★Kapitel 6.1★

23 4 7
                                    

Yvaine hatte sehr wohl schon von Avalon gehört. Sie wusste, dass es eine große Rolle in der Sage um König Arthus hatte, doch einmal durch solch historische Gemäuer zu wandern hatte sie sich noch nie träumen lassen.

Das Avalon.

Es war weltbekannt.
Als sie durch das große Holztor eintraten, verspürte Yvaine ein vertrautes Gefühl.
Ganz tief in ihrem Inneren regte sich etwas. Ganz tief in ihrem Herzen.
Es war wunderschön.

Das ganze Schloss strahlte etwas aus, was ihr seltsam bekannt vorkam, doch sie konnte nicht erklären was es war.
Im Vorhof stand ein Springbrunnen aus weißem Stein.
Auch nach hunderten von Jahren, war die unendliche Quelle, die dieses Wasser fließen ließ, noch nicht versiegt.
Leicht plätscherte es von der ersten Etagere in die Nächste.
Der Brunnen sah aus, als sei er einem Märchen entsprungen. Figuren aus Stein waren am Rand angebracht worden, die eine große Ähnlichkeit mit Fabelwesen hatten. Ganz oben auf der Spitze saß eine steinerne, kleine Fee.

Yvaine sah sich um und versuchte sich alles genau einzuprägen.
Wie oft bot sich schon die Gelegenheit durch das echte Avalon zu wandeln.

Die starken Mauern waren von Blumenranken bewachsen, die das Schloss aussehen ließen, wie aus einem alten Traum. Es lag ein herrlicher Duft, nach Lavendel und Rosmarin in der Luft. Varden stand bereits am Eingang des Schlosses und beobachtete sie, sah zu, wie sie das ganze Schloss mit den Augen verschlang. Ihm ging es genauso, als er das erste Mal hier gewesen war.

Ganz oben, hinter einem der Fenster, dachte Yvaine etwas gesehen zu haben, doch es war wohl nur die Reflexion eines Vogels, der anmutig über das Schloss hinweg segelte.

«Yvaine...»
Ihre Augen ließen von dem alten Schloss ab und richteten sich auf Varden, der noch immer geduldig auf sie wartete. Langsam trat sie zu ihm auf den Steinbogen zu, in dem schwere Türen mit einer weiß glänzenden Farbe, eingelassen waren.
Als sie vor der großen Pforte stand, atmete sie tief ein und aus.
Sie war bereit diese uralten Hallen zu betreten. Varden machte eine einladende Geste und wie von Zauberhand schwang die doppelflügelige Tür auf.

Wieder einmal stockte Yvaine der Atem. Das Innere des Schlosses war noch bezaubernder als das Äußere.
Starke Säulen zogen sich die lange Eingangshalle entlang.
Vor ihr lag eine breite Treppe.
Das, was Yvaine sofort ins Auge fiel, war ein Bild aus buntem Glas, das über der Treppe in die Mauer eingelassen war. Es war so eines, wie man es oft in Kirchen sah.

Sie trat näher in die Halle hinein und entgegen ihrer Erwartung, war es sehr warm im Schloss. Normalerweise zog es in solch alten Gemäuern immer fürchterlich, doch hier nicht.
Die Eingangshalle und das ganze Schloss waren von einer wohlwollenden Wärme erfüllt, die Yvaine bis ins Mark ging.

Yvaine war so neugierig, dass sie am liebsten direkt losgerannt wäre und alles erkundet hätte, doch Varden hatte andere Pläne.

Er führte sie zielstrebig die Treppe hinauf.
Auf dem Absatz blieb Yvaine erneut stehen und ließ ihren Blick weit nach oben wandern. Das bunte Glasbild hatte es ihr angetan.
Abgebildet war eine junge Frau in einem blauen Gewand.
Das Haar war aus einem Glas, das fast so schwarz war wie Vardens Lederjacke. Die Frau hielt ein langes Zepter in der Hand. Auf ihrer Schulter saß ein kleiner Vogel, vielleicht eine Amsel, vermutete Yvaine. Die Frau war in einer schönen Waldlandschaft abgebildet.
Das Gebäude, das im Hintergrund empor ragte, musste Avalon sein.

«Wer ist das?»
Yvaine konnte die Neugier in ihrer Stimme nicht verbergen.
Varden folgte ihrem Blick und sah nun auch zu dem bunten Glasbild hinauf.
«Das Bild stellt Morgana Le Fay dar.»
Ein Stich fuhr Yvaine durch den Körper. «Le Fay? So wie meine Eltern?»
Varden nickte kaum merklich.

Federn aus PechWo Geschichten leben. Entdecke jetzt