Jäger und Gejagter (2/2)

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Nur mit großer Mühe gelang es Ben wieder aufzustehen und schließlich weiterzugehen.

Der Schock saß ihm noch immer tief in den Knochen, wieder und wieder spielten sich die Szenen in seinem Kopf ab, die sich vor wenigen Momenten ereignet hatten.

Sein Leben hatte einmal mehr am seidenen Faden gehangen, beinahe hätte der riesenhafte Fleischfresser den Jungen gefunden.

Zum Glück war Bens Versteck unentdeckt geblieben und das hatte ihm das Leben gerettet.

>>Es war haarscharf. Sowas stehe ich nicht nochmal durch. << dachte er sich immer wieder, während er schweigend weiterging.

Bumpy, der neben dem Jungen her trabte, war ungewöhnlich schweigsam und ließ den Kopf hängen. Anscheinend hatte diese Nahtoderfahrung den jungen Saurier ebenso mitgenommen, wie Ben selbst.

Der braunhaarige Junge schob sich an ein paar Farnwedeln vorbei und hielt dann überrascht inne.


Der Wald lichtete sich hinter einigen Bäumen und gab den Blick auf eine große Wiese frei. Als Ben an den Waldrand trat und den Blick über das Grasland schweifen ließ, während er sich an einem Baum abstützte, fiel ihm etwas ungewöhnliches ins Auge.

Am anderen Ende des Graslandes war etwas, dass dort nicht hingehörte.
Es war weit weg, kaum sichtbar und dennoch konnte Ben in der Ferne ein Lagerhaus aus Blech ausmachen, das dort stand.

Er hatte keine Ahnung, warum diese Blechhütte dort stand, welchem Zweck sie diente oder wem sie gehörte.

Es war ihm auch egal.

Ben starrte unschlüssig auf die freie Fläche hinaus, fragte sich, ob er es wagen sollte, das Grasland zu betreten. In der Hütte gab es möglichweise Dinge, die ihm bei seinem Überlebenskampf nützlich sein würden.

Andererseits war er auf dem Grasland kilometerweit zu sehen und somit leichte Beute für die Fleischfresser.

>>Soll ich oder soll ich nicht? << fragte er sich.

Dann trat er eine Entscheidung. Es hatte keinen Sinn zu warten oder wieder umzukehren.

Möglichweise war diese Blechhütte am Horizont seine Rettung. Fleischfresser hin oder her, er musste einen Versuch wagen und das Risiko eingehen.

Ben atmete tief durch. Dann setzte er sich in Bewegung und wagte sich mit Bumpy an seiner Seite auf das freie Gelände hinaus.


Einen Schritt nach dem anderen machend nährte Ben sich Meter um Meter dem Lagerhaus, ließ dabei seine Umgebung keine Sekunde aus den Augen. Er fürchtete sich davor, was passieren könnte, wenn ein Fleischfresser auftauchen würde.

Und wenn dieser große Räuber mit dem Segel die Umgebung durchstreifte, dann war Ben hier nicht sicher.

Ganz im Gegenteil, dann war er in Lebensgefahr.

Der braunhaarige beschleunigte instinktiv seine Schritte, ignorierte seine schmerzenden Beine und schleppte sich weiter. Seine Füße schmerzten und die Oberschenkel taten ihm weh, außerdem hatte die Wunde auf Bens Rücken wieder zu bluten begonnen. Die Verletzung, die er sich beim Sturz von dem Zug zugezogen hatte, machte sich mit jedem Schritt intensiver bemerkbar. Etwas Warmes rann Ben den Rücken hinab, er wusste nicht, ob es Schweiß, Blut oder eine Mischung aus beidem war. Wahrscheinlich letzteres.

Der Junge wusste, dass er sich zeitnah um die Verletzung kümmern musste, damit sie sich nicht verschlimmern würde.

Ben stöhnte leise. Er musste seine Schritte wieder verlangsamen, mittlerweile taumelte er nur noch über die Ebene und er hatte noch nicht einmal die Hälfte der Strecke geschafft.

>>Ich werds nicht schaffen << dachte er entsetzt. >>Ich schaff das nicht. Ich kann nicht mehr. <<

Ben verlor plötzlich das Gleichgewicht, als sein Fuß an etwas hängen blieb. Mit einem überraschten Aufschrei stürzte Ben dem Boden entgegen, hielt beide Hände instinktiv vors Gesicht, um sich vor dem Aufprall zu schützen.

Doch noch bevor er hart auf dem Boden aufschlug, prallte Ben auf etwas anderes hartes.

Es war Bumpy.

Sein Dinosaurierfreund hatte Ben geistesgegenwärtig aufgefangen und stieß nun ein leises brummen aus. Seine Augen, mit denen er Ben anblickte, funkelten besorgt.

„Danke... Bumpy", keuchte Ben leise und streichelte seinem Freund den Kopf, dann nahm er alle seine Kraft zusammen und stemmte sich wieder hoch, bis er wieder auf seinen eigenen Füßen stand. Allerdings stützte er sich mit seinen Händen nach wie vor auf Bumpys Rückenpanzer ab. Er wagte es nicht die Hände wegzunehmen, aus Angst er würde wieder hinfallen.
Ben hatte einfach keine Kraft mehr. Sein Magen war leer, er war erschöpft und verletzt.

Er war buchstäblich am Ende. Und doch erfüllte ihn so etwas wie grimmige Entschlossenheit.

>>Ich werde nicht kampflos untergehen! << dachte er und kniff die Augen entschlossen zusammen.

„Kannst du mich stützen, Bumpy?", keuchte er in Richtung seines Freundes und streichelte dessen Kopf. Bumpy schleckte Ben über die Hand, dann begann er mit seiner Schwanzkeule zu wedeln.

„Ich denke mal, das heißt ja", murmelte der braunhaarige. „Dann los. Nur noch zum Lagerhaus. Dort ruhen wir uns aus."

Bumpy schien damit einverstanden zu sein, denn der Dinosaurier lief los. Ben lief neben ihm her und stützte sich auf dem Panzer seines Freundes ab.

Sie kamen zwar nur langsam voran, aber immerhin kamen sie vorwärts.

Ben schöpfte neue Hoffnung. Mit jedem Schritt, den die beiden in Richtung des Lagerhauses machten, kam ein Stück seiner Kraft zurück.

Und mit jedem Schritt in Richtung Lagerhaus machten sie einen Schritt weg von dem großen Saurier, dem Ben unter keinen Umständen mehr begegnen wollte.

Seine Gedanken schweiften ab.

>>Wie es den anderen wohl geht? << fragte sich der braunhaarige Junge, während das Lagerhaus mit jedem Schritt größer wurde.

>>Wahrscheinlich geht es ihnen besser als mir. <<

Jurassic World: Die VergessenenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt