was sie aus den Metros Europas nicht kannte. Nur manchmal kam es vor – das hatte sie schon des Öfteren beobachtet –, dass ältere Männer ein paar junge Schülerinnen anmachten. Sie fassten ihnen im gerammelt vollen Zug unter die Röcke oder machten Fotos aus sehr unvorteilhaften Blickwinkeln. Meist, wenn sich die Mädchen wehrten, wurden diese ekelhaften Typen dann auch vertrieben oder bei der nächsten Haltestelle rausgeschmissen. Mila war so etwas bisher noch nie passiert. Wahrscheinlich hatten die Perverslinge Angst vor ihr. Sie kam ja aus dem Westen, die hätte ihnen gleich eine rüber gezogen, dachten sie womöglich.

Mila schaffte es, nach etlichen Entschuldigungen und vielem Gedrücke, dann doch bei ihrer Haltestelle aus dem Zug. Mit der Rolltreppe fuhr sie wieder an die Oberfläche und machte sich dann auf den Weg zur Firma. Als sie später dort angekommen den großen Besprechungssaal betrat, herrschte viel Chaos. Sora zog mit einem Haufen Papieren in den Armen vorbei. Mila packte sie am Arm und rückte näher an die Wand.

Gold ain't shinin' // Choi YeonjunWo Geschichten leben. Entdecke jetzt