01. März 2022, New York, Plaza-Hotel, 22:43
Als Robert seinen Blick von dem immer noch blubbernden Whirlpool über das sehr luxuriös gestaltete Badezimmer schweifen ließ, hatte er für einen Moment den Eindruck, dass die Welt in Ordnung war. Was könnte schöner sein als mit der Frau, die er liebte, nach dem Sex im Whirlpool zu entspannen und das alles in einem der schicksten Hotels, die New York zu bieten hatte?! Hatten sie es nicht bereits geschafft? Waren sie nicht bereits am Ziel ihrer Träume angekommen? Robert schüttelte schnell den Kopf. Dieser Illusion durfte er sich auf keinen Fall hingeben! Sonst würde er die Fehler begehen, die so viele einflussreiche Politiker*innen schon vor ihm begangen hatten - das eigene privilegierte Leben über das der Mehrheitsbevölkerung zu stellen! Ihm war spätestens seit dem 24. Februar bewusst, wie verletzlich das Leben war, wie brutal ein Mensch über das Schicksal von Millionen von Zivilisten entscheiden konnte. Obwohl er schon 2016 den Ernst der Lage in Russland erkannt hatte, ertappte sich in diesem Moment erneut bei dem Gedanken, dass auch er zu naiv gewesen war. So brutal wie Putin jetzt vorging - das hatte er ihm nicht zugetraut.
Warum eigentlich? Die Geschichte hatte es sie doch regelmäßig gelehrt! Ganz einfach, dachte Robert. Der Mensch neigt dazu, sich über seine eigene Vergangenheit zu erheben! Wenn wir heute Dokumentationen über die Machtergreifung Hitlers sehen, sind wir die ersten, die die augenscheinliche Naivität der Zeitzeugen beklagen. Und jetzt, dachte Robert, würde man mit seiner Generation ebenso verfahren. Er seufzte."Woran denkst du?", fragte Annalena ihn neugierig und drückte ihren warmen Körper an seinen, wissend, dass er diese Verbindung jetzt brauchen konnte. Robert drückte ihr zum Dank einen Kuss auf die Stirn bevor er ihr antwortete: "Ich denke darüber nach, ob wir es nicht schon früher hätten wissen müssen, ob wir zu arrogant waren, um zu verstehen, dass Frieden und Freiheit keine Selbstverständlichkeiten auf dieser Welt sind." Jetzt seufzte auch Annalena: "Ach, Robert! Für einen Moment hatte ich gehofft, die bösen Geister verbannt zu haben und jetzt fängst du inmitten diesem wunderschönen Ambiente von der Welt da draußen an!" Er verstand ihren Punkt. Sie hatten schon genügend schlechte Nachrichten zu verkraften und ihr einziger Schutzwall in diesem Krieg war ihre Liebe, die sie noch vor einer halben Stunde unter Beweis gestellt hatten. "Entschuldige, Anna! Mir kommt es nur so befremdlich vor, in einer luxuriösen Suite in Amerika zu sitzen, während auf einem anderen Kontinent der Krieg ausbricht! Ich kann das einfach nicht ausblenden!", sagte er etwas lauter als beabsichtigt. Er entschloss sich daraufhin den Whirlpool zu verlassen und zog sich einen der weißen Bademäntel an, um anschließend aus dem Zimmer zu verschwinden.
Als ihm Annalena kurz darauf folgte, saß er bereits an dem großen Mahagoni-Tisch und trank einen Schluck des Whiskys, den er sich aus der Mini-Bar geholt hatte. Annalena schlang währenddessen von hinten ihre Arme um Robert und küsste sanft seinen Nacken. "Ich weiß, was du meinst! Aber du wirst dich mit diesen Fragen nur weiter quälen! Das, was wir machen müssen, ist, Politik neu zu denken, zu reformieren und vor allem anders mit den Menschen zu kommunizieren!" Robert überlegte. Sie hatte recht. Viel Frust könnte schon durch eine simple und nachvollziehbare Erklärung vermieden werden. Das galt im Privaten wie in der Regierungspolitik. Apropos privat, dachte Robert, und verschluckte sich augenblicklich an seinem Whisky als er sich an Andrea und Daniels Statement erinnerte. "Mist!", brach es aus ihm heraus und er sah wie Annalena eine Augenbraue hochzog: "Was ist denn noch? So langsam wird es unheimlich!" Sie kam zu ihm herüber und setzte sich ebenfalls an den Tisch. Robert druckste indessen herum und überlegte in Windeseile wie er ihr nun noch eine schlechte Nachricht überbringen sollte. Er entschied sich für die gradlinige Variante und wusste, dass Annalena diese auch bevorzugen würde: "Daniel und Andrea waren gestern in meinem Büro!" Annalena riss die Augen geschockt auf: "Was? Was will Daniel denn bei dir? Und warum kommt er mit deiner Frau im Schlepptau?" Robert nahm den Faden wieder auf: "Sie haben sich wohl dazu entschieden, Druck auszuüben. Du weißt ja, dass Andrea bereits mit der Zeitung über unser Ehe-Aus gesprochen hat und nun wollen sie beide so schnell wie möglich die Scheidung!" Annalena brauchte einen Moment, um die Worte "Scheidung" und "so schnell wie möglich" in einen gedanklichen Zusammenhang zu bringen, erinnerte sie sich doch noch ganz genau an die Aussprache mit ihrem Mann, die Dinge wegen der Kinder langsam angehen zu lassen. "Ich verstehe seinen Sinneswandel nicht", sagte sie mehr zu sich als zu Robert, "Er hat mir zugesichert nur das Beste für die Mädchen im Sinn zu haben!" Wieder musste Robert sich räuspern: "Die Mädchen, das ist das nächste Problem! Er- er möchte das Sorgerecht für sie einklagen!" Er wusste, dass er ihr damit den Rest gab und stand automatisch auf, um ihr in dieser Situation mit einer Umarmung Halt zu geben. Doch entgegen seiner Erwartung wirkte Annalena eher ruhig und bestimmt: "Die beiden sind tief verletzt! Das, was sie jetzt sagen, ist nicht das, was sie eigentlich wollen! Robert, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!"
Sie lehnte sich in seine starken Arme.
"Ich hoffe es, Anna, ich hoffe es wirklich!", flüsterte er in ihr Ohr und genoss die Nähe zu seiner Lebensgefährtin.
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Another World (Annalena-Robert-Fanfic)
Fanfiction"Und in diesem Moment erkannte sie wie die Zeit sich inmitten der sich überschlagenden Ereignisse plötzlich verlangsamte. Sie setzte sich gedankenverloren auf einen Stuhl und blickte wie in Trance aus dem Fenster in die absolute Aussichtslosigkeit."...