Der Traum den sie in dieser Nacht hatte war anders.
Es war wie ein Rückblick.Yvaine war in diesem Traum wieder an der Hausecke von vorhin.
Der Anzugmann war da, doch zeigte er anstatt einem strahlendem Lächeln diesmal ein böses Grinsen.
Er sah auf Yvaine hinab, wie ein Aaßgeier und sie verspürte den unbändigen Drang vor ihm wegzurennen.
Der einzige Gedanke den sie fassen konnte war, Lauf!
Doch sie konnte nicht.
Ihre Beine waren schwer wie Blei.
In den Augen des Mannes sah sie ein Glühen, einen Ausdruck von Hass und einem fürchterlichem Verlangen, das Yvaine eine Angst einjagte, dass sich ihr die Nackenhaare aufstellten.Mit einem Mal, genau wie zuvor an diesem Abend, löste der Anzugträger seinen Blick von ihr. Er starrte mit böse zusammengekniffenen Augen hinter sie. Yvaine wollte dieses Mal wissen, was er da sah und trotz der Angst, die ihr immer noch in den Knochen saß und dem Verlangen den Moment auszunutzen und einfach wegzulaufen, drehte sie sich ebenfalls um.
Ganz langsam, als bewege sich die Welt in Zeitlupe, drehte sie erst ihren Kopf, dann ihren ganzen Körper einmal um hundertachtzig Grad.
Dort in einer dunklen Nische eines Eingangs, saß ein Rabe.
Es kam Yvaine vor, als bohrte er sich mit seinem eisernen Blick in die Seele des Anzugmannes. Dessen Blick verfinsterte sich nur noch mehr.Als er sich nun wieder Yvaine zuwandte und seine Zähne aufeinander presste, löste sie sich schlagartig aus ihrer Schockstarre.
Sie setzte sich auf der Stelle in Bewegung, doch der Mann im blauen Anzug war schneller.
Er packte sie mit eisernem Griff am Handgelenk und hielt sie fest.
Sie zerrte, schlug und trat auf ihn ein, doch Nichts geschah.
In ihrer Panik, stiegen ihr Tränen der Verzweiflung in die Augen, die ihre Sicht verschwimmen ließen.Noch immer versuchte Yvaine sich aus dem festen Griff freizubrechen, als sie einen schwarzen Streifen an sich vorbeifliegen sah.
Mit einer Wucht stürzte sich der Rabe auf das Gesicht des Mannes.
Mit seinen Krallen und seinem Schnabel zerkratzte er ihm das Gesicht.
Yvaine sah, wie Blut floss und schwarze Federn wie Pfeile durch die Luft flogen. Der Anzugmann war abgelenkt und als sich der Griff um ihr Handgelenk lockerte, verlor sie keine Zeit.
Sie rannte davon, ohne zurückzublicken.Als sie in ihrem Bett aufwachte, entfuhr Yvaine ein leiser Schreckenslaut.
Sie sammelte langsam ihre Nerven.
Das war echt krass.
Dieses Mal fühlte sich ihr Traum noch realer an, als alle anderen davor.Sie stützte sich mit dem Arm ab und drehte sich zu ihrem Nachttisch herum. Das digitale Ziffernblatt ihres Weckers zeigte 5:05 Uhr.
Schlaff ließ sie sich mit einem großen Seufzer zurück auf ihr Kissen fallen.Mit beiden Händen fuhr sich Yvaine durch die Haare, die am Ansatz etwas feucht waren. Das hatte sie wohl wieder einmal ihrem Angstschweiß zu verdanken.
Wusste ich doch das dieser Anzugträger ein Arsch ist, dachte sie im Stillen und hielt sich ihr Herz, was unter ihrer Hand wieder langsam und gleichmäßig zu schlagen schien.
Aber dieser Rabe-was hat das denn zu bedeuten?Yvaine fasste an diesem Morgen einen Entschluss. Sie würde diesen immerwährenden Albträumen endlich nachgehen. Dieser Vogel musste doch etwas bedeuten.
Lange blieb Yvaine nicht mehr liegen.
Sie stand kurze Zeit später auf und nahm eine erfrischende Dusche.
Länger als sie gemusst hätte, ließ sie das heiße Wasser auf ihren Körper herabrieseln und nahm die Wärme in sich auf.
Es fühlte sich an, als würden alle Schrecken der vergangenen Nacht aus ihren Gliedern weichen.
Genau das, was sie gebraucht hatte.Sie ließ den Morgen ganz entspannt mit einer frischen Tasse Kaffee und einem Marmeladenbrot auf der Hollywoodschaukel im Garten einklingen. Die Erdbeermarmelade sorgte für einen wohligen Geschmack auf der Zunge, während der Kaffee dafür sorgte, dass sie einen klaren Kopf behielt. Eine ganze Weile lehnte sich Yvaine zurück und schaukelte im Takt der leichten Morgenbrise hin und her.
Der Vogelgesang der Rotkehlchen, die in der alten Linde am Zaun nisteten, zog sie in ihren Bann. Er war so schön und lieblich, ganz anders als das elende Gekrächtze, dass sie sonst heimsuchte.
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Federn aus Pech
FantasyRaben sind sonderbare Vögel. Seit einigen Monaten sieht Yvaine sie in ihren Träumen und mit ihnen auch ihren Tod. Diese Träume sind jedoch nur der Anfang eines gewaltigen Abenteuers, dass Yvaines ganze Wirklichkeit auf den Kopf stellen wird und ein...