Außer Atem hatte sie die Tür ihrer Wohnung hinter sich verschlossen und sich gegen die Wand gelehnt. Mila ging langsam zu Boden. Verzweifelt strich sie sich durch das dichte Haar. Auf der einen Seite wusste sie, dass sie das Richtige getan hatte. Yeonjun hatte seine Lebenspläne überdacht. Er war am überlegen, alles, was er sich je aufgebaut hatte und so hart dafür schuften musste, einfach aufzugeben – und das nur für sie. Somit war es doch nur fair von ihr, sich von ihm zu lösen. Sie wollte nur das Beste für Yeonjun. Doch auf der anderen Seite schien alles so falsch. Er gestand ihr seine Gefühle. Und sie? Mila lief davon. Sie ließ ihn allein, wo er ihr doch gerade alles gestanden hatte. Was für ein Mensch tut sowas, dachte sie.
Milas Hände waren zu Fäusten geballt. Innerlich brannte sie vor Wut. Sie kam mit so vielen Hoffnungen nach Korea. Sie wollte dieses Land kennenlernen, hier studieren, Freunde finden und eine gute Zeit verbringen, von der sie auch noch ihren Enkeln erzählen würde. Doch irgendwie kam alles anders. Nur im Moment fragte sie sich, wo all diese Gefühle, wegen denen sie zuvor noch bei Jenny und Lea geweint hatte, nun hin verschwunden waren. War es denn nicht Liebe, was sie empfand? Normalerweise wäre doch dies die perfekte Situation gewesen. Sie verliebte sich in ihn. Er verliebte sich in sie. War damit nicht alles geklärt?
Und so schön und perfekt hätte es auch bestimmt sein können. Wäre er nun mal nicht er. Mila wollte einfach nicht verantwortlich für die Zukunft anderer sein. Vor allem nicht bei ihm. Und wenn sie etwas weiter dachte, wenn beide wirklich eine Beziehung eingegangen wären, wie würde es dann für sie aussehen? Sie hätte den Hass seiner Fans abbekommen, sie wäre unfreiwillig mit hinein in diese Welt gezogen worden, ihr Leben hätte sich von Grund auf verändert und nichts wäre mehr so gewesen, wie es zuvor vielleicht einmal war. Lag Mila also falsch, sich von ihm zu lösen?
Zu viele Fragen. Mila stand auf und schlich in ihr Zimmer. Ohne sich auch zuvor abgeschminkt oder ausgezogen zu haben, warf sie sich auf das Bett und vergrub das Gesicht im Kissen. Noch nie zuvor hatte sie sich so unwohl nach einer Entscheidung gefühlt. Obwohl sie ihre Wahl für richtig empfand, fand sich doch noch viel Unbehagen in ihrer Brust. Und Mila konnte nicht einmal weinen. Sie hatte es sich gewünscht. Wäre sie emotional geworden, hätte sie vielleicht so einiges überdacht, wäre vielleicht doch zu ihm gelaufen und alles wäre anders gekommen. Doch sie konnte nicht.
Und je länger Mila dann über den heutigen Abend nachdachte, desto sicherer wurde sie sich. Sie hatte das Richtige getan – zum Wohle beider. Auch zwei Stunden später starrte sie die Decke noch an und sprach sich selbst gut zu. So lange, bis irgendwann die Augen schwer wurden.
* * *
Eine weitere Woche war vergangen. Wie sie es erwartet hatte, hatte sich Yeonjun nicht mehr gemeldet. Sie bekam keine Nachrichten, keine Anrufe. Er tauchte nicht vor ihrer Haustür auf oder besuchte ihre Uni. Mila war froh, dass es so war. Vielleicht hatte auch er nun eingesehen, was richtig und falsch war. Es beruhigte sie.
Auch Jenny und Lea waren schon am Tag darauf auf sie zugekommen. Beide hatten sich beschwert, was Mila denn einfiele und warum sie so einem Typen noch eine Chance gäbe. Doch als sie sich ausgesprochen und ihnen erklärt hatte, dass nun nichts mehr zwischen Yeonjun und ihr lief, freuten sie sich dann auch, dass Mila so einsichtig gewesen war und ließen sie bis auf Weiteres in Ruhe.
Mila hatte sich ganz fest vorgenommen, sich nur noch auf die Uni zu konzentrieren. Ja, vielleicht ging sie dann am Wochenende auch mal in einen Club – sofern sie auch als Ausländerin reingelassen wurde – und vergnügte sich. Doch sich noch einmal so weit auf jemanden einzulassen oder eine Beziehung einzugehen, kam für sie nicht mehr in Frage.
Wieder an der Uni stand Mila am Kaffeeautomaten und nahm vorsichtig den heißen Becher heraus. Die Prüfungen waren geschafft und alle blickten freudig auf die Semesterferien. Nur Mila – pflichtbewusst wie sie war – machte sich die Mühe, noch etwas mehr Zeit heute zu investieren und verbrachte daher noch zwei Weitere Stunden in der Bibliothek. Sie wollte sich um ein paar letzte Bewerbungen kümmern. Klar waren die Ferien auch zum Genießen da, doch sollte man immer die Arbeit im Blick haben. Mila wusste, dass ein Abschluss vielleicht gut möglich sei, doch sich anschließend auch am Arbeitsmarkt in der Mode etablieren zu können, war nicht immer einfach. Also machte sie es sich zur Aufgabe, auch weiterhin fleißig zu bleiben und bei den großen Firmen „Pluspunkte" zu sammeln.
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Gold ain't shinin' // Choi Yeonjun
FanfictionMila kam für ein Auslandsstudium nach Seoul. Um sich am Arbeitsmarkt zu etablieren, arbeitete sie während dem Studium und in ihren Semesterferien als Praktikantin für verschiedenste Mode- und Kleidungsfirmen, die in der Musikindustrie Südkoreas gera...