02: Eine Lektion in Sachen Freiheit

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"Herzlich willkommen zum Einführungskurs in Menschenkunde!", rief der bärtige Dozent und klatschte eifrig in die riesigen Hände.

Jimin saß förmlich auf heißen Kohlen, während er mit einem kleinen Lächeln die Rede seines Lehrers verfolgte.

Es war bereits eine ganze Woche her, seitdem die Junghexe sich von der Manyeo Academy verabschiedet hatte und nach Salem auf die Hexische Universität gewechselt war.

Sein bester Freund Kim Taehyung war natürlich auch mitgekommen, hatte sich mit allen jeglichen Mitteln dafür eingesetzt, sie beide in ein Zimmer zu verlegen.

Der junge Alchemist studierte im gegenüberliegenden Campusgebäude Kräuterkunde und mixte wohl gerade irgendein nützliches Gebräu gegen Pickel oder andere nervige Wehwehchen zusammen.

Taehyung beschäftigte sich jedoch hauptsächlich mit Zaubertränken, die Liebeskummer heilen, Glück oder Gesundheit bescheren sollten und war inzwischen ganz gut darin geworden.

Seine Freundin Su - Ji war eine talentierte Heilhexe und mit ihm schon zwei Wochen zusammen, Taehyung konnte ohne sie fast keinen Schritt mehr alleine machen.

Jimins Freund Min Yoongi aka Suga lebte in der Menschenwelt und schrieb ihm regelmäßig Briefe, in dem er ihm haarklein über seinen Alltag berichtete.

Vor kurzem hatte er seine Übergangszeremonie absolviert, die ohne das Große Orakel leider nicht mehr dieselbe war und die Jimin immer noch das Herz zentnerschwer machte.

Letztes Jahr hatte nämlich der Sha - Clan, eine schwarzmagische Sekte voller Todesanbeter, einen blutrünstigen Dämon auf die junge Hexe los gelassen.

Der hatte Jimin schreckliche Dinge angetan, aber noch schrecklichere hatte er denjenigen um ihn herum zugefügt.

Um gar keinen Preis wollte Jimin dies noch einmal durchleben und war überglücklich, dass der Schwarze Schwan nun endlich besiegt worden war.

Trotz allem würde niemand von ihnen den in naher Zukunft liegenden Krieg gegen den Sha - Clan abwenden können.

Es sei denn, es passierte in letzter Minute ein Wunder - und an die glaubte Jimin in letzter Zeit ziemlich wenig.

"Dieses Fach ist unter allen Hexischen Studiengängen mitunter das beliebteste und auch das, was wohl am meisten Spaß macht.", riss ihn die fröhliche Stimme des Dozenten aus seinen Gedanken, Jimin wurde auf einmal ganz schläfrig.

Nichtsdestotrotz bemühte er sich, dem Unterricht zu folgen, da er sich womöglich noch einen Verweis einhandeln würde.

"Ich werde heute mit Ihnen ein kleines Experiment machen, um zu erforschen, wie ein Nichtmagisches Wesen auf Ihre Fähigkeiten reagiert - wie auch immer, ich möchte Sie nicht länger auf die Folter spannen!"

Mister Nasaki lüftete den roten Vorhang hinter dem Lehrerpult und ein silberner Käfig kam zum Vorschein, in dem ein kleines Kind hockte und ziemlich verängstigt aussah.

Ein empörtes Raunen ging durch den Saal, allen voran Jimin, der bei diesem geradezu abscheulischen Anblick sofort wieder hellwach wurde.

Sein Dozent hingegen schien den Ärger der Studenten eher mit Begeisterung gleichsetzen zu wollen, denn er fuhr sogleich mit seiner Rede fort:

"Sie werden gleich in verschiedenen Gruppen nach vorne kommen und Ihre Fähigkeiten an diesem unschuldigen kleinen Ding statuieren - will heißen, dass Sie es irgendwie zum Reden bringen müssen. Seien Sie also kreativ, nur keine Scheu!"

Niemand rührte sich, Jimin war viel zu gelähmt, als dass er diese vollkommen unmenschliche Methode hätte anzweifeln können.

Irgendwann meldete sich sein Sitznachbar, ein zierliches Mädchen mit kastanienbraunen Haaren und einem schüchternen Lächeln im rosigen Gesicht.

"Professor Nasaki, was hat das alles zu bedeuten?", richtete sie ihre Frage an den Dozenten, der immer noch dumm grinste.

"Ich bin in diesen Kurs gekommen, weil ich dachte, ich würde so einiges über die Menschen und ihre andersartige Kultur lernen. Man hat mir nicht gesagt, dass sie diese so wundersamen Kreaturen wie Tiere in Käfigen halten, als wehrlose Versuchskaninchen. Denn die Menschen sind keine Tiere, sondern verdienen ein unbeschwertes Leben in Freiheit - sie verdienen es, von uns akzeptiert zu werden. Genau, wie sie uns akzeptieren!"

Jimin errötete, dieses Mädchen hatte genau das wiedergegeben, was er die ganze Zeit gedacht hatte!

Sie beide mussten Seelenverwandte sein...

"Da machen wir ebenfalls nicht mit!", wurden weitere Stimmen laut, diesmal kamen sie von zwei blauhäutigen Jungen mit Hörnern auf dem Kopf, die offensichtlich Zwillinge waren.

"Als bodenständige Vertreter der Waldnymphen setzen wir uns für die Rechte aller lebenden Geschöpfe ein - darunter auch Menschen. Deshalb verlangen wir, dass dieses Kind sofort freigelassen und nach Hause zu seinen Eltern geschickt wird, wo es hin gehört. Eine Zuwiderhandlung wird mit einem Besuch unseres Oberhauptes geahndet!"

Der Dozent geriet ins Schwitzen, versuchte, die aufgebrachte Menge an Studenten irgendwie zu beruhigen.

Als das nichts half, gab er schließlich nach, öffnete den Käfig und entließ den kleinen Jungen mit einem Fingerschnippen in die wohlverdiente Freiheit.

Seine Kommilitonen verfielen in lautes Gejubel, Jimin lächelte zufrieden.

Dem hatten sie es aber gezeigt!

Mister Nasaki seufzte tief, holte einen weiteren Käfig hinter dem Vorhang hervor.

"So. Wer möchte es stattdessen an einem Häschen probieren?"





















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