Yvaine eilte den einsamen Kirchweg entlang.Als sie am Park vorbeiging, lief ihr wieder ein kühler Schauer über den Rücken. Ihre Glieder wurden bleischwer und ihr Atem ging mit einem Mal unregelmäßig.
Die Angst kroch an ihr empor.
Bei dem Anblick der grünen Wiese, auf der sich langsam die bunten Blätter der Bäume sammelten, dachte sie sofort an den Traum der letzten Nacht und wartete nur darauf, jeden Moment einen der schwarzen Vögel zu entdecken.Schweißgebadet und mit klopfendem Herzen war sie heute Morgen aufgewacht. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis sie die Erinnerung an den Traum verarbeitet hatte.
Jedes noch so kleine Detail war ihr ins Gedächtnis gebrannt.Diese Albträume hatte sie nun schon monatelang.
Jedes Mal waren sie etwas anders, aber Yvaine erinnerte sich stets an alle Details.Einmal war sie mit ihrem Vater Auto gefahren und ein Rabe flog plötzlich gegen die Windschutzscheibe.
Vor Schreck riss ihr Vater das Steuer herum und das Auto kam von der Brücke ab und versank im Fluss.
Noch immer spürte Yvaine, wie das Wasser ihre Lungen füllte, wenn sie daran dachte.Ein anderes Mal hatte sie geträumt, dass sie auf dem Weg zur Arbeit überfallen und bei dem Gerangel mit dem Täter erstochen wurde.
Auch in diesem Traum hatte sie einen Raben gesehen.
Er hatte auf dem Laternenmast gesessen und zugesehen, wie sie verblutete.Mittlerweile war sie es gewohnt, solche Albträume zu haben und doch konnte das ihr Herz nicht davon abbringen, etwas schneller zu schlagen, sobald einer dieser Vögel in Sicht war.
Mit tiefen Atemzügen versuchte sie sich zu beruhigen und wieder in die reale Welt zurückzukehren.
Dort hatte sie nichts zu befürchten.
Langsam spürte sie ihre Beine wieder. Ihr war bewusst, wo sie war.
Sie war in Sicherheit.
An diesem Gedanken hielt sie fest, als sie ihren Weg fortsetzte.Als Yvaine das Café betrat, war die Erinnerung an ihren Traum längst wieder verblasst.
Sie hatte noch nicht ihre Jacke ausgezogen, schon rief ihr jemand begeistert entgegen.
«Guten Morgen, Yve!»
Natürlich erkannte sie diese vertraute Stimme sofort und wusste, wer da gerufen hatte.«Guten Morgen, Silvio. Ich wusste gar nicht, dass du heute mit aushilfst», begrüßte sie den jungen Mann, als sie hinter die Marmortheke trat.
Silvio half ab und zu im Café seines Vaters aus und war der beste Kuchenbäcker, den sie je kennengelernt hatte.
Seine Backkünste waren preiswürdig, wie Yvaine fand.
Egal welche Art von Gebäck: Torten, Kekse, Donuts oder Muffins — Alles was das Herz begehrte, konnte Silvio mit ein wenig Teig und Sahne in die leckersten Gebäcke der Welt verwandeln.«Ja, das hat mein Vater auch ganz kurzfristig entschieden. Er hat heute einen Termin bei Sanders bekommen.»
Noch während er sprach, traten die kleinen Grübchen in seinen Mundwinkeln zum Vorschein.
Begeistert riss Yvaine die Augen auf und fing an zu lächeln.
«Das ist ja großartig!»Silvio reichte ihr einen Teller mit einem rosafarbenen Muffin.
«Wer weiß, vielleicht steht auch schon bald ein Café in Bristol mit dem Namen "Gino's".»
Er wischte mit einer Hand durch die Luft, als würde dort der Name des Cafés erscheinen.Silvios Vater hoffte schon seit langem darauf, sein eigenes Geschäft weiter ausbauen zu können, das wusste Yvaine. Sie hörte den alten Italiener oft in seinem Büro vor sich hinsinnieren, wie schön es doch wäre, seine Waren in ganz England verkaufen zu können und manchmal stellte sie sich vor, was für ein berauschendes Gefühl es sein würde, wenn all die Träume, die in den Menschen schlummerten, in Erfüllung gehen würden.
Interessiert beäugte sie nun den Muffin vor ihr.
«Mhm. Eine neue Kreation?», fragte sie skeptisch und zog die Augenbrauen in die Höhe.
Silvio nickte knapp.
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Federn aus Pech
FantasyRaben sind sonderbare Vögel. Seit einigen Monaten sieht Yvaine sie in ihren Träumen und mit ihnen auch ihren Tod. Diese Träume sind jedoch nur der Anfang eines gewaltigen Abenteuers, dass Yvaines ganze Wirklichkeit auf den Kopf stellen wird und ein...