-Die Krisen unserer Zeit-

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Sie dachte in der letzten Zeit oft an  einer der Gesten von Angela Merkel. Nein, sie meinte nicht die Raute, von der immer alle sprachen, wenn es um sie ging; sie dachte vielmehr an die Handbewegung, die sie mit ihrem rechten Arm vollzog - den Weg "aus der Krise heraus" wie sie so schön sagte. Sie bewegte dazu ihren Arm zunächst nach unten und ließ die Hand, nachdem diese Richtung Boden gezeigt hatte, steil in die Höhe schnellen, um den Leuten zu zeigen, dass die Herausforderungen, die an sie gestellt wurden, schon schaffen würden. Das war im Jahr 2008.

Heute würde sich niemand mehr trauen, eine solche Geste vor den Fernsehkameras zu vollziehen. Zu Recht , denn die Krisen unserer Zeit waren nicht darauf ausgelegt, dass man sie einfach schaffen konnte. Die Klimakrise, der Krieg und die Gaskrise waren Ereignisse von einem ganz anderem Format. Sie verdeutlichten den Menschen Stück für Stück ihren Weg zur Selbstzerstörung. Wenn sie es alle irgendwie schaffen wollten, würden wohl alle ihren Lebensstandard zurückschrauben müssen, um Ressourcen zu sparen. Doch das würde in Deutschland zu einem großen Problem werden...

"Wir sind alle Egomanen!", nuschelte Annalena vor sich hin, als sie ihren Gedankengang beendet und ihr Fazit daraus gezogen hatte. "Hmm?", hörte sie Robert, der gerade dabei war seine Instagram-Seite zu checken,  am anderen Ende der Couch fragen. "Ach nichts!", stöhnte Annalena und drehte sich, mit einem Kissen umschlungen, zu ihm um, "Ich habe nur gerade an Merkel gedacht und welchen Dreckshaufen sie uns hinterlassen hat." Robert schmunzelte daraufhin und rückte ein Stück näher an sie heran. "So ähnlich habe ich es heute auch formuliert, aber Dreckshaufen passt noch besser als meine Metapher!" "Was hast du denn gesagt?", fragte Annalena interessiert. "Dass sie uns im Regen hat stehen lassen!", antwortete Robert und nahm sich ebenfalls ein Kissen, das er unter seinen Kopf legte. Annalena grinste: "Das haben Sie aber freundlich ausgedrückt, Herr Habeck! Die Diplomatie des öffentlichen Umgangs ist dir wohl schon in Fleisch und Blut übergegangen, oder?" "Naja, ich kann ja schlecht von Dreckshaufen im öffentlich Rechtlichen sprechen, wo kämen wir denn da hin?", grinste er sie an. "Aber kriegst du nicht, Alter im Heute Journal sagen!", lachte Annalena nun laut und warf ihm ihr Kissen direkt ins Gesicht. Robert stimmte in ihr Lachen ein und nahm nun ebenfalls sein Kissen, um es ihr entgegenzuschleudern. "Hey! Die Leute finden meine direkte Art gar nicht so schlecht!", beschwerte er sich lachend. "Und meine auch nicht! Wir sind übrigens...", sie griff zu ihrem Handy, " - Moment, ich zitiere die Deutsche Welle: Das grüne Powerpaar!" Robert schmunzelte daraufhin. ,Ein wenig Stolz über diese Schlagzeile war ihr anzusehen. Sie sah so zufrieden aus wie seit langer Zeit nicht mehr. Inmitten der Krise hatten sie es geschafft, für Vertrauen zu sorgen und darauf durften sie wirklich etwas stolz sein. Zwar mochte er den Begriff nicht wirklich, war er doch zu sehr von Patriotismus und Ehre geprägt, aber in dieser Situation bedeutete dieses Wort etwas völlig anderes. Es bedeutete, dass sie es geschafft hatten, trotz oder eben wegen der Krise ihre Ambitionen und Taten so zu erklären, dass ein großer Teil der Bevölkerung ihnen zutraute, dieses Land mitzuführen. Es bedeutete, dass sie nicht alles falsch gemacht hatten- sie kein ein "weiter so" propagierten, wo keines mehr hereinpasste. Es bedeutete, dass ihnen trotz ihres Geständnisses, dass sie nun ein Paar waren, zugetraut wurde, die Krisen unserer Zeit zu lösen.

Annalena schien ihn schon länger anzusehen, denn sie hatte sich in seinen Augen längst verloren. Auch als er seinen Kopf leicht zur Seite bewegte, passierte nichts. "Annalena? Wo bist du gerade?", fragte er amüsiert. Daraufhin blinzelte sie leicht und sah ihn diesmal mit wachen Augen an: "Ich bin bei uns hängengeblieben. Es ist schon erstaunlich, dass uns die Leute nicht hassen für unsere Beziehung! Ich habe immer gedacht, dass ein großer Teil der Bevölkerung uns vorwerfen würde, dass wie unter diesen Umständen unsere Arbeit nicht mehr richtig machen könnten, aber irgendwie blieben diese Meinungen in der Minderheit!" "Nicht irgendwie, Annalena! Ich glaube, dass unsere Beziehung eine symbolische Kraft hat. Sie vermittelt den Leuten Zusammenhalt und das ist genau das, was wir in dieser Krisenzeit brauchen!", argumentierte Robert. Sie lächelte ihn daraufhin verliebt an. "Ja, Zusammenhalt...und Liebe", sie beugte sich zu ihm, dass sie ihm liegend einen Kuss geben konnte, "ganz" (Kuss), "viel" (Kuss), "Liebe". 

Another World (Annalena-Robert-Fanfic)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt