★Kapitel 8.1★

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Am nächsten Morgen war Yvaine als erste auf den Beinen gewesen.
Sie hatte die kleine Luftnummer mit der Kerze schon vor Sonnenaufgang bereits drei Mal geübt.

Auf dem duftendem Schreibtisch aus Kirschholz hatte sich eine ganze Armee aus Kerzen angereiht, die sie überall im Schloss entdeckt hatte.
Zum Glück lagen in einer der Schubladen des Schreibtisches noch zwei Packungen Streichhölzer, die Yvaine mittlerweile auch schon fast aufgebraucht hatte.
Sie zündete die zehn Kerzen vorsichtig nacheinander an und traute sich dabei kaum zu atmen, aus Angst, sie könnte sie mit ihrem Atem ausblasen.

Zu ihrer Überraschung verteilten einige Kerzen einen süßlich, angenehmen Duft im Raum. Yvaine sog tief die Luft ein und der Geruch erinnerte sie an Rosenfelder und Frühling.

Wie am Tag zuvor versuchte sie nun jede einzelne mit ihrer Luftmagie auszupusten. Fenster und Türen hatte sie vorher geprüft und verriegelt, damit Nichts dem Zufall überlassen war und spontan ein Lüftchen durch das offene Fenster in den Raum fegte.

Als die Magie den Raum erfüllte, spürte Yvaine wieder dieses laue Gefühl in ihrer Magengegend und ein Kribbeln in ihrem Blut. Hätte sie dieses Gefühl beschreiben müssen, hätte sie nicht gewusst wie.
Für sie fühlte es sich einfach richtig an.

Eine ganze Stunde hatte sie gebraucht, bis alle zehn Kerzen endlich aus waren.
Schweißperlen saßen ihr auf der Stirn, als sie aus dem Fenster sah, wo hinter den weiten Feldern langsam die Sonne hinter dem Horizont auftauchte und die Gräser in einen orangenen Ozean verwandelte.

Der zweite und dritte Versuch lief deutlich einfacher und schneller ab, doch war noch immer ihre ganze Konzentration gefragt.
Es klappte am besten, wenn sie den Wind mit Varden in Verbindung brachte, doch nie im Leben würde sie das jemandem erzählen.
Sie konnte sich selbst nicht erklären, warum.

Stunden später, als die Sonne schon weit über den Horizont gewandert war, klopfte es an ihrer Tür.
Varden hatte ihr Bescheid gegeben, dass das Frühstück bereit stand, gerade als sie all die Kerzen ein siebtes Mal hatte anzünden wollen.
Sie konnte spüren, dass sie schon einen großen Fortschritt gemacht hatte und der Gedanke das Training zu unterbrechen gefiel ihr gar nicht. Vardens Blick war nur kurz durch das Zimmer gewandert, bevor er sich wieder entfernte.

Ein Seufzer entfuhr ihr, als sie zurück auf den Schreibtisch und die Sammlung von ordentlich aufgereihten Kerzen sah.
Eigentlich hatte sie keine Zeit zum Frühstücken. Am liebsten wäre sie geblieben und hätte den ganzen Tag weiter trainiert, doch als ihr Magen plötzlich zu knurren begann, ging sie ihm schließlich nach.

Auf dem Weg in den Speisesaal, waren Yvaines Glieder ganz schlaff.
Ihre Arme hingen kraftlos an ihrem Körper herab, auch die Beine fühlten sich an, als wären sie aus Blei.
In ihrem Kopf breitete sich allmählich ein heftiger Druck aus.

Unwillkürlich griff sie sich an die Schläfen und begann sie in kreisenden Bewegungen zu massieren und tadelte sich selbst, dass sie morgen auf jeden Fall ausschlafen würde, um ausgeruhter zu sein.

«Da ist ja unser Frühaufsteher.»
Eddrick zog einen Stuhl neben sich zurück und klopfte mit seiner Hand auf die gepolsterte Sitzfläche.
Yvaine zwang sich ein Lächeln auf die Lippen und nahm neben ihm Platz.

«Morgen, Ed.», begrüßte sie ihn knapp.
Im Augenwinkel sah sie, dass Varden jeden ihrer Schritte beobachtete, seit sie den Raum betreten hatte.
Sein Blick ruhte ruhig auf ihr, als sie sich eines der Toasts nahm und anfing Marmelade auf eine der knusprigen Seiten zu schmieren.
Eddrick löffelte einen rosanen Joghurt mit frischen Früchten, die Yvaine als Erdbeeren, Melone, Himbeeren, Mango und Blaubeeren erkannte.

Varden beobachtete sie noch immer, während er abwesend in seinem Rührei herumstocherte, doch diesmal bemerkte Yvaine es nicht. Sie war auf einmal so hungrig, dass sie den ganzen Tisch hätte leer essen können, was ja aber auch kein Wunder war.
Genüsslich biss sie in die zweite Scheibe Toast.

Federn aus PechWo Geschichten leben. Entdecke jetzt