Varden hatte keinen Witz gemacht, als er sagte, sie würden täglich trainieren.
Kurz nach Sonnenaufgang hatte er an ihre Tür geklopft und sie geweckt.Noch völlig verschlafen war sie ihm in den Speisesaal gefolgt, wo Eddrick schon auf sie beide gewartet hatte.
Geknickt saß Yvaine auf dem hohen Holzstuhl und nagte an einem Erdnussbutterbrot, als Varden ihr den Trainingsplan erklärte.«Wir werden damit beginnen deine Elementarmagie weiterzuentwickeln. Normalerweise solltest du dich bereits auf ein Element spezialisiert haben.
Der Erdzirkel ist zum Beispiel sehr spezialisiert auf alle Art der Zauberkunst, die mit der Erde, Gestein und Pflanzen zu tun hat.»Yvaine legte das Brot auf den Teller. «Weiterentwickeln. Das setzt ja voraus, dass ich überhaupt schon welche hätte.»
Sie sah ihn mit einem genervten Blick an und nahm sich noch ein paar Weintrauben von dem Teller, der in der Mitte des Tisches stand.
Kaffee gab es natürlich nicht.
Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum sie einfach nicht aus dieser morgendlichen Grummellaune heruaskam.
Eigentlich freute sie sich sogar irgendwie auf den Unterricht, aber mit dieser üblen Einstellung würde sie wohl kaum etwas lernen.«Ich habe schon beobachtet, dass du mehrere elementare Ansätze gezeigt hast. Die Mülltonne neulich im Park zum Beispiel. Dachtest du, dieser Windstoß sei nur reiner Zufall gewesen?
Nein. Das warst du.»
Er nickte ihr zuversichtlich zu.
Schön, dass sich einer seiner Sache sicher ist.
Yvaine legte die Stirn in Falten.
«Woher weißt du eigentlich von der Mülltonne?»
Varden fixierend, verschränkte sie die Arme vor der Brust und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.
«Wie gesagt, ich habe dich schon seit längerem beobachtet. Deshalb habe ich auch gesehen, dass, als du diese Blume im Garten eingepflanzt hast, auch ein Teil deiner Erdkraft erwacht ist.»
Das hat er auch gesehen? Himmel, wer weiß was er noch alles gesehen hat.Daran wollte Yvaine gar nicht denken, doch sie spürte, wie ihre Wangen bei diesem Gedanken warm wurden.
Schnell nahm sie noch einen Schluck von diesem seltsamen Kräutertee, der ihren Magen mit einer wohligen Wärme füllte und entgegen seiner komisch grünen Farbe, auch sehr gut schmeckte.
Sie ließ sich den süßlichen Geschmack kurz auf der Zunge zergehen, bevor sie weitersprach.
«Wann fangen wir an?»
Vardens Augen funkelten. Yvaine konnte es nicht genau deuten, doch sie sah einen Anflug von Vorfreude oder Optimismus in ihnen.
«Jetzt sofort.»Damit hatten sie ihr Frühstück beendet und waren auf dem Weg in den Übungsraum im Erdgeschoss.
Bisher hatte Yvaine keine Zeit gehabt, um alle Räume hier unten zu erkunden, doch sie wusste, dass die Treppe am Ende des rechten Ganges in die Küche führte. Das hatte Eddrick ihr diesen Morgen verraten.Der Übungsraum lag genau gegenüber dieser Treppe. Es war ein riesiger Saal mit Parkettboden.
Hier und da standen demolierte Übungspuppen, denen entweder ein Körperteil fehlte oder die an einigen Stellen verkohlt waren.
Bei diesem Anblick war Yvaine nun schon etwas aufgeregt.
Vielleicht würde sie ja jeden Moment einen gigantischen Feuerball heraufbeschwören und ihn auf diese armen Puppen werfen.«Wir beginnen mit dem Element Luft.»
Auch gut. Vielleicht soll ich die Dinger ja an die Wand schleudern, dachte sie vergnügt.
Yvaine malte sich schon die mächtigsten Attacken aus, die sie an den Puppen üben wollte, doch Varden hatte augenscheinlich andere Pläne.
Er führte sie an den Übungspuppen vorbei, fast bis zum Ende des langen Saals.In einer Ecke stand eine Kommode. Varden zog einen Stuhl heran und bedeutete ihr Platz zu nehmen.
Dann nahm er einen Kerzenhalter von der Nachbarkommode, und platzierte ihn direkt vor Yvaines Nase.
In der Halterung war nur eine einzige rote Kerze.Yvaine beobachtete jeden seiner Schritte mit wachsender Erwartung.
Mit einem schnellen Griff zog Varden ein schmales Feuerzeug aus seiner Hosentasche, was eine leuchtend gelbe Farbe hatte und zündete die Kerze an.
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Federn aus Pech
FantasyRaben sind sonderbare Vögel. Seit einigen Monaten sieht Yvaine sie in ihren Träumen und mit ihnen auch ihren Tod. Diese Träume sind jedoch nur der Anfang eines gewaltigen Abenteuers, dass Yvaines ganze Wirklichkeit auf den Kopf stellen wird und ein...