Die neue Trainerin (abgeschlossen)

#5 - Pizzatime

"Auf den letzten Drücker, wie immer."

Milas Mutter steht in der Tür und funkelt Thomas genervt an. Eine Frau, ich schätze sie auf Anfang 40, mit dunkelrot gefärbten Haaren, die ihr bis an die Schultern reichen. Mit verschränkten Armen wirkt sie etwas einschüchternd, was ihre Größe aber nicht bestätigen kann. Sie ist sehr klein. Ihre Augen leuchten streng und man schaut in ein grimmiges Gesicht. Mich tadelt sie mit einem bösen Blick und als Thomas zu ihr geht, bemerke ich sofort, dass ein Streit in der Luft liegt. Ich lenke Mila ab mit ein paar Erinnerungen an das heutige Turnier. Dann endlich kommt Thomas nach ein paar Minuten wieder zurück zum Auto. Ich winke Mila zum Abschied, die zu ihrer Mutter rennt und stolz ihre Medaille präsentiert. Ich lächle, als ich es beobachte. Aber ihre Mutter hat nur einen verachteten Blick für mich übrig. Ich steige ins Auto ein und merke, dass Thomas Stimmung auf einmal etwas gefrustet ist. Er winkt nochmal zum Abschied und startet den Motor. Ich schnalle mich an und rufe euphorisch:

"Let's goooo." 

Mein Versuch die Stimmung zu lockern zaubert immerhin ein kleines Schmunzeln auf seine Lippen.

"Sorry, das hättest du nicht mitbekommen sollen."

Ich winke ab, als er gerade um die Ecke biegt und wir das Haus nicht mehr sehen können.

"Ach halb so wild. Geht mich ja auch garnichts an. Nichts, was ne große Pizza und ein bisschen Wein nicht wieder regeln können", lache ich scherzhaft und er lässt sich davon anstecken. 

Ich freue mich, dass ich es geschafft habe ihn wieder aufzuheitern. Er stimmt mir zu. 

"Pizza ist echt eine gute Idee. Aber Bier wäre mir lieber als Wein", gibt er zu.

"Na immerhin sind wir uns bei der Pizza einig", zucke ich lässig mit den Schultern und streiche mir dabei eine meiner blonden Strähnen hinters Ohr.

"Was ist deine Lieblingspizza?", frage ich neugierig.

Er schaut mich etwas überrascht an.

"Öh, also...ich hab keine spezielle Vorliebe. Ich finde Salami gut oder Mais und scharf finde ich super."

Als er "scharf" sagt gleiten seine Augen etwas an meinem Körper entlang. Ich lächle stolz, tu aber freundlicherweise so, als hätte ich es nicht bemerkt.

"Also mein Favorit sind Pilze und Peperoni, aber scharf muss es auf jeden Fall werden."

Ich grinse breit. Eigentlich ist Peperoni garnicht so wichtig für mich. Aber die Zweideutigkeit konnte ich mir unmöglich entgehen lassen. Das Gespräch ist locker und witzig und er scheint den Vorfall von eben komplett vergessen zu haben. 

"Vivi, danke. Du hast mir den Abend gerettet. Ich werde mir auf jeden Fall eine Pizza bestellen", schaut er mich zufrieden an.

"Kein Problem. So bin ich halt. Handballtrainerin, Schülerin, nebenberuflich Superheldin. Also, wo sollen wir dann bestellen?", schaue ich fragend vom Beifahrersitz.

Natürlich ist mir bewusst, dass er seinen Satz nicht als Einladung gemeint hat, aber ein bisschen Ärgern wird ja wohl noch erlaubt sein und sein überraschter und leicht überfordernder Blick bringt mich definitiv zum Schmunzeln. Sein Gesichtsausdruck ändert sich als er zur Antwort ansetzt:

"Äh, also...da du die Idee hattest, darfst du dir das natürlich auch aussuchen."

Jetzt bin ich diejenige, die etwas überrascht ist. Ich hätte nicht erwartet, dass er darauf eingeht und sein leicht freches Grinsen zeigt mir, dass er wohl etwas in den Flirtmodus übergegangen ist. Also gut, Mister. In dem Spiel bin ich Meisterin.

"Alles klar. Ich suche uns was gutes raus", bemerke ich nur gespielt lässig und tippe auf meinem Smartphone herum.

Dann bemerke ich, dass er an einer Ampel hält und rechts blinkt. In dieser Richtung geht es zur Sporthalle. Also war es doch nur ein Bluff von ihm. Er ist ja auch fast 20 Jahre älter. Was hab ich denn auch erwartet? Ich schaue ihn an. Einen letzten Flirt will ich mir nicht entgehen lassen:

"Wenn du auch in der Nähe der Halle wohnst, hasst dich Greta dafür, dass du Mila immer mit dem Auto zum Training bringst und wenn nicht, betrügst du mich dann gerade um meine Pizza?"

Beim letzten Teil formt sich mein hübsches Gesicht zu einem perfekten Hundeblick und wieder erkenne ich eine leichte Überforderung in seinen Augen. Das liebe ich einfach so sehr. Er ringt nach Worten:

"Ich, also, das war doch nur ein Witz mit der Pizza, oder nicht?"

Unsicherheit schwingt in seiner Stimme mit und ich lächle ihn sanft an. Wieso zur Hölle fängt mein Herz jetzt an zu pochen? Ich will nicht aufdringlich erscheinen, aber ich will auch nicht, dass der Abend schon vorbei ist:

"Ja natürlich", lüge ich. "Wollte dich ja nur wegen deiner strengen Ex aufmuntern."

Er schaut nachdenklich zu mir und sieht auf meinem Smartphone, dass ich schon die Seite vom Lieferdienst im Browser geöffnet habe. Plötzlich muss er grinsen. Als die Ampel grün schaltet, fährt er zu meiner sichtbaren Überraschung geradeaus.

"Werde ich jetzt entführt und meine Organe werden nach Tschechien verfrachtet?", spiele ich schockiert.

Er winkt lässig ab und lächelt so charmant. Hot hot hot.

"Du warst heute so eine gute Trainerin und danke auch für die Hilfe vorhin. Ich finde du hast dir eine Pizza verdient. Ich lade dich gerne ein. Also natürlich nur, wenn das für dich okay ist", bietet er mir großzügig an.

Innerlich grinse ich über beide Ohren. Dennoch gebe ich mich äußerlich cool und lässig.

"Na das finde ich auch", kommentiere ich kess, "und bevor du alleine daheim essen musst, muss ich jetzt halt meine ganzen Dates für heute Abend absagen, aber was macht man nicht alles für seine Handballpapis". 

Ein tiefgehender Blick und ich sehe, dass der Spruch gut ankam.

"Das mit den Dates glaube ich dir sofort. Wenn ich in deinem Alter gewesen wäre..."

Er unterbricht. Hat er gerade angedeutet, dass er mich heiß findet? I like it. Weit sind wir nicht mehr gefahren und dann halten wir vor seiner Garage. Die Pizza ist schon bestellt und nachdem ich ausgestiegen bin, folge ich ihm mit meiner Tasche in das Gebäude. Es ist ein großes hellblau bemaltes Mehrfamilienhaus. Wir laufen die Treppe hoch. Seine Wohnung befindet sich im dritten Stock. Vor der Tür kramt er seinen Schlüssel aus der Tasche und sucht den passenden Schlüssel an seinem Schlüsselbund. Ich kann es nicht fassen. Gehe ich gleich wirklich in seine Wohnung?

Klick. Er schließt auf und dreht sich dann zu mir um...